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Altersdiskriminierung "Die Zwangsverrentung mit 67 ist rechtswidrig"

Niemand soll aufgrund seines Alters diskriminiert werden, sagt das Gesetz. Im Joballtag sieht das anders aus. Rechtsanwalt Klaus Michael Alenfelder erklärt, was der Chef darf - und wann sich eine Klage lohnt.
Arbeiten im Alter? Gerne - wenn es denn möglich ist

Arbeiten im Alter? Gerne - wenn es denn möglich ist

Foto: Corbis
Zur Person
Foto: Kanzlei Alenfelders & Frieters

Klaus Michael Alenfelder vertritt als Anwalt vor allem Opfer von Diskriminierung und Mobbing am Arbeitsplatz. Er hat die deutschlandweit tätige Kanzlei Alenfelder & Frieters gegründet und mehrere Bücher sowie Aufsätze zum Antidiskriminierungsrecht verfasst.

KarriereSPIEGEL: Eines der Ziele des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) von 2006 war und ist es, Benachteiligungen aufgrund des Alters "zu verhindern oder zu beseitigen". Tatsächlich ist das Arbeitsrecht aber immer noch durchzogen von Regeln, die an das Alter anknüpfen. Wie geht das zusammen?

Alenfelder: Eigentlich gar nicht. Viele dieser Vorschriften sind unwirksam, aber immer noch im Gesetz oder in Tarifverträgen zu finden. So hat das Bundesarbeitsgericht zum Beispiel vor zwei Jahren die Regelung kassiert, dass Ältere mehr Urlaub bekommen als Jüngere - trotzdem stand das bis zuletzt noch im Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes. Solche Differenzierungen nach dem Alter können zwar auch nach dem AGG zulässig sein. Sie müssen dann aber einem überragenden Ziel dienen und sachlich gerechtfertigt sein.

KarriereSPIEGEL: Viele Arbeitsverträge enden automatisch, wenn das Rentenalter erreicht ist, Piloten dürfen teilweise sogar nur bis 60 arbeiten. Ist das rechtens?

Alenfelder: Es ist klar, dass ein Pilot nicht mehr fliegen soll, wenn er nicht fit ist. Aber besser als eine starre Altersgrenze wäre ein jährlicher Gesundheitstest. Die allgemeine Zwangsverrentung mit jetzt 67 Jahren, die in den meisten Arbeitsverträgen vorgesehen ist, halte ich für rechtswidrig - auch wenn der Europäische Gerichtshof (EuGH) das akzeptiert hat. In Deutschland gibt es zu wenige Fachkräfte, deshalb sollten wir hier die Menschen möglichst lange in den Unternehmen halten, wenn sie noch arbeiten wollen. Was einem Älteren an körperlicher Leistungsfähigkeit fehlt, gleicht er in der Regel durch Erfahrung aus.

KarriereSPIEGEL: Selbst nach Inkrafttreten des AGG haben Arbeitgeber oft noch ganz plump in den Stellenanzeigen junge Bewerber gesucht.

Alenfelder: Das ist inzwischen selten geworden. Aber wer sich nicht erwischen lässt, kann natürlich weiterhin Jüngere bevorzugen.

KarriereSPIEGEL: Im Fall eines Bewerbers für die Frankfurter Berufsfeuerwehr hat der EuGH eine Altersgrenze von 30 Jahren gebilligt, im Fall eines Bewerbers für die Pilotenausbildung bei der Lufthansa haben Sie gerade erfolgreich gegen die Altersgrenze von 27 Jahren geklagt (mehr zu diesem Fall lesen Sie im neuen Magazin SPIEGEL JOB ). Ist das nicht ein Widerspruch?

Alenfelder: Im Fall der Berufsfeuerwehr hat der EuGH das erst akzeptiert, nachdem die Stadt Frankfurt sauber begründet hat, warum sie genügend junge und damit körperlich besonders belastbare Feuerwehrmänner braucht. Im Fall des Bewerbers für die Pilotenausbildung gab es solche besonderen Gründe nicht.

