Aufsteigen zur Führungskraft Das tu ich mir nicht an

Keine Lust auf Lorbeeren? Diese Entscheidung ist unpopulär und fällt vielen schwer. (Symbolbild)
Foto: Klaus Vedfelt / Getty ImagesEs gibt in unserer Kultur eine unausgesprochene Annahme: Wenn Sie ein motivierter, ehrgeiziger Mitarbeiter sind und es mit Ihrer Karriere ernst meinen, dann wollen Sie in der Unternehmenshierarchie nach oben klettern. Aus diesem Grund gibt es so viele Artikel, die erklären, wie man um eine Beförderung