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Digitale Ghostwriter: Philipp Rösler bewirbt sich automatisch

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Bewerbungs-Generator Ein neuer Job für Philipp Rösler

Keine Lust aufs Anschreiben-Schreiben? Kostenlose Bewerbungsgeneratoren im Internet helfen. Im Test sollen zwei Angebote zeigen, wie eine gute Bewerbung aussehen könnte. Zum Beispiel für Philipp Rösler, wenn er mal nicht mehr FDP-Chef ist und eine Anschlussverwendung sucht.

Es ist der mühsamste Teil jeder Bewerbung. Den Lebenslauf hat man einigermaßen im Griff, Zahlen, Daten, hübsch aufbereitet, das geht schon. Aber das Anschreiben - oje. Wie den richtigen Tonfall finden, wie die Balance wahren zwischen unverhohlener Ranschmeißerei, Selbstverkauf und halbwegs unverbrauchten Formulierungen? Der Personalleiter muss schließlich einen Bewerbungsbrief nach dem anderen lesen, er soll sich angemessen unterhalten und informiert fühlen. Formulierungen wie diese sind Personaler-Alpträume: "Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit bewerbe ich mich…" oder "Ich bin belastbar und flexibel".

Findige Köpfe haben sich daher etwas ganz Schlaues ausgedacht: einen Anschreiben-Generator. Online. Ja, richtig gelesen: Daten reinfüttern, auf einen Knopf drücken - fertig. Im angelsächsischen Raum ist das recht verbreitet, in Deutschland gibt es inzwischen auch ein paar kostenlose Angebote dieser Art (siehe Kasten "Bewerbungsgeneratoren in Deutschland").

Zwei davon haben wir ausprobiert, eins von der Stellenbörse Stepstone , eins von dem Seminaranbieter Cyberinterface . Damit das Ganze anschaulich wird, haben wir eine Initiativbewerbung für einen Promi entwerfen lassen, der sich allem Anschein nach bald um einen neuen Job bemühen muss. Er ist jung, super ausgebildet, hat einen Doktortitel und mehrere Top-Jobs vorzuweisen - eigentlich gute Voraussetzungen für FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler.

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Bewerbungen: Wo geht's denn hier zum Job?

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Und das wird geboten: Bei Stepstone bekommt man zum personalisiert erstellten Anschreiben auch gleich den Lebenslauf dazugebastelt, Deckblatt inklusive. Das Angebot bei Cyberinterface kommt im Vergleich dazu, nun ja, handgeschnitzt daher. Auf der Internetseite wird erklärt, dass der Nutzer bewusst alle generierten Textpassagen per hand kopieren muss, um sicherzustellen, dass er sie an die eigenen Bedürfnisse anpasst, statt sie blindwütig zu übernehmen. Was sich Generator nennt, funktioniert eher wie eine Wursttheke: Wir haben 189 Sorten Salami, 118 Sorten Schinken, suchen Sie sich für Ihr belegtes Brötchen bitte was aus. Die Absätze können nur per Copy-Paste weiterverarbeitet werden, zum Beispiel im eigenen Word-Dokument fürs Anschreiben. Ein fertiges PDF gibt's am Ende nur, wenn man sich anmeldet und dafür bezahlt.

"An dieser Stelle möchte ich mich vorstellen: Ich bin Augenarzt"

Wir machen uns also daran, für Philipp Rösler eine "aussagekräftige Bewerbung", wie es immer so schön heißt, erstellen zu lassen. Versuch eins: der Generator des Stellenportals. Da muss man erst ausfüllen, wie die Position heißt, auf die man sich bewirbt, samt Adresse und Ansprechpartner, dann trägt man peu à peu die Infos zum eigenen Werdegang ein, ergänzt Bruchstücke über Fähigkeiten und Stelle - und bekommt ein Ergebnis wie dieses:

"Wie bei unserem sehr netten E-Mailaustausch zuletzt am 15.11.2012, für den ich mich an dieser Stelle noch einmal bedanken möchte, vereinbart, erhalten Sie heute meine Bewerbungsunterlagen."

Aha - immerhin gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Das "Hiermit bewerbe ich mich" taucht schon einmal nicht auf. Und der persönliche Touch ist auch da: Man hat mit der Ansprechperson telefoniert, gemailt, irgendwie kommuniziert - das wird extra vom System abgefragt - und damit schon einen direkten Draht etabliert. Sich so in Erinnerung bringen zu können, ist sowieso immer das Beste, mit oder ohne Generator - eine Bewerbungs-Binse. Richtig schön zu lesen ist das aber nicht.

"An dieser Stelle möchte ich mich Ihnen kurz vorstellen: Ich bin Augenarzt, 39 Jahre alt, verheiratet (2 Kinder) und befinde mich zurzeit in einer festen Anstellung."

Und hier fängt das Problem an: Philipp Rösler ist zwar examinierter Humanmediziner und hat seine Facharztausbildung zum Augenarzt begonnen, aber keine der bisherigen Arbeitsstellen, die man aufgelistet hat, waren medizinischer Natur - von dem Intermezzo als Gesundheitsminister einmal abgesehen. Es waren immer Politikjobs, mal als Fraktionschef in Niedersachsen, dann als Landesminister, Bundesminister und Vizekanzler. Wer also auf dem Papier eine klar definierte Berufsausbildung hat, in der Realität aber immer irgendwie fachfremd gearbeitet hat, fliegt aus dem Raster. Und diese geradlinig durchgezogenen Berufswege gibt es heute immer seltener.