"Forever young"
Foto: Steffen Roth/ SPIEGEL JOB

Simon Slowik bewarb sich für die Pilotenausbildung, die Lufthansa lehnte ihn ab. Er sei zu alt - mit 29 Jahren. Ob ein Unternehmen das darf, und wie die Geschichte um Slowik ausging, lesen Sie im neuen Magazin SPIEGEL JOB. Das gibt es jetzt am Kiosk und ist unter anderem hier bestellbar:Heft bei Amazon: SPIEGEL JOB 1/2014 

KarriereSPIEGEL: Wer Polizist, Lehrer oder ein sonstiger Beamter werden will, darf in vielen Bundesländern nicht älter sein als 45, teilweise sogar nicht älter als 40 Jahre.

Alenfelder: Diese Höchstaltersgrenzen wurden im Öffentlichen Dienst in den vergangenen Jahren vielfach angehoben. Trotzdem kann ich nicht verstehen, dass es das immer noch gibt. Für körperlich besonders herausfordernde Berufe wie bei der Bundeswehr oder bei der Polizei kann ich das noch nachvollziehen - am Ende des Tages muss einfach die Arbeit gemacht werden. Aber bei Lehrern oder in der Verwaltung halte ich persönlich das für rechtswidrig.

KarriereSPIEGEL: Für Bundesbeamte immerhin besteht diese starre Grenze nicht mehr. Warum halten viele Länder noch daran fest?

Alenfelder: Das Argument ist: Die Beamten müssten sich erst ihre Pensionsansprüche erarbeiten. Stattdessen könnte man aber einfach auch das Pensionssystem umstellen, so wie bei den Angestellten auch.

KarriereSPIEGEL: Berufseinsteiger kämpfen häufig damit, dass sie zwar eine Beschäftigung finden - aber eben nur als un- oder allenfalls schlecht bezahlte Praktikanten. Ist das nicht auch eine Diskriminierung wegen des Alters?

Alenfelder: Denkbar ist das. Ein echtes Praktikum kann unentgeltlich sein, wenn es wirklich darum geht, in einen Beruf hineinzuschnuppern. In manchen Feldern, beispielsweise auch in der Medien- und Werbebranche oder selbst in Anwaltskanzleien, wird da aber viel Schindluder getrieben. Wenn ein Praktikant die gleiche Arbeit macht wie ein Angestellter, dann muss er auch das gleiche Gehalt bekommen - oder er kann im Nachhinein die Differenz als Schadensersatz verlangen. Wenn es gezielt jüngere Beschäftigte betrifft, kommt nach dem AGG noch eine Entschädigung oben drauf.

KarriereSPIEGEL: Wie hoch kann diese sein?

Alenfelder: Sie muss nach dem Europarecht "abschreckend" sein. Wenn der Bewerber ohne die Diskriminierung eingestellt worden wäre, soll es eine Entschädigung in Höhe von bis zu einem Jahresgehalt geben, so hat es der Bundestag bei der Beratung des AGG empfohlen. Hinzu kommt der materielle Schadensersatz, also insbesondere das entgangene Gehalt. Für einen Ingenieur, der als "alter Ossi-Doktor" verunglimpft worden war, haben wir in einem Vergleich immerhin gut 26.000 Euro wegen Altersdiskriminierung erstritten. Außerhalb von Bewerbungssituationen haben wir in solchen Vergleichen sogar auch mal gut 500.000 Euro erreicht. Viele Gerichte verhängen aber häufig eher niedrigere Entschädigungen. Das ändert sich langsam.

KarriereSPIEGEL: Lohnt es sich denn, gegen solche Diskriminierungen zu klagen?

Alenfelder: Wenn der Verstoß klar zu belegen ist und man von der Gegenseite nichts mehr zu erhoffen hat, dann kann es sich durchaus lohnen. Auch wenn man im Job so gemobbt wird, dass man es nicht mehr aushält, sollte man sich wehren. Wenn es aber nur um Kleinigkeiten in einem bestehenden Arbeitsverhältnis geht, würde ich sagen: Finger weg!

Das Interview führte Dietmar Hipp, SPIEGEL-Redakteur in Karlsruhe.

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