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Job & Karriere

Berufe der Zukunft Einer muss der Erste sein

In Stellenanzeigen und auf Visitenkarten existiert der Beruf von Daniel Putsch nicht. Noch nicht. Der 29-Jährige ist Anthropomatiker: Er macht Technik einfacher. Wie man sich auf Jobs vorbereitet, bevor es sie gibt.
Anthropo - was? Mit dem Job von Daniel Putsch können nur wenige etwas anfangen

Anthropo - was? Mit dem Job von Daniel Putsch können nur wenige etwas anfangen

Foto: Ferchau Engineering GmbH

Das Satellitenfoto zeigt einen Punkt vor dem Horn von Afrika. Ein Containerschiff, verrät das Funksignal. Vom Festland aus nähert sich ein kleinerer, schnellerer Punkt, er steuert direkt auf den Frachter zu. Obwohl das internationale Seerecht es verlangt, sendet dieses Objekt kein Signal. Der Kapitän eines Kreuzfahrtschiffs meldet eine Spur im Wasser, sie könnte von einem Schnellboot stammen. Jetzt löst die Küstenwache Alarm aus: Piraten.

Satelliten, Radarstationen, Flugzeuge und Schiffe liefern jede Sekunde Daten. Zu viele Daten. "Ein Mensch kann die Fülle nicht überblicken", sagt Daniel Putsch. "Erst durch die zeitgleiche Verknüpfung merkt man, wenn beispielsweise Piraten ein Schiff angreifen."

Putsch, 29, ist Anthropomatiker. In der Datenbank der Arbeitsagentur, in Stellenanzeigen oder auf Visitenkarten existiert sein Beruf nicht. Noch nicht. Der Begriff setzt sich aus Anthropologie, der Wissenschaft vom Menschen, und Mathematik zusammen. Das Ziel: Technik so zu gestalten, dass der Mensch sie leicht beherrschen und den optimalen Nutzen aus ihr ziehen kann. Kollegen von Putsch arbeiten zum Beispiel an Haushaltsrobotern, die den Müll raustragen, bevor er zu riechen beginnt.

Aus zwei mach eins - so entstehen viele neue Berufe. Wer einen davon ergreift, ist doppelt qualifiziert und abgesichert. Aber auch doppelt gefordert: Zukunftsberufe gibt es nicht von der Stange, sie müssen entdeckt, erobert und entwickelt werden.

Höhere Bildungsabschlüsse werden noch wichtiger

Putsch hat für seine Diplomarbeit an der Universität Karlsruhe ein Fusionssystem erforscht, das verschiedene Quellen zusammenführt. Das Besondere: Der Rechner bewertet die Informationen wie ein Mensch. Er "weiß", dass ein in gerader Linie auf ein Schiff zusteuerndes Objekt nichts Gutes verheißt und verständigt die Küstenwache. "Die Software kombiniert die spezifischen Stärken von Mensch und Maschine", sagt Putsch. "Die Maschine hat die größere Rechenleistung und ermüdet nicht, reicht aber in Sachen Bilderkennung, Abstraktion und Intuition nicht an den Menschen heran."

Bernhard Christoph vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg sieht zwei große Trends: Zum einen nehmen Maschinen dem Menschen immer mehr Tätigkeiten ab, zum anderen ermöglichen neue Technologien mehr Autonomie beim Lösen komplexer Aufgaben.

Diagnosen, die früher ein ganzes Labor über Wochen auf Trab gehalten haben, könnten bald Rechner innerhalb weniger Stunden liefern - an Ärzte, die womöglich nicht mehr in einer Praxis arbeiten, sondern als Telemediziner ihre Patienten online behandeln. Was wiederum die Anforderungen an den Datenschutz erhöhen würde und einer neuen Generation von IT-Sicherheitstechnikern und Kryptologen ein Auskommen sichern könnte.

"Bei all diesen Berufen handelt es sich um höher qualifizierte", sagt Christoph. Höhere Bildungsabschlüsse werden damit in Zukunft noch wichtiger, als sie es ohnehin schon sind. Die Kehrseite der Medaille: Jobs verschwinden.

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Ausgestorbene Berufe: Die Wiedergänger

Foto: Simon Koy

Andere Berufe werden unter anderem Namen und mit anderer Ausrichtung neu geboren. Aus dem Kfz-Mechaniker schlüpft der Mechatroniker, aus dem Redakteur der Cross Media Editor.

Laut Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung in Bonn, modernisiert sich das Berufesystem von innen heraus. Was passiert mit dem Berufskraftfahrer, wenn in Zukunft alle Autos ohne Fahrer fahren? Esser glaubt, dass in der Logistik und im Verkehr neue Dienstleistungsberufe entstehen. Möglicherweise sitzt der Logistiker von morgen wie ein Fluglotse vor dem Rechner und dirigiert per Joystick Hunderte Fahrzeuge durch die Straßen. Das könnte ein verantwortungsvoller, gut bezahlter Job sein. Doch wie sollen Schüler oder Studenten einen Beruf anpeilen, den es noch gar nicht gibt?

Esser empfiehlt, stets persönlichen Neigungen und Fähigkeiten zu folgen und nicht vermeintlichen Trends nachzurennen. Junge Menschen sollten sich "möglichst breit aufstellen" und sich nicht schon zu früh zu sehr spezialisieren. Wer offen für neue Technologien sei, wachse automatisch in Zukunftsberufe hinein, lange bevor es für diese Ausbildungs- oder Studienordnungen gebe. Als Beispiel nennt Esser den technischen Service: Wenn in Zukunft 3D-Drucker Verbrauchsgüter direkt beim Konsumenten erstellen, wird Beratung gefragt sein - von der Investition über die technische Planung bis zur Montage und Wartung.

Anthropomatiker Daniel Putsch fing nach dem Informatikstudium als IT-Consultant bei Ferchau Engineering an, einem Ingenieurdienstleister mit mehr als 6000 Mitarbeitern. Zurzeit berät Putsch ein Karlsruher Softwarehaus, das intelligente Onlineformulare und Ausfüllassistenten für Behörden programmiert. Ziel ist es, die Bürger von unnötigem Papierkram zu entlasten. Im Internet sollen sie mit wenigen Klicks einen Reisepass beantragen oder ihr Auto ummelden können. "Wer beispielsweise angegeben hat, unverheiratet zu sein, muss sich nicht durch Fragen beißen, in denen es um das Einkommen des Ehepartners geht", erklärt Putsch.

Foto: Kerstin Krüger

KarriereSPIEGEL-Autor Christoph Stehr ist freier Journalist in Hilden.

Das Fusionssystem, über das er seine Diplomarbeit geschrieben hat, ist noch nicht marktreif, aber Teile davon werden bereits vom spanischen Militär in Drohnen eingesetzt. Nicht um Piraten zu jagen, sondern um Flüchtlinge zu retten.

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