"Folgende Eigenschaften, die mich berufsbezogen auszeichnen, möchte ich an dieser Stelle hervorheben: Ich verfüge über eine große Hilfsbereitschaft, Selbstsicherheit sowie ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein. Als Persönlichkeit möchte ich mich selbst als besonders unerschütterlich, höflich und freundlich beschreiben. Mit mir gewinnen Sie einen neuen Mitarbeiter, der Freude an der Arbeit hat - Freude, die man mir ansieht."

Design-Wahl zwischen Pest und Cholera

Ebenfalls unübersehbar: Das Stakkato der beliebigen Aufzählung - und alles nur, weil man neben ein paar vorgegebenen Fähigkeiten ein Häkchen gesetzt hat. Das ist alles andere als elegant.

Noch ein Problem: Das Lebenslaufformular erfordert zwingend, dass man bei den Zeitangaben auch immer den Monat dazuliefert, sonst gibt's Kauderwelsch. Aber erinnert man sich so genau daran, in welchem Monat man Abitur und wann sein Diplom gemacht hat? Das System lässt sich leider nicht überlisten, daher haben wir bei Philipp Rösler an manchen Stellen einfach geraten.

IQ-Test: Sind Sie ein Superhirn?
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In Auswahlverfahren müssen Bewerber sich häufig Intelligenz-Tests stellen - mit Zahlenreihen, Sprachaufgaben, vertrackten Bilderrätseln. Zählen Sie zu den Schlaumeiern? Dann beweisen Sie's: im IQ-Test. mehr...

Die größte Falle ist aber sicher, das richtige Layout auszusuchen. "Klassisch", "offiziell", "kreativ", es ist die Wahl zwischen Pest und Cholera. Wir haben uns für Philipp Rösler für das Modell "Offiziell" entschieden, mit Schlichtheit kann man zumindest nichts falsch machen.

Ein PDF für alles

Ganz schlau ist immerhin, dass man am Ende auch noch weitere Anhänge hinzufügen kann, Zeugnisse, Arbeitsproben und dergleichen; die werden dann einfach in das Gesamt-PDF integriert.

Vom ersten Tastenklick bis zum fertigen Dokument dauerte das Ganze anderthalb Stunden. Die Nachbesserungen, die noch nötig wären, nicht mitgerechnet. Ehrlich, da kann man's eigentlich gleich selbst schreiben.

Bei Angebot Nummer zwei, dem "Bewerbungsanschreibengenerator", merkt man schon nach ein paar Minuten: Diese Textbausteine richten sich nicht an die Top-Ebenen eines Betriebs. In erster Linie hatte man offenbar Verkäufer im Sinn, hin und wieder ist auch was für einen Verwaltungsjob dabei.

Eine Aufzählung sagt mehr als tausend Sätze

Der Generator funktioniert ähnlich wie eine Bildergalerie: Man klickt sich Passage für Passage durch den Brief, von der "Einleitung" über "Fähigkeiten" bis zu "Bedingungen". Und hat je nach Kategorie mal 44, mal fast 200 fertige Absätze zur Auswahl. Gespeichert werden kann online nichts - man muss es schlicht per Hand in ein Textdokument übertragen. Entsprechend lego-artig klingt das dann auch. Hier eine Variante für Herrn Rösler:

"Für eine erfolgreiche Mitarbeit in Ihrer Verwaltung bringe ich alles mit, was Sie brauchen. Was vor allem für mich spricht: Ich bin engagiert und teamorientiert. Den Anforderungen einer modernen Administration kann ich voll und ganz entsprechen. Meine Arbeit erledige ich stets selbstständig, gewissenhaft und zuverlässig. Deshalb reiche ich Ihnen gern meine Bewerbung ein."

Da die Auswahlmöglichkeiten vorgegeben sind, muss man schon Glück haben, einen entsprechend schablonenhaften Berufsweg zu haben. Für Philipp Rösler, den studierten Arzt und praktizierenden Politiker, gab es nichts - am besten passte als Branche noch "Kommunikation und PR". Und aus den Fähigkeiten und Eigenschaften ließen sich auch nur ein paar auswählen. Sie wollen wissen, wie seltsam sich das liest? Bitteschön:

"Der Schwerpunkt meiner Begabung liegt im Bereich Kommunikation und PR. Erste positive Erfahrungen bestätigen mich darin. Ich berate und überzeuge gern und ich bleibe auch in hektischen Momenten gleichbleibend freundlich und gelassen. Einen grundlegenden fachlichen Überblick habe ich in eigener Initiative erweitert. Mein besonderes Interesse gilt dem Internet und seinen Möglichkeiten zur Information und zur Meinungsbildung."

Kurz und gut: Wer beruflich nicht mit Sprache zu tun hat und sich eher schwer tut, sich durch solch einen wichtigen Brief zu ackern, mag von ein paar Formulierungsvorschlägen inspiriert werden - egal von welchem Generator. Aber am besten gilt wie immer: Fragen Sie einen Freund, der sich mit so etwas auskennt.

Für Posten auf höherer Gehaltsebene sollte man besser die Finger von diesen Angeboten lassen. Nehmen Sie's als Test: Sie sollten rhetorisch so gewandt sein, das selbst hinzubekommen, sonst sind Sie Ihr Geld nicht wert. Und in Röslers Höhen braucht es sowieso kein Anschreiben mehr. Bewerbungstexte ringt sich da keiner ab. Man wird empfohlen. Und er hat ja immerhin noch seine Ministerrente.

Foto: privat

KarriereSPIEGEL-Autorin Anne Haeming (Jahrgang 1978) ist freie Journalistin in Berlin.

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