Von Rechts wegen - Arbeitsrecht kurz erklärt
Die größten Irrtümer beim Arbeitsvertrag
Beim Arbeitsvertrag kann juristisches Halbwissen teuer werden. Und manche Irrtümer halten sich erstaunlich hartnäckig - etwa, dass man in der Probezeit keinen Urlaub nehmen darf. Ein Faktencheck über drei Jobmythen.
Schließen Arbeitnehmer und Arbeitgeber einen Vertrag, ist Vorsicht geboten - für beide Parteien
Foto: PeopleImages / E+ / Getty Images
Beim Arbeitsvertrag ist die gefühlte Wahrheit oft eine ganz andere als die tatsächliche. Hier drei Arbeitsrechts-Gerüchte - für Nicht-Juristen dechiffriert.
1. "Nichts Schriftliches in der Hand? Dann existiert auch kein Arbeitsvertrag"
Alles rund um den Vertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Was den Vertragsschluss angeht, macht es das BGB dabei relativ einfach. Hier gilt die Faustformel: Verträge zu schließen ist formfrei möglich, natürlich auch beim Arbeitsvertrag. Das bedeutet im Umkehrschluss: Einen Arbeitsvertrag kann man im Prinzip mündlich vereinbaren; wenn man denn möchte.
Nun werden Sie zu Recht einwerfen: "Und was ist mit der Nachweispflicht?". So besagt Paragraf 2 des Nachweisgesetzes, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, abzuzeichnen und dem Mitarbeiter vorzulegen hat. Die Möglichkeit, Eckpunkte des Vertrages innerhalb der vierwöchigen Frist vom Arbeitgeber schriftlich einzufordern, hat der Mitarbeiter natürlich dennoch.
"Die Nachweispflicht ist jedoch ein wenig wie ein zahnloser Tiger - es hat keine direkten Konsequenzen, wenn man sich nicht daran hält", sagt André Niedostadek, 50, Professor für Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht und Sozialrecht an der Hochschule Harz. Indirekt jedoch tut sich der Arbeitgeber keinen Gefallen damit, wenn er den Arbeitsvertrag nicht verschriftlicht. Kommt es vor Gericht etwa zum Streit, kommt dem Arbeitnehmer eine Beweiserleichterung zu.
Um das zu veranschaulichen, dient hier eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm aus dem vergangenen Jahr (Aktenzeichen: 17 Sa 46/19): In dem Fall war eine Frau offiziell als Hauswirtschafterin bei einem Mann angestellt. Zu ihren Aufgaben zählten Putzen, Wäschewaschen und Kochen. Für diese Leistungen sollte sie 460 Euro im Monat erhalten, ein Stundenlohn von zehn Euro. Doch schon vor Beginn des Arbeitsverhältnisses war nach Angaben des Mannes abgesprochen, dass er die Frau hauptsächlich für Sex bezahlen würde - ein klassisches Sugardaddy-Verhältnis. Auch auf Reisen sollte sie den Mann begleiten. Zweimal wöchentlich habe sie ihn für die sexuellen Leistungen besuchen sollen. Dieses Versprechen löste sie aber nach Aussage des Mannes nicht ein - er kündigte der Frau.
E-Mail oder SMS reichen bei der Kündigung nicht
Die Frau, Hartz-IV-Empfängerin und Mutter von drei Kindern, verlangte vor Gericht zusätzlich zum Ausgleich der Urlaubstage und des guten Arbeitszeugnisses auch eine Nachzahlung ihres Lohns für die vergangenen zwei Monate ihrer Anstellung.
Dieser Forderung gab das Gericht allerdings nicht statt. Sie habe die vertraglich zugesicherten Tätigkeiten nicht erbracht. Zwar gab es dazu keine schriftliche Abmachung, dennoch war das Gericht von einem entsprechenden Vertragsschluss überzeugt. Warum?
Der Austausch von Nachrichten der beiden Beteiligten via WhatsApp legte den Schluss nahe. Und weil die Leistungen nicht erbracht worden waren, gab es auch keinen Lohn. Sexuelle Leistungen habe sie in dem Zeitraum nicht vorgenommen - daher stehe ihr der Lohn nicht zu. "Schriftliche Verträge sind Usus und jeder und jedem zu empfehlen", sagt Niedostadek.
