Architektin über ihren Job »Bei vielen Bauvorhaben will keiner die realistische Zahl hören«
»Überstunden gibt es für mich nicht«, sagt Julia Erdmann. »Wenn ich an einer Sache arbeite, dann mache ich das, weil es einerseits notwendig ist, dass es fertig wird. Aber auch, weil es mir viel Freude macht.«
In kaum einer Branche werden so viele Überstunden geschoben wie in der Architektur und Stadtplanung. Acht von zehn angestellten Architektinnen und Architekten arbeiten regelmäßig jede Woche fünf Stunden mehr als im Arbeitsvertrag vereinbart, zeigt eine Umfrage der Bundesarchitektenkammer unter fast 17.000 Kammermitgliedern.
Die Berufsbezeichnung Architekt ist geschützt. Nur wer bei einer der 16 deutschen Länderarchitektenkammern eingetragen ist, darf sich so nennen. Julia Erdmann ist eine der 137.153 Architektinnen und Architekten, Stadtplaner, Innen- und Landschaftsarchitektinnen, die dort eingetragen sind. Rechnet man all ihre Projekte zusammen, bewegen sie jedes Jahr eine Bausumme von 240 Milliarden Euro.
So unterschiedlich die Bauprojekte auch sind, mit denen Auftraggeber zu Julia Erdmann kommen, ein Wunsch ist immer gleich: Es soll hochwertig sein, aber möglichst nichts kosten. »Das ist das Typische: Alle wollen den Preis für einen VW-Polo ausgeben, aber einen Mercedes mit allen Extras bekommen.«
Auch die Erwartungen an die Gebäude selbst seien oft widersprüchlich, berichtet sie. So sei vor der Neugestaltung eines Firmensitzes bei einer Mitarbeiterbefragung herausgekommen, dass die meisten sich Einzelbüros wünschen, um ungestört telefonieren zu können – gleichzeitig aber auch neben ihren Lieblingskollegen sitzen möchten.
Diesen speziellen Fall löste Erdmann mit einer Verschiebung der Wände: »Ich habe eine Raumkonstellation entworfen, die die Wände anders stellt als üblich, in L-Form. Das macht es möglich, dass jeder in seiner Ecke sitzt und das Gefühl hat wie in einem Einzelbüro, aber wenn man sich mit dem Stuhl dreht, sieht man schon mindestens einen Kollegen und kann sich was zurufen.«
Formale Voraussetzungen für ein Architekturstudium:
Architektur wird sowohl an Universitäten als auch an (technischen) Fachhochschulen angeboten. An Universitäten wird in der Regel das Abitur oder die fachgebundene Hochschulreife vorausgesetzt, an Fachhochschulen genügt das Fachabitur.
Ob es eine Zulassungsbeschränkung (NC) gibt, variiert von Hochschule zu Hochschule.
An einigen Hochschulen erfolgt die Zulassung außerdem über ein Auswahlverfahren , zum Beispiel über den Nachweis eines Vorpraktikums oder die Einreichung einer Bewerbungsmappe mit eigenen Zeichnungen. Für die Erstellung einer solchen Mappe kann es sich lohnen, einen sogenannten Mappenkurs zu besuchen. Was alles in eine Bewerbungsmappe gehört, hängt von der Hochschule ab. Welche Anforderungen gestellt werden, kannst du dir zum Beispiel auf der Seite der FH Münster anschauen.
Was man sonst noch mitbringen sollte: Begeisterung für den gesamten Entwicklungsprozess eines Hauses – zum Architekturstudium gehören auch Materialkunde, Baurecht und Architekturgeschichte.
Erdmann hat Architektur und Stadtplanung in Hamburg, New York und Barcelona studiert und danach bei Stephen Williams Associates in Hamburg angefangen, wo sie zuletzt als Mit-Geschäftsführerin arbeitete. In dieser Zeit gestalteten sie mit dem Team unter anderem das 25-hours-Hotel in der HafenCity und die Hamburger Firmensitze von Twitter, Facebook und der Werbeagentur Jung von Matt.
Erst beauftragt, wenn grundlegende Entscheidungen schon getroffen sind
»Wir hatten sehr, sehr tolle Aufträge und wunderbare Kunden«, sagt Erdmann. Trotzdem habe sie eine Sache gewurmt: »Wir als Architekten wurden oft erst sehr spät beauftragt, wenn grundlegende Entscheidungen schon gefallen waren.«
Gerade, wenn es darum gehe, nicht nur einzelne Gebäude, sondern ganze Quartiere neu zu entwerfen, seien starke Visionen wichtig: Was für ein Ort soll das werden? Für wen? Und welchen Charakter soll er bekommen?
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Um genau diese Fragen kümmert sie sich seit 2017 mit ihrem Unternehmen JES. Die drei Buchstaben stehen für Julia Erdmann Socialtecture, einen Begriff, den sie selbst erschaffen hat, als Wortkombination aus »Social Life« und »Architecture«. Die Idee dahinter: Sie und ihr Team machen sich nicht nur Gedanken über die Architektur, sondern auch über die Kultur eines Ortes. »Es ist wirklich eine Kunst, Orte so zu gestalten, dass die sich von Anfang an gesund und im Sinne der Benutzer weiterentwickeln.«
In welcher Stadt das nicht gut gelungen ist, warum städtische Projekte am Ende immer viel mehr kosten als ursprünglich geplant und wieso man als Architektin auch mal den Sinn eines Badezimmers hinterfragen kann – das erzählt sie im Podcast.
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