Ausbildungsgehälter Leerer Geldbeutel trotz Lehre?

"Jugendliche Lehrstellenbewerber haben in diesem Jahr allerbeste Chancen, einen Ausbildungsplatz zu finden", sagte kürzlich DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Tatsächlich sind zum neuen Ausbildungsjahr noch etwa 172.000 Lehrstellen unbesetzt.
Freie Plätze gibt es unter anderem bei den Kaufleuten, Köchen und Friseuren. Doch nicht nur die Tätigkeiten unterscheiden sich voneinander, auch die Bezahlung ist von Branche zu Branche extrem unterschiedlich.
Wer verdient am meisten?
1.072 Euro brutto im Monat: So viel verdient nach den Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), wer eine Ausbildung zum Binnenschiffer macht. Das bedeutet im Normalfall auch nach den Abzügen noch genug Geld, um sich ein WG-Zimmer, Lebensmittel und ab und an ein paar Klamotten leisten zu können. Auch Auszubildende auf dem Bau wie Maurer, Zimmerer oder Plattenleger kommen mit 1.057 Euro vergleichsweise gut weg.
Wer verdient am wenigsten?
269 Euro brutto: Das ist das Durchschnittsgehalt einer ostdeutschen Friseurin in der Ausbildung. Sie bekommt somit ein Viertel von dem, was einem angehenden Maurer zusteht. Auch Tankwarte und Schuhmacher müssen sich mit eher wenig - durchschnittlich 492 und 462 Euro brutto - abfinden.
Doch nicht nur die Differenzen zwischen den einzelnen Ausbildungen, sondern auch zwischen den alten und neuen Bundesländern sind groß: Während der angehende Einzelhändler in Baden-Württemberg im ersten Lehrjahr mit 733 Euro rechnen kann, sind es in Mecklenburg-Vorpommern nur 653 Euro.

Azubi-Löhne: Tops und Flops bei der Bezahlung
Warum sind die Gehälter von Auszubildenden so unterschiedlich?
"Die jeweilige Vergütung hängt vom Tarifabschluss in der jeweiligen Branche ab", sagt Andreas Pieper, Pressesprecher des BIBB. "Wenn ein Unternehmen zu einem Tarifverbund gehört, muss es sich auch an dessen Bestimmungen halten."
Die Höhe der Tarife wiederum basiert mitunter auf der "Organisationskraft der Beschäftigten", wie es Reinhard Bispinck, Tarifexperte bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung formuliert. In der Elektroindustrie könne die IG Metall beispielsweise mehr durchsetzen als Ver.di bei den Friseuren. Auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit spiele eine Rolle, genauso wie der Bedarf an Auszubildenden und die Beliebtheit der Branchen.
Hat sich die Bezahlung im Laufe der Jahre verändert?
Die tariflichen Ausbildungsvergütungen sind 2015 zum vierten Mal in Folge gestiegen. "In Zeiten der Not gibt es immer einen Anstieg der Ausbildungsvergütung", sagt Pieper. In den alten Bundesländern verdienten Auszubildende 2015 durchschnittlich 832 Euro und somit 3,7 Prozent mehr als 2014. In den neuen Bundesländern erhöhten sich die Vergütungen auf 769 Euro, das entspricht 4,3 Prozent.
Im Hinblick auf mittelalterliche Handwerksbetriebe hat sich die Bezahlung sogar umgekehrt: Früher mussten die Familie ein Lehrgeld an den Meister entrichten, damit er den Lehrling aufnahm. Mit der Industrialisierung entfiel diese Regelung nach und nach.
Reicht die Ausbildungsvergütung zum Leben?
Nein, kritisiert die Jugend des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin. Maurer oder Binnenschiffer sollten mit ihrer Vergütung zwar über die Runden kommen, doch bei den schlechter bezahlten Ausbildungen sieht es anders aus. Ein weiteres Problem: "Es gibt nach wie vor gravierende Unterschiede zwischen männlich und weiblich dominierten Berufen", sagt Anna Gerhardt, politische Referentin der DGB-Jugend. So kann ein Gleisbauer im dritten Lehrjahr 1263 Euro pro Monat verdienen, eine Medizinische Fachangestellte aber nur 790 Euro.
Gibt es gesetzliche Regelungen zu Azubi-Gehältern?
Eine grundsätzliche Höhe für die Ausbildungsvergütung gibt der Gesetzgeber nicht vor. Die Ausbildungsvergütung müsse angemessen sein, erklärt Bispinck. Beim Zentralverband des Handwerks hält man das für gegeben: "Die Ausbildungsvergütung ist eine einzigartige Sache", sagt ein Sprecher. Weder für die schulische noch die Ausbildung an der Uni werde man bezahlt. Auch trügen die Auszubildenden in der Regel noch nicht zum Umsatz des Unternehmens bei.
Die Gewerkschaftsjugend hingegen fordert Mindeststandards: "Aus unserer Sicht muss es eine existenzsichernde Ausbildungsvergütung geben, von der ein Auszubildender eigenständig leben kann und die ihm eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht", sagt Gerhardt. "Das muss über allgemeinverbindliche Tarifverträge erreicht werden. Im Bäckerhandwerk beispielsweise ist uns das gelungen." Dort ist zumindest das Ost-West-Gefälle aufgehoben: Deutschlandweit bekommen Bäckerlehrlinge im dritten Lehrjahr 730 Euro pro Monat.