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Anspruch auf Teilzeit Hafenarbeiterin klagt auf familienfreundliche Arbeitszeiten – und bekommt recht

Es gibt ein Recht auf Teilzeit. Gibt es auch ein Recht auf bestimmte Uhrzeiten, an denen man arbeitet? Im Fall einer Hamburger Hafenarbeiterin entschied das Gericht im Sinne der Arbeitnehmerin.
Ein Van Carrier am Containerlagerplatz (Archivfoto)

Ein Van Carrier am Containerlagerplatz (Archivfoto)

Foto: Fabian Bimmer/ REUTERS

Wie familienfreundlich muss Arbeitszeit sein? Natürlich möchten Eltern gern zu Uhrzeiten arbeiten, die zum Feierabend in ihrer Kita passen, die ihnen selbst ein wenig Schlaf ermöglichen und bei denen sie ihre Kinder und Partner auch mal wach erleben. Erst recht, wenn sie Teilzeit arbeiten und auf Gehalt verzichten.

Der Fall der Hafenarbeiterin Heike R., der gerade vor dem Hamburger Landesarbeitsgericht verhandelt wurde, zeigt, wie schwierig das sein kann. Gleich mehrfach musste sie vor Gericht ziehen, bis feststand: Sie hat ein Recht auf Schichten, die ein Familienleben ermöglichen. Auch mit einem Arbeitsplatz am Hamburger Hafen, wo rund um die Uhr gearbeitet wird.

Klar, der Organisationsaufwand für die Vorgesetzten wächst dadurch. Wenn sich für bestimmte Schichten kaum noch Mitarbeiter finden, kann das sogar ein Problem werden – in kleinen Betrieben kommt das öfters vor. Aber wenn dem Arbeitgeber dieser Organisationsaufwand möglich ist, darf er sich nicht querstellen. Das könnte eine Lehre sein, die man aus der Entscheidung zieht (Aktenzeichen 5 Sa 67/20).

Wann sieht sich die Familie mal vollständig?

Das Problem begann nach Heike R.s Elternzeit. Seit 2006 arbeitet sie im Hamburger Hafen und fährt Van Carrier, das sind die kranartigen Gebilde, mit denen die Container auf dem Hafengelände bewegt werden. An Werktagen im Dreischichtbetrieb mit je 8,5 Stunden, am Wochenende in vier Schichten. Während ihrer Elternzeit arbeitete sie in Teilzeit an einer Tankstelle für die Van Carrier, sechs Stunden an vier Tagen pro Woche. Als die Elternzeit zu Ende ging, wollte sie dieses Schichtmodell gern weiterführen.

Doch die Betreiberfirma Eurogate wollte sie lieber wieder ins normale Schichtschema schicken. Das Problem dabei: Ihr Partner arbeitet ebenfalls im Hafen. Zwar hätten die beiden die Arbeit so organisieren können, dass immer einer von beiden sich um den gemeinsamen Sohn kümmert. Aber dann hätte sich die Familie unter der Woche nie in Vollbesetzung getroffen.

Eurogate stellte sich quer: Die Tankstelle werde demnächst von einem externen Dienstleister betrieben, dann könne man diese Stelle gar nicht mehr anbieten. Und dass jemand aus dem Schichtsystem ausschert, sei nicht möglich, weil alle Prozesse am Hafen so stark ineinandergreifen.

Die Sache landete vor dem Arbeitsgericht, dann vor dem Landesarbeitsgericht, beide gaben Heike R. recht. Das Recht auf Teilzeit stuften die Richter wichtiger ein als die Outsourcing-Pläne, weil sie zu dem Zeitpunkt noch nicht konkret genug waren.

Es stellt sich dabei ja die Frage, ob sich nicht etwas hätte organisieren lassen, was beiden Seiten geholfen hätte. Für Eurogate arbeiten rund 850 Mitarbeiter in der Containerverladung – da soll es nicht möglich sein, im Dienstplan alle Schichten abzudecken?

Die Frage stellte sich drängender, als schließlich im Oktober 2019 der externe Dienstleister die Tankstelle übernahm. Heike R. bekam eine Änderungskündigung, sprich das Arbeitsverhältnis, in dem sie den Anspruch auf Teilzeit hatte, sollte beendet werden, weil die Stelle so nicht mehr bestand. Man bot ihr für den Nachfolgevertrag an, volle Schichten mit 8,5 Stunden zu arbeiten, aber davon nur drei pro Woche. Das hätte ins Schichtsystem gepasst und an mindestens zwei Tagen pro Woche hätte R. Zeit für die Familie gehabt.

R. war dazu bereit. Allerdings hatte der Vorschlag noch zwei weitere Punkte: R. sollte teils Nachtschichten übernehmen und am Wochenende arbeiten. Beides hätte wieder zu schwierigen Konstellationen geführt. R. und ihr Partner haben einen weiten Anfahrtsweg, an Tagen mit Spät- und Nachtschicht hätte sie ihr Kind kaum oder gar nicht gesehen. Sie wollte deshalb nur Frühschichten, bei denen sie bis 16 Uhr zu Hause ist.

Eurogate blieb dabei, dass das nicht zu organisieren sei: Die Frühschichten seien beliebt, es gehe deshalb nicht, einer Mitarbeiterin keine anderen Schichten zu geben. Die Gewerkschaft Ver.di kritisierte das als »strukturelle Diskriminierung von Frauen und Eltern«. Außerdem wolle Eurogate »den ersten Richterspruch umgehen, in dem festgestellt wurde, dass dem Teilzeitantrag ein berechtigtes Interesse zugrunde liegt«, sagt Sandra Goldschmidt, die stellvertretende Landesleiterin von Ver.di. Und: Es gebe doch Kollegen von Heike R., die ausschließlich Nachtschichten arbeiten. Das ist wegen der Nachtzuschläge durchaus beliebt.

»Darauf kann man sich in ähnlichen Fällen berufen«

So landete das Ganze abermals vor Gericht. Wieder bekam Heike R. in zwei Instanzen recht. Das Landesarbeitsgericht kritisierte, dass sich Eurogate bei der Änderungskündigung nicht auf die Punkte beschränkt hat, die tatsächlich notwendig waren und in direktem Zusammenhang damit stehen, dass die Tankstelle für Van Carrier nicht mehr in eigener Verantwortung betrieben wird: »Jedenfalls für einen Einsatz der Klägerin am Wochenende fehlten erforderliche Gründe.« Die Kündigung ist damit automatisch ungültig, ob die Änderung der Schichtzeit rechtens ist, haben die Richter nicht einmal mehr geprüft.

Für R. ist das eine willkommene Entscheidung. Haben auch andere Arbeitnehmer etwas davon? Gewerkschafterin Goldschmidt glaubt schon: »Es ist ja deutlich geworden, dass auch bei einer solchen Änderungskündigung soziale Aspekte und familienfreundliche Arbeitszeitgestaltung nicht außen vor bleiben. Darauf kann man sich in ähnlichen Fällen berufen.«

Interessant wäre gewesen, ob Eurogate mit der Schichtänderung durchgekommen wäre, hätten nicht die Sonntagsdienste zum Paket gehört. Das Vernünftigste für die beiden Streitparteien dürfte nun sein, sich auf den Minimalkonsens zu einigen: 8,5 Stunden zu Uhrzeiten, an denen auch ein Familienleben möglich ist.

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