Eine Ausnahme sind befristete Arbeitsverträge: Geht es um einen zeitlich begrenzten Job, müssen beide Parteien die Eckdaten zwingend schriftlich festhalten. Und ebenso wichtig: Kann man ein Arbeitsverhältnis, wie oben gelernt, zwar schriftlich begründen, so bedarf seine Beendigung zwingend der Schriftform: E-Mail oder SMS reichen hier nicht.
2. "Keine Probezeit vereinbart? Egal! Sechs Monate auf Probe, die gelten doch immer"
Eine Probezeit dient dem Kennenlernen, das gilt für die Arbeitgeber- und auch für die Arbeitnehmerseite. Dazu passt auch, dass während der Probezeit eine verkürzte Kündigungsfrist von lediglich zwei Wochen gilt. Sie gilt jedoch nicht qua Vertrag, sondern muss extra vereinbart werden. Die Probezeit dauert daher nicht automatisch sechs Monate, es ist aber möglich, sie auf bis zu sechs Monate auszudehnen. Theoretisch könnte man natürlich auch eine längere Probezeit im Vertrag vereinbaren. Wie oben beschrieben, gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Dauert die Probezeit jedoch über die sechs Monate hinaus, gilt das reguläre Kündigungsschutzgesetz. Nach den sechs Monaten - ob sie als Probezeit vereinbart wurden oder nicht - gelten dann die normalen Regeln des gesetzlichen Kündigungsschutzes.
Eine Ausnahme bildet die Berufsausbildung: Hier muss die Probezeit mindestens einen Monat betragen, so sagt es das Berufsausbildungsgesetz. "Auszubildende, die die Berufsausbildung begonnen haben, haben so die Möglichkeit, nach den ersten Wochen noch einmal ohne größere Probleme etwas anderes auszuprobieren", sagt Niedostadek.
Und eine weitere gute Nachricht zum Schluss: Natürlich haben Arbeitnehmer auch während der Probezeit Anspruch auf Urlaub; jedoch anteilig. Ihren vollen gesetzlichen Urlaub können sie erst nach erfolgreichem Kennenlernen genießen.
3. "Abgemacht ist abgemacht? Alles, was im Arbeitsvertrag steht, ist bindend"
Arbeitsverträge sind in der Regel keine individuell ausgearbeiteten Verträge, sondern häufig vorformuliert. Das heißt auch, dass in vielen Verträgen Klauseln zu finden sind, die nicht konform mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind. Sie sind somit unwirksam. "Nicht alles, was der Arbeitgeber in vorformulierte Verträge reinschreiben lässt, muss der Mitarbeiter auch als Kröte schlucken", sagt Niedostadek.
Nicht alles, was im Vertrag steht, ist wirksam
Auch hier arbeiten wir zum besseren Verständnis mit einem Beispielfall: Ein Angestellter einer Spedition hatte sich eine Gehaltserhöhung von vormals 1400 Euro brutto auf 2400 Euro brutto nebst Provisionen "erkauft", indem er mit seinem Arbeitgeber vertraglich eine Kündigungsfrist von drei Jahren ausgehandelt hatte (Bundesarbeitsgericht vom 26.10.2017: 6 AZR 158/16). Als der Mitarbeiter dann einige Zeit später "ordnungsgemäß und fristgerecht" kündigte, erinnerte der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter daran, dass beide doch eine dreijährige Kündigungsfrist verankert hätten. Eine zeitige Kündigung sei für den Mitarbeiter daher gar nicht so einfach möglich.
"Nicht alles, was der Arbeitgeber in vorformulierte Verträge reinschreiben lässt, muss der Mitarbeiter auch als Kröte schlucken"
André Niedostadek, Professor für Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht und Sozialrecht an der Hochschule Harz
Der Arbeitnehmer zog vor Gericht und berief sich darauf, dass eine dreijährige Kündigungsfrist ihn als Beschäftigten zu stark benachteiligen würde. Die Klausel in seinem Vertrag sei daher unwirksam. Das Arbeitsgericht gab dem Mitarbeiter recht und der Arbeitnehmer durfte innerhalb von vier Wochen aus seinem Vertrag.
"Das, was in einem Vertrag drin steht, gilt grundsätzlich erst einmal - aber natürlich lohnt es sich, in manchen Fällen darüber zu streiten", sagt Niedostadek. Denn manchmal steckt in einem bloßen Arbeitsvertrag für beide Seite eben mehr als zunächst vermutet.