Papst in Bayern Benedikt contra Mohammed

Die Jubelreise des Papstes in seine bayerische Heimat endet mit einem Eklat.
Von Ulrich Schwarz

Es sollte eine heitere Reise in die bayerische Heimat werden und ein unbeschwerter Abschied von der vorpäpstlichen Vergangenheit des Joseph Ratzinger. Doch das folkloristische Spektakel endet mit einem Eklat.

Wie ein Triumphator zieht Benedikt XVI. am 9. September in die Münchner Innenstadt ein. Tausende bejubeln ihn auf dem Marienplatz, Abertausende feiern mit ihm tags darauf in Riem eine Messe. Strahlend und locker beim Bad in der Menge, leutselig Kinder küssend - so hat man den deutschen Papst noch nie erlebt, nicht einmal bei seinem ersten Mega-Event, dem Weltjugendtag 2005 in Köln.

Auch auf den anderen Stationen seiner Visite - ob in Altötting, Regensburg oder Freising - mobilisiert der Bayer aus dem Vatikan die Massen, wenn auch nicht ganz so viele, wie sich die Prälaten erträumt hatten. Von 200 000 und mehr bei der Ankunft in der bayerischen Metropole schwärmen die Kirchenleute, die Sicherheitsbeamten zählen allenfalls 75 000.

Andernorts bleiben die Besucherscharen ebenfalls deutlich unter den Erwartungen, wie die Medien vermerken. Zu den Gottesdiensten versammelt sich vor allem Stammklientel der Kirche: fromme Pilger im Wallfahrtsort Altötting und Gläubige, die auch sonst die heimischen Gotteshäuser frequentieren.

Vor den riesigen Videowänden in den bayerischen Städten, auf denen Passanten das tagelange Weihespiel mit und um Benedikt verfolgen sollen, drängt sich kaum ein Zuschauer. Die Strahlkraft des Katholiken-Oberhauptes, die noch ein Jahr zuvor in Köln eine Million vor allem junge Menschen angezogen hat, scheint zu verblassen.

Kein Wunder: Der "neue" Ratzinger, wie er sich auf dem Weltjugendtag präsentierte, hat Erwartungen geweckt, die er bislang nicht eingelöst hat, die er gar nicht erfüllen kann, ohne all jene Überzeugungen zu verraten, für die er ein Vierteljahrhundert eingestanden ist - als oberster Hüter der reinen Kirchenlehre und strenger Wächter über Glauben und Moral der Gläubigen.

Von dieser Haltung ist Ratzinger als Papst kein Jota abgerückt. Für Lehre und Moral gelten nach wie vor die Verdikte aus seiner Amtszeit als Chef der vatikanischen Glaubenskongregation: gegen Empfängnisverhütung, gegen das Priesteramt für Frauen, gegen verheiratete Priester, gegen Homosexualität - und gegen die Anerkennung der evangelischen als einer "richtigen" Kirche.

Dazu passt eine Zahl, die die Beratungsfirma McKinsey im Vorfeld des Papstbesuchs erhoben hat: 45 Prozent der Deutschen trauen der katholischen Kirche nicht, trotz Papst-Hype. Noch schlechter kommen nur die Rentenversicherung und die politischen Parteien weg. Doch geht es nach dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, sollen auch die von ihrem Landsmann aus Rom profitieren. Der Besuch Benedikts, schwärmt Prälat Stoiber schon, während der geistliche Gast noch durchs Land tourt, werde seinen "Niederschlag im kulturellen, intellektuellen und religiösen Leben des Freistaats finden".

Einen Niederschlag der ganz anderen Art findet der Heimatbesuch des Pontifex in der islamischen Welt. Die heitere Leichtigkeit, die trotz allem über Benedikts Visite liegt, macht er am Ende selbst zunichte. In einer hochakademischen Vorlesung an seiner früheren Wirkungsstätte, der Universität Regensburg, vergaloppiert sich der ehemalige Theologieprofessor beim Thema Religion und Gewalt.

Um zu untermauern, dass Glaube und Schwert nicht miteinander zu vereinbaren sind, beruft er sich ausgerechnet auf einen byzantinischen Kaiser aus dem 14. Jahrhundert und dessen schroffe Polemik gegen den Propheten Mohammed. Der habe nur "Schlechtes und Inhumanes" gebracht, "wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten". Was den Ex-Professor Ratzinger geritten hat, ausgerechnet auf Mohammed zurückzugreifen, um die Unvereinbarkeit von Religion und Gewalt zu erläutern, bleibt sein Geheimnis.

Was hätte nähergelegen, als aus der eigenen mit zahllosen Beispielen religiöser Gewalt gespickten Kirchengeschichte zu zitieren? Die Regensburger Vorlesung löst in der islamischen Welt einen absurden Sturm gewalttätiger Empörung aus - in Somalia wird eine Nonne ermordet, im Irak und in Pakistan werden Papstpuppen verbrannt.

Absurd ist die Reaktion, weil der Kontext des päpstlichen Referats die Aufregung nicht deckt. Es geht Benedikt in Regensburg nicht um den Islam, sondern, auf hochabstraktem akademischem Niveau, um die Einheit von Glaube und Vernunft.

Doch Ratzinger hätte wissen müssen, dass alles, was er irgendwann und irgendwo öffentlich sagt, auf ihn als Oberhaupt der katholischen Kirche zurückfällt. Dass mithin auch Diplomatie zu den päpstlichen Tugenden zählt. Professoraler Hochmut des Wahrheitsfanatikers hindert den Papst indes offenbar daran, seine Texte vorab von Experten, an denen der Vatikan nicht gerade arm ist, auf ihre politische Wirkung abklopfen zu lassen: Der Zensor des Glaubens, der Ratzinger jahrzehntelang war, braucht selbst keine Zensur, denn er ist ohne Fehler. Seinem Vorgänger wäre so ein Fauxpas kaum passiert, Johannes Paul II. hat seine Texte stets gegenlesen lassen.

Erschrocken über das Echo in den islamischen Ländern, rudert Benedikt schleunigst zurück. Bei seinem Türkei-Besuch im November, durch den Regensburger Ausrutscher erheblich belastet, kann der Papst mit symbolträchtigen, gar demütigen Gesten die Gemüter wieder halbwegs beruhigen.

Benedikt preist den Islam als Religion des Friedens, besucht das Atatürk-Mausoleum und trifft einen seiner scharfsten Kritiker, den Chef der Religionsbehörde, Ali Bardakoglu, der die Regensburger Vorlesung "feindselig und provozierend" genannt hat. Richtig herzlich ist die Begegnung nicht, aber doch um Versöhnung bemüht.

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