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Anwaltsreklame mit Schockfotos "Noch alle Tassen im Schrank?"

Ein Anwalt will mit Bildern von Pistolen und Züchtigung werben - auf Kaffeetassen. Die Schockmotive zeigen erste Wirkung. Schon fürchten Kollegen um die Ehre des Berufsstands, die Justizposse ist beim Bundesgerichtshof gelandet.
Werbemotiv: "Nicht verzagen, Anwalt fragen"

Werbemotiv: "Nicht verzagen, Anwalt fragen"

Foto: privat

Eine Frau mit gramverzerrtem Gesicht hält sich den Revolver unters Kinn, gleich könnte sie abdrücken. Daneben steht der Text: "Nicht verzagen, Anwalt fragen." Dazu der Name einer Kanzlei, plus Telefonnummer.

Eine Frau traktiert den nackten Hintern eines Mädchens mit einem Holzschläger, dazu der Hinweis: "Körperliche Züchtigung ist verboten." Und wieder die Kontaktdaten der Kanzlei.

Ein Rechtsanwalt aus Nordrhein-Westfalen wollte diese Fotos auf Kaffeetassen drucken lassen, um Mandanten anzulocken. Die Becher sollten als Weihnachtsgeschenke verteilt werden oder als Spenden für lokale Weihnachtsmärkte. Suizid und Gewalt an Kindern - sind das Themen, mit denen man gern seinen Kaffee genießt? Oder seinen Glühwein am Feierabend?

Jedenfalls sollten die Tassen Aufsehen erregen - und das ist gelungen, noch bevor sie hergestellt wurden. Denn unter Anwälten ist ein Streit darüber entbrannt, ob diese Entgleisungen den Ruf der Zunft beschädigen. Inzwischen liegt der Fall beim Bundesgerichtshof.

Mehr als 160.000 Anwälte gibt es in der Bundesrepublik, allein 12.500 balgen sich im Bezirk Köln um Mandate, und jedes Jahr werden es mehr. Was also kann man tun, um aufzufallen? Das dachte sich auch der Rechtsanwalt Martin R.

"Ich habe mit verschiedenen Bildern experimentiert", sagt R., "schließlich bin ich bei der Schockwerbung hängengeblieben." Schock schafft Aufmerksamkeit, die Schock-Werbung von Benetton mit HIV-Infizierten und Verhungernden war R. jedenfalls in bester Erinnerung, und anders als ein Textilproduzent hat ein Anwalt mitunter ja wirklich mit schockierenden Themen zu tun. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Benetton-Werbung nach jahrelangem Rechtsstreit gebilligt, auch das war R. klar. Und so ein Rechtsstreit, vielleicht sogar in den Medien, käme ja wohl auch nicht ungelegen.

"Erkennbar sexueller Bezug" und "surreale Darstellung"

Die Rechtsanwaltskammer, die unter anderem dafür zuständig ist, dass Anwälte nicht über die Stränge der Standesregeln schlagen, könnte etwas gegen so einen Werbestunt haben, das war absehbar. Noch bevor er die Tassen bestellte und sich in Unkosten stürzte, erkundigte sich Anwalt R. bei der zuständigen Kölner Kammer. Die war erwartungsgemäß erschüttert - und lehnte die genannten Motive ab; der Anwaltsgerichtshof, an den sich R. danach hilfesuchend wandte, weigerte sich sogar, überhaupt in der Sache zu entscheiden. Nun liegt die Sache beim Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs (BGH), der darüber befinden soll, ob Anwälte mit Schockmotiven werben dürfen oder nicht (Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 67/13).

Die Kölner Kammer lehnte die Werbung schon deshalb ab, weil sie "nicht dem Gebot der Sachlichkeit einer anwaltlichen Werbung genügt". Die Darstellung mit der halbnackten Jugendlichen weise "einen erkennbar sexuellen Bezug" auf und spreche "durch die surreale Darstellung einer Straftat keinen Täter- oder Opferkreis an".

Die Kammer hielt eine "derartig sexuell geprägte Werbemaßnahme" für "geeignet, das Ansehen des Berufsstands des Rechtsanwaltes und der Rechtspflege zu beschädigen". Zu schlechter Letzt sei auch die Kombination des Suizidfotos mit dem Slogan eine "unsachliche Werbung", weil der Spruch "nicht die für einen solchen Sozialkonflikt nötige Ernsthaftigkeit" mit sich bringe. Immerhin: Das Foto einer bloßen Pistole, zusammen mit dem Spruch "Besser zum Anwalt", fand die Kammer in Ordnung.

Anwalts-Quiz

Anwalt R. hielt dagegen: Die Werbung sei "im Rahmen der anwaltlichen Meinungs- und Berufsfreiheit" gestattet. Die Nacktheit der Gezüchtigten sei "situationsadäquat" einzuordnen und überhaupt nicht sexuell. Auch das Foto der potentiellen Selbstmörderin sei "in keiner Form 'schmuddelig'" - zudem könne ein Anwalt in einer verzweifelten Situation, die nicht auf einer psychischen Erkrankung beruhe, also etwa bei einer Insolvenz oder extremen Formen von Stalking, "mehr ausrichten als ein Arzt oder Psychologe".

Doch, wir dürfen das entscheiden

Der Anwaltsgerichtshof allerdings zog sich aus der Affäre - wenn beide recht haben wollen, bekommt es keiner: Die Kammer habe dem Anwalt gar nichts verboten, da dieser ja auch noch keine Tassen bedruckt habe. Vielmehr habe sie nur eine belehrende, präventive Auskunft erteilt - und diese sei für sich genommen nicht anfechtbar. Mit anderen Worten: Erst wenn der Anwalt seine Tassen wirklich bedruckt, und ihm die Kammer verbietet sie unters Volk zu bringen, gibt es etwas zu entscheiden.

Damit brachte das Anwaltsgericht nicht nur R. gegen sich auf, sondern auch die Kammer, die er eben noch verklagt hatte: "Wir sind der Auffassung, dass wir die Befugnis haben, das zu entscheiden", sagt Kammergeschäftsführer Martin Huff, "und dem Kollegen die Möglichkeit zu geben, eine gerichtliche Klärung herbeizuführen, bevor er teure Werbemaßnahmen ergreift."

Durch Streit getrennt, im Streit vereint - nun treffen sich die Kammer und ihr Anwalt beim BGH. Immerhin gibt R. zu: Er habe da "schon ein bisschen eine Sau durchs Dorf getrieben" - BGH-Präsident Klaus Tolksdorf und seine Kollegen werden sie nun wieder einfangen müssen.

Immerhin: Ganz aussichtslos ist das Anliegen von R. nicht. Auf juristischen Seiten im Internet wurde sein Fall jedenfalls schon wohlwollend diskutiert - auch wenn der Direktor eines Amtsgerichtes in seinem Blog witzelte: "Noch alle Tassen im Schrank?".

R. kann sich jedenfalls sicher sein: Aufgefallen ist er mit seinen Kaffeetassen schon jetzt. Nun müsste sich nur noch jemand finden, der nicht nur den Fall, sondern auch seinen Namen publiziert - dann hätte er viel mehr erreicht, als wenn er nur ein paar Kaffeetassen bedruckt.

Dietmar Hipp ist SPIEGEL-Redakteur in Karlsruhe.

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