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Arbeitsrecht Ehrenamtler haben keinen Schutz vor Kündigung

Von einem Tag auf den anderen wurde eine Telefonseelsorgerin vor die Tür gesetzt, nach acht Jahren. Das mag unfair und menschlich schäbig sein - aber es ist zulässig, urteilte jetzt das Bundesarbeitsgericht: Eine ehrenamtliche Tätigkeit ist kein Arbeitsverhältnis.
Telefonseelsorge: Nummer gegen Kummer - den haben Ehrenamtler zuweilen selbst

Telefonseelsorge: Nummer gegen Kummer - den haben Ehrenamtler zuweilen selbst

Foto: dapd

Auch wenn jemand sich über Jahre für eine gute Sache engagiert und dabei ganz ähnlich arbeitet wie in einem regulären Job - Ehrenamtliche genießen auch künftig nicht dieselben Schutzrechte wie Arbeitnehmer. Eine solche unentgeltliche Tätigkeit könne nicht mit einem Arbeitsverhältnis gleichgesetzt werden, urteilte das Bundesarbeitsgericht am Mittwoch in Erfurt in einer Grundsatzentscheidung.

Geklagt hatte eine Mitarbeiterin einer örtlichen Telefonseelsorge in Sachsen. Bei der Diakonie, einem kirchlichen Träger, waren ein hauptamtlicher und 53 ehrenamtliche Mitarbeiter beschäftigt. Ihre Aufgaben waren praktisch organisiert wie in einem normalen Unternehmen: Sie gingen regelmäßig ins Chemnitzer Büro, es gab feste Dienstpläne und auch eine Dienstordnung, die von jedem Ehrenamtlichen eine Bereitschaft von monatlich zehn Stunden verlangt, also von "zwei bis drei Abenddiensten oder einem Nachtdienst". Hinzu kommen detaillierte Anweisungen zum Umgang mit Anrufen.

Die 46-jährige Mitarbeiterin war bereits seit 2002 als Telefonseelsorgerin dabei und erhielt für zehn Stunden im Monat lediglich einen Unkostenersatz von 30 Euro. Ende Januar 2002 setzte der Leiter der Telefonseelsorge sie vor die Tür, durchaus wörtlich: Sie wurde mündlich vom Dienst entbunden, musste den Schlüssel abgeben und die Räume sofort verlassen.

"Ehrenamtliche arbeiten schon ohne Geld und haben null Rechte"

Die Telefonseelsorgerin war empört und klagte, weil sie ihre Tätigkeit wie ein normales Arbeitsverhältnis sah: eine feste Verpflichtung zu monatlich zehn Arbeitsstunden, persönliche Abhängigkeit vom Auftraggeber und für Arbeitsverträge typische Regelungen, etwa das Weisungsrecht des Auftraggebers zu Arbeitszeit, -inhalt und -ort. Es komme nicht darauf an, ob es eine Vergütung gab, auch nicht auf die Frage der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Es handele sich eben um ein Arbeitsverhältnis - und die Kündigung gelte schon deshalb nicht, weil sie nur mündlich erfolgte.

Aber ist ein Arbeitsgericht für diesen Fall überhaupt zuständig? Das wurde gleich in drei Instanzen geklärt - und die Entscheidungen sind eindeutig: Die Klägerin scheiterte immer wieder. Am Mittwoch urteilte nun auch das Bundesarbeitsgericht, dass kein Arbeitsverhältnis bestand. "Bis zur Grenze des Missbrauchs" sei es erlaubt, unentgeltliche Arbeit zu vereinbaren. Ein Ehrenamt diene nicht der Existenzsicherung, sondern sei "Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber Belangen des Gemeinwohls und den Sorgen und Nöten anderer Menschen". Das Arbeitsrecht gelte hier nicht, betonte das Gericht, damit auch nicht die Kündigungsschutzregeln. Das Ehrenamt entspreche einem Auftragsverhältnis, dass jederzeit beendet werden könne (Aktenzeichen 10 AZR 499/11).

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Ungerecht? Das findet zumindest die Chemnitzerin, die von einem Tag auf den anderen gehen musste. "Ich wollte, dass man darüber nachdenkt, wie man mit Ehrenamtlichen umgeht. Sie arbeiten schon ohne Geld und haben null Rechte", begründete sie ihren Weg durch die Instanzen.

Das Gericht hält den Fall für rechtlich eindeutig, den Umgang mit der Klägerin aber für heikel. Der Vorsitzende Richter Ernst Mikosch rügte die Art, wie der Verein mit ihr umgesprungen sei. Die Telefonseelsorge, Ansprechpartner für Menschen in schwierigen Situationen, müsse auch einen sensiblen Umgang mit ihren Mitarbeitern pflegen. "Das mindeste, was man nach einer jahrzehntelangen Tätigkeit erwarten kann, ist ein Dankschreiben", sagte Mikosch. Das sei allerdings eine Frage des Stils und nicht rechtlich zu klären.

dpa/jol
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