Ausgewandert nach Simbabwe
»Für Gründer ist Afrika ein Eldorado«
In Simbabwe warten Autofahrer mitunter tagelang auf Sprit. Misswirtschaft und Korruption prägen das Leben. Dominikus Collenberg erzählt, warum er trotzdem nicht zurück nach Berlin will.
Dominikus Collenberg hat in Simbabwe eine eigene Firma gegründet: Mit Organic Africa beliefert er Tee-, Gewürz-, Arznei- und Kosmetikhersteller auf der ganzen Welt
Foto: Privat
»Zunächst dachte ich, es wäre ein Witz, als meine Frau sagte, sie wolle nach Simbabwe zurück. Schon mit 16 Jahren hatte sie den afrikanischen Kontinent verlassen, wir lebten glücklich in einer hippen Gegend von Berlin, hatten tolle Freunde und anspruchsvolle Jobs.
Ich arbeitete beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) an der Schnittstelle zwischen Firmen und Entwicklungspolitik. Beruflich war ich häufig in Afrika, auch Simbabwe kannte ich von zahlreichen Besuchen. Das erste Mal war ich Ende der Achtzigerjahre dort gewesen: Nach einer Lehre auf Biobauernhöfen und einem Landwirtschaftsstudium war ich quer durch Afrika getrampt. Simbabwe gefiel mir besonders gut, weil dort so eine Aufbruchstimmung herrschte. Alle wollten das Land nach vorne bringen. Das erinnerte mich an die Hinterhöfe von Ost-Berlin: Da ging wirklich die Post ab.
Davon ist leider nichts geblieben. Mit der Wirtschaft in Simbabwe geht es seit 20 Jahren bergab. Aber meine Frau meinte es ernst.
Ich wehrte mich zunächst noch – sprach über Sicherheit, Demokratie, Korruption, Stabilität. Aber alles half nichts. Sie wollte, dass wir zusammen in ihrer Heimat etwas aufbauen, was die Welt ein Stückchen besser macht. Jetzt, 13 Jahre später, kann ich sagen: Was wir uns vornehmen, schaffen wir.
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»Ich möchte möglichst vielen Menschen Arbeit geben«
Wir beschäftigen auf zwei Farmen im Norden und Osten des Landes rund 1000 Menschen und kaufen 5000 Kleinbauern und 3000 Wildsammlern regelmäßig ihre Ernte ab. Wir beliefern Tee-, Gewürz-, Arznei- und Kosmetikhersteller auf der ganzen Welt, zum Beispiel mit Hibiskus und Pfefferminz, Teufelskralle, Baobab, Chili, Stevia und Kurkuma. Mehr als drei Dutzend verschiedene Kräuter und Gewürze haben wir im Angebot, und jedes Jahr nehmen wir eine neue Wildpflanze ins Sortiment auf.
In Simbabwe gibt es mehr als 5000 Wildpflanzen, und nur eine Handvoll wird nachhaltig genutzt. Die Früchte der Baobab-Bäume stecken zum Beispiel voller Vitamine und Mineralstoffe, trotzdem verrotten sie millionenfach. Wir haben Menschen im ganzen Land dazu gebracht, sie zu sammeln und aufzubereiten, haben mit anderen erfolgreich eine Zulassung als Lebensmittel in der EU beantragt und bringen so Baobab Pulver und Öl international auf den Markt.
Hier gibt es so vieles, was völlig unerforscht und noch nicht entwickelt ist – und massenweise Probleme, die gelöst werden müssen. Für uns Gründer ist Afrika ein Eldorado. Wer das Abenteuer wagt, kann hier eine Firma aufbauen und Entwicklung anstoßen, die wirklich bei den Menschen ankommt – und nicht versandet, sobald ein Projekt an die lokale Partnerorganisation übergeben wird. Das habe ich in meinen früheren Jobs leider so oft erlebt.
›Bring Deine eigene Infrastruktur mit‹, lautet ein Spruch für Unternehmer in Afrika. Da ist was dran. Benzin zu kaufen, dauert hier an Tankstellen schon mal mehrere Tage, so lange sind die Schlangen. Aber für alles findet sich eine Lösung: Wir haben nun unsere eigene Zapfsäule auf dem Firmengelände.
Wir sind in Afrika. Hier kann morgen alles komplett anders sein. Die Geschwindigkeit der Veränderung, die Dynamik der Entwicklung ist extrem. Das gilt für fast alle Lebensbereiche. Mit Ausnahme der Familie gibt es nicht viel, auf das Verlass ist.
Vor unserem Umzug trafen meine Frau und ich deshalb eine Vereinbarung: Wir müssen uns sicher fühlen, die gesundheitliche Versorgung muss gewährleistet sein, und unsere Kinder müssen eine gute Ausbildung kriegen. Wenn einer dieser drei Faktoren nicht mehr zutreffen sollte, packen wir unsere Sachen. Bis jetzt kann ich mich hier aber weder über die Sicherheit, noch über die Ärzte oder die Schule beschweren. Wenn man zur Mittelschicht gehört, ist das Leben hier so wie das der globalen Mittelschicht irgendwo auf der Welt. Für den ärmeren Teil der Bevölkerung trifft das freilich nicht zu. Viele kämpfen hier ums Überleben.
Als der Container 2007 mit unseren Sachen aus Berlin in Harare ankam, fragte ich einen Zollbeamten, warum denn unserer auf der einen Seite des Zauns und all die anderen auf der anderen Seite stünden. Die Antwort war: Wir waren die einzigen, die einreisten. Alle anderen verließen das Land. Damals hatte Simbabwe Inflationsraten von 100 Prozent am Tag.
Hier lässt sich in jeder Branche etwas erreichen
Dass es in Afrika wenig Gleichgesinnte gibt, finde ich sehr schade. Denn wenn man will, kann man hier viel bewegen, trotz allem. Hier lässt sich in jeder Branche etwas erreichen, ob nun in der IT, im Straßenbau, ob als Schreiner, Metzger, Bäcker, im Bergbau oder eben als Landwirt.
Die Geschäftsidee mit den Wildpflanzen kam mir 2007 direkt nach der Ankunft in Harare. Damals hatten die Vereinten Nationen auf dem Brachland gegenüber vom Flughafengebäude Zelte errichtet für Geflüchtete, deren Häuser zerstört worden waren. Zwischen den blau-weißen Zelten stand mannshoch stinkendes Unkraut, und ich dachte: Da muss man doch was machen.
Tagetes minuta gilt als Unkraut – und wächst in Simbabwe bis zu vier Meter hoch
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Ich fand heraus, dass es sich bei den Pflanzen um Tagetes minuta handelt, deren ätherisches Öl in Parfüm genutzt wird. Wir brachten eine heruntergenommene Destille auf Vordermann, stellten ein Dutzend Geflüchtete an, um das Unkraut zu ernten, transportierten das Kraut in unserem alten Land Rover zur Destille und exportierten das Öl. So fing alles an.
Unsere überraschende CO₂-Bilanz
Als uns nach einem Jahr unser erspartes Geld ausging, hatten wir die ersten Produkte, die wir verkaufen konnten. Dazu zählte auch Sauerteigbrot. Den Roggen bauten wir zusammen mit Kleinbauern aus der Umgebung an, den Sauerteig brachten wir aus Deutschland mit. Das Geschäft lief gut, wir haben es aber trotzdem aufgegeben, weil es die Menschen hier nicht weiterbringt. Am Export von Kräutern und Tee können viele Kleinbauern mitverdienen. Selbst zur Dürrezeit wächst zum Beispiel Hibiskus hervorragend, und auch durch die Coronakrise sind wir bislang gemeinsam recht gut gekommen. Sie hat mich sogar auf eine neue Geschäftsidee gebracht.
Ich hatte nämlich endlich mal Zeit, unsere CO₂-Bilanz auszurechnen. Das Ergebnis hat mich völlig überrascht: Mit all den Dieseltraktoren, Lastern, Autos und Generatoren, die wir nutzen, hatte ich mit einer miesen Bilanz gerechnet. Aber es kam heraus: Wir sparen CO₂ ein – wir sind eine CO₂-Senke! Weil wir keinen Kunstdünger benutzen, sondern tonnenweise Kompost auf die Felder bringen, reichern wir den CO₂-Gehalt des Bodens an. Das ist doch ein Baustein für ein neues Unternehmen!
Ich würde mir wünschen, dass es hier mehr Gründer und mehr nachhaltige Investitionen gibt. Als Unternehmer muss man hier nur wählen, welche der vielen Möglichkeiten man umsetzen will. Ich wäre liebend gern in Berlin geblieben und finde Deutschland noch immer kulturell faszinierend und als Innovationsstandort super. Aber meine Aufgabe sehe ich nun hier in Afrika, als Vermittler zwischen den Welten. Brücken bauen, erklären, Verständnis schaffen und damit Entwicklung stimulieren – das funktioniert.«
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Dominikus Collenberg hat in Simbabwe eine eigene Firma gegründet: Mit Organic Africa beliefert er Tee-, Gewürz-, Arznei- und Kosmetikhersteller auf der ganzen Welt
9 Bilder»Ich möchte möglichst vielen Menschen Arbeit geben«
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Dominikus Collenberg lebt seit 13 Jahren in Simbabwe und hat dort eine eigene Firma aufgebaut: Mit Organic Africa beliefert er Tee-, Gewürz-, Arznei- und Kosmetikhersteller auf der ganzen Welt, zum Beispiel mit ...
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... Hibiskus. Die Pflanze hat er vor einigen Jahren aus dem Norden Afrikas nach Simbabwe gebracht, wo sie wunderbar gedeiht. Die Pflanze überlebt auch bei langer Trockenheit. »Das hilft den Kleinbauern, mit dem Klimawandel umzugehen.«
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Collenberg beschäftigt auf zwei Farmen im Norden und Osten des Landes rund 1000 Menschen und kauft 5000 Kleinbauern und 3000 Wildsammlern regelmäßig ihre Ernte ab.
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Die Teufelskralle ist eine Heilpflanze, die schmerzlindernd und entzündungshemmend wirken kann. In Simbabwe wächst sie wild – und muss nur noch eingesammelt werden.
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Shamiso Mungwashu (l.) arbeitet für Fair Trade Zimbabwe und erklärt Bäuerinnen und Bauern, welche Anforderungen sie bei der Ernte erfüllen müssen.
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»Es ist völlig unrealistisch, Bauern nachhaltige Landwirtschaft beizubringen, wenn man irgendwo im Busch unter einem Baum sitzt«, sagt Collenberg. Deshalb hat er ein Trainingszentrum gegründet.
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La Rochelle Centre heißt es. Auf dem Grundstück befindet sich ein Hotel, das für Tagungen gebucht werden kann. So wird das Training der Kleinbauern subventioniert.
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Tagetes minuta gilt als Unkraut. Üblicherweise wächst die Pflanze rund 60 Zentimeter hoch. In Simbabwe wird sie bis zu vier Meter groß.
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Collenberg betreibt biologischen Landbau und verwendet keinerlei künstlichen Dünger.
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Dominikus Collenberg lebt seit 13 Jahren in Simbabwe und hat dort eine eigene Firma aufgebaut: Mit Organic Africa beliefert er Tee-, Gewürz-, Arznei- und Kosmetikhersteller auf der ganzen Welt, zum Beispiel mit ...
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