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Kündigung und Gehalt bei Insolvenz Hilfe, mein Arbeitgeber ist pleite

Wenn ein Arbeitgeber Insolvenz anmeldet, stellen sich für die Mitarbeitenden viele Fragen: Wird jetzt das Gehalt gestrichen, oder droht gar die Kündigung? Die wichtigsten Antworten.
Geschlossen: Jedes Jahr melden mehrere Tausend Unternehmen Insolvenz an

Geschlossen: Jedes Jahr melden mehrere Tausend Unternehmen Insolvenz an

Foto: LumiNola / Getty Images

Steuert eine Firma in die Pleite, ist das für die Mitarbeitenden ein Schock. Ihre Arbeitsplätze sind in Gefahr und damit auch ihre Löhne und Gehälter. Welche Rechte haben Arbeitnehmer, wenn sie Gläubiger werden? Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Verliere ich sofort meinen Job, wenn der Arbeitgeber Insolvenz anmeldet?

Nein. »Der Insolvenzantrag verändert erst einmal noch gar nichts am Arbeitsverhältnis«, sagt der Offenburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Jürgen Markowski. Der Arbeitsvertrag ist weiter gültig, es besteht weiterhin die Pflicht, die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen.

Bis das Amtsgericht über den Insolvenzantrag entschieden hat, bestellt es für die jeweilige Firma einen vorläufigen Insolvenzverwalter, dieser wird mitunter auch »schwacher Insolvenzverwalter« genannt. Für die Beschäftigten ändert sich vorerst nichts – es sei denn, dieser vorläufige Insolvenzverwalter wird vom Gericht für arbeitsrechtliche Angelegenheiten ermächtigt. Das kommt aber nur selten vor.

Sobald ein Insolvenzverwalter ernannt wurde, tritt dieser an die Stelle des Arbeitgebers: Er prüft, wie sich die Ansprüche der Gläubiger befriedigen lassen und versucht, das Unternehmen zu sanieren, es ganz oder teilweise zu retten – mithilfe von Investoren oder auch durch den Verkauf von Betriebsteilen, Grundstücken oder Maschinen. So sollen möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Was passiert mit meinem Anspruch auf Lohn?

Ausstehende Gehaltszahlungen aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung muss der Arbeitgeber nicht mehr bezahlen, er ist ja insolvent. Betroffene sollten deshalb umgehend Insolvenzgeld bei der zuständigen Agentur für Arbeit beantragen. In der Regel entspricht dieses Insolvenzgeld der Höhe des Nettoverdienstes, auch anfallende Jahressonderzahlungen werden übernommen.

Ist nach Abschluss des Insolvenzverfahrens noch Vermögen übrig, wird es nach einer Quote auf die Insolvenzgläubiger verteilt. Zu ihnen gehören auch die Beschäftigten. Sie sind weder besser noch schlechter gestellt als andere Gläubiger, wie etwa Lieferanten oder Kunden des Unternehmens. Um die eigenen Forderungen anmelden zu können, bekommen sie in der Regel ein Anschreiben vom zuständigen Insolvenzverwalter.

Allerdings erhält jeder Gläubiger meist nur einen Bruchteil der Forderungen. Im Klartext: Ist noch Geld in der Firmenkasse, können Mitarbeitende auf ihr Gehalt hoffen. Ist nichts mehr da, gehen sie leer aus. Dann bleibt nur der Gang zur Agentur für Arbeit.

Wie beantrage ich Insolvenzgeld?

Für die Beantragung von Insolvenzgeld gibt es entsprechende Formulare der Bundesagentur für Arbeit . Den Antrag können Betroffene schriftlich oder elektronisch einreichen, zusammen mit einer Insolvenzbescheinigung. Diese kann beim Arbeitgeber oder beim Insolvenzverwalter angefordert werden.

Wichtig: Man muss den Antrag innerhalb von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis stellen.

Häufig kümmere sich auch der Insolvenzverwalter um eine Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes, sodass die Betroffenen schnell ihr Geld bekommen, sagt Markowski.

Wie lange bekomme ich Insolvenzgeld?

Insolvenzgeld gibt es maximal für drei Monate für ausstehendes Arbeitsentgelt.

»Das müssen nicht immer die letzten drei Monate vor der Insolvenzeröffnung sein«, sagt Markowski. Auch Arbeitnehmer, denen beispielsweise schon vier Monate vor der Insolvenzeröffnung kein Lohn mehr gezahlt wurde und die in der Zwischenzeit gekündigt haben, können den ausstehenden Lohn als Insolvenzgeld beantragen.

Was muss ich sonst noch tun?

Anwalt Markowski empfiehlt, sich selbst eine Aufstellung zu machen über alle geldwerten Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die bis zum Zeitpunkt des Insolvenzantrages entstanden waren und noch nicht erfüllt sind.

Bei drohender Arbeitslosigkeit ist es außerdem sinnvoll, sich frühzeitig bei der örtlichen Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden und Arbeitslosengeld zu beantragen. Das Arbeitslosengeld fließt schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn ein Arbeitsentgelt- oder Urlaubsabgeltungsanspruch besteht, der nicht mehr realisierbar ist.

Muss ich weiter zur Arbeit erscheinen?

Ja. Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens an seine arbeitsvertraglichen Pflichten gebunden.

Selbst wer schon in den Vormonaten kein Gehalt mehr bekommen hat, sollte in dieser Situation nicht voreilig der Arbeit fernbleiben, sagt Daniel Stach, Arbeitsrechtler bei der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Ein Nichterscheinen kann eventuell später zu Problemen mit dem Arbeitsamt führen.

In Zweifelsfällen können sich Beschäftigte bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht oder ihrer zuständigen Gewerkschaft beraten lassen.

Muss ich automatisch mit einer Kündigung rechnen?

Nein. »Es gibt kein spezielles Kündigungsrecht aufgrund der Insolvenz an sich«, sagt Anwalt Jürgen Markowski.

Zeigt sich aber, dass das Unternehmen entweder gar nicht oder nur in einer geschrumpften Form nach einer Umstrukturierung fortzuführen ist, fallen Arbeitsplätze weg – und das kann zu Kündigungen führen.

Besteht ein Betriebsrat, dann muss mit diesem die Umstrukturierung verhandelt werden, auch in der Insolvenz. Zudem ist ein Sozialplan nach den Regeln der Insolvenzordnung abzuschließen. Erst dann kann es zu Kündigungen kommen.

Kann ich das Arbeitsverhältnis früher als vorgesehen kündigen?

Um das Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche fristlose Kündigung vorzeitig zu beenden, benötigen Betroffene einen wichtigen Grund. Das kann zum Beispiel ausstehender Lohn in »nicht unerheblicher Höhe« sein, aber auch eine »erheblich verzögerte« Lohnzahlung.

Wer vorzeitig kündigen will, sollte auf mindestens ein ausstehendes Monatsgehalt gewartet und den Arbeitgeber vorab zur Gehaltszahlung aufgefordert haben (schriftlich mit gesetzter Frist).

Kann ich weiterhin Urlaub nehmen?

Die Urlaubsansprüche bleiben erst einmal bestehen. »Bereits genehmigter Urlaub kann auch nicht einfach widerrufen werden«, sagt Jürgen Markowski. Für alle Fragen rund um Urlaub ist dann der (vorläufige) Insolvenzverwalter zuständig. Und: »Wer weiterarbeitet, erwirbt auch weitere Ansprüche auf Erholungsurlaub«, so Daniel Stach von Ver.di.

vet/dpa
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