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Arbeitsrecht Gefeuert wegen einer Spende

Sie wollten Gutes tun - doch zwei Mitarbeiter des Stifteherstellers Schwan-Stabilo wurden fristlos entlassen, weil sie eine gebrauchte Firmenküche spenden wollten. Vor Gericht gab es verblüffende Urteile.
Von Eva-Maria Hommel
Wohin mit der alten Küche? Auf keinen Fall spenden, ohne den Chef zu fragen.

Wohin mit der alten Küche? Auf keinen Fall spenden, ohne den Chef zu fragen.

Foto: SPIEGEL ONLINE

Schade um die alte Küche. Wie wäre es, wenn wir die verkaufen und das Geld spenden? Das war die Idee von Wolfgang L., 54, und Herbert R., 61. Die beiden waren von ihrem Arbeitgeber, dem Stiftehersteller Schwan-Stabilo, beauftragt worden, die alte Kantinenküche wegzuschaffen.

Interessenten waren schnell gefunden: Zwei Restaurants aus der Umgebung wollten Teile der Küche kaufen. Der Erlös, insgesamt 2000 Euro, sollte an den Sozialfonds der Gemeinde Heroldsberg gehen.

Die Idee war nicht neu, am nahegelegenen Standort Weißenburg hatte der Betriebsrat schon einmal eine ähnliche Spendenaktion organisiert: Dort wurden einzelne Elemente einer Küche an die Belegschaft verkauft, der Erlös ging an einen Krebshilfeverein. Diese erste Aktion war von der Werksleitung schriftlich abgesegnet worden.

Über die zweite Spendenaktion kommunizierten Wolfgang L. und Herbert R. lediglich mündlich mit den Chefs. Beide waren seit über 25 Jahren bei dem Stiftehersteller angestellt, Wolfgang L. war zudem Betriebsrat, Herbert R. Datenschutzbeauftragter des mittelständischen Unternehmens. Sie hatten den Eindruck, die Vorgesetzten seien einverstanden. Doch das war offenbar nicht der Fall: "Eine Spende des Unternehmens stand im Zusammenhang mit der Entsorgung der Küche niemals zur Debatte", sagt eine Unternehmenssprecherin.

Der Sozialfonds der Gemeinde ging also leer aus, doch damit nicht genug: Schwan-Stabilo kündigte beiden Mitarbeitern fristlos. Ausschlaggebend sei "der Verdacht der Unterschlagung wegen des eigenmächtigen Verkaufs von Firmeneigentum" gewesen.

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Beide Mitarbeiter beauftragten einen Anwalt damit, gegen die Kündigung vorzugehen. Die Klage von Wolfgang L. landete bei Kammer 11 des Nürnberger Arbeitsgerichts, die von Herbert R. bei Kammer 12. Ein bedeutender Unterschied: Wolfgang L. gewann den Prozess, Herbert R. scheiterte. Er bleibt also entlassen.

Ein Vergehen, zwei Urteile

Ein Fall, ein Gericht, zwei Richter, zwei gegensätzliche Urteile - nicht nur für Laien ist das schwer zu verstehen. Der Anwalt der beiden Arbeitnehmer, Wolfgang Manske von der Kanzlei Manske & Partner in Nürnberg, sagt: "Das ist sehr merkwürdig, denn die beiden haben gemeinsam agiert." Herbert R. werde vor dem Landesarbeitsgericht in Berufung gehen. Umgekehrt hat auch Schwan-Stabilo Berufung gegen das Urteil der anderen Kammer eingelegt.

Zu den widersprüchlichen Entscheidungen konnte es kommen, weil die Richter in einem solchen Fall abwägen müssen, erklärt Manfred Martens, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Hamburger Kanzlei Martens & Vogler: "Die Verfügung über Firmeneigentum stellt eine Straftat gegenüber dem Arbeitgeber dar und berechtigt grundsätzlich zur Kündigung." Allerdings müsse es eine sorgfältige Interessenabwägung geben, und die Verhältnismäßigkeit müsse geprüft werden.

Bei dieser Prüfung ließ Kammer 11 bewusst offen, ob Wolfgang L. tatsächlich eigenmächtig gehandelt hat. "Wir sind aber davon ausgegangen, dass ein solches Vorgehen nicht so gravierend wäre, dass es einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellt", erklärt Richter Klaus Peter Nöth, der mit zwei ehrenamtlichen Richtern den Fall verhandelte. Dabei habe eine Rolle gespielt, dass Wolfgang L. schon viele Jahre für das Unternehmen arbeite und bislang keine Vorwürfe gegen ihn vorlagen. Allerdings war Herbert R. ebenfalls seit mehr als 25 Jahren bei Schwan-Stabilo beschäftigt, doch ihm nützt das nichts.

Um den wirtschaftlichen Schaden geht es gar nicht

Bei beiden Arbeitnehmern müsse der Betrieb besondere Gründe vorweisen, um sie zu entlassen: "Sie haben als Betriebsrat und Datenschutzbeauftragter Sonderkündigungsschutz." Das Gesetz schützt solche Mitarbeiter, damit sie ohne Angst vor Entlassung ihre Aufgaben erfüllen können.

Ein wirtschaftlicher Schaden ist Schwan-Stabilo übrigens nicht entstanden, das bestätigte auch das Gericht. Doch es geht ums Prinzip, erklärt Arbeitsrechtler Manfred Martens: Auch über Güter mit geringem Wert dürfe ein Arbeitnehmer nicht einfach verfügen.

Auch andere Fälle zeigen, dass bei der Veruntreuung von Firmeneigentum oft weniger der Wert ausschlaggebend ist - vielmehr wird die Tat als Zeichen mangelnder Loyalität zum eigenen Unternehmen gewertet. So wies das Landesarbeitsgericht Hessen im Mai 2009 die Klage einer Flugbegleiterin ab. Sie war entlassen worden, nachdem sie zwei Flaschen Rotwein aus dem Bordbestand verschenkt hatte. Das Gericht sah darin einen "schweren Vertrauensbruch."

Anders dagegen ging der Fall mit dem Rotkohl aus: Eine Mitarbeiterin einer Truppenküche wollte zwei Kilo Essensreste mit nach Hause nehmen. Die darauffolgende Kündigung erklärte das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein im Dezember 2013 für unwirksam. Ähnlich wie Wolfgang L. half auch ihr, dass sie schon lange in der Küche beschäftigt war und es bislang keine Probleme gegeben hatte.

Bei Streitfällen zum Firmeneigentum gilt also der alte Juristen-Grundsatz: "Es kommt drauf an." Arbeitsrechtler Martens rät aber allen Arbeitnehmern, sich im Zweifelsfall das schriftliche Einverständnis ihres Chefs zu sichern.

Eva-Maria Hommel (Jahrgang 1984) ist freie Journalistin (www.weitwinkel-reporter.de). Sie schreibt vor allem über Arbeit und Soziales.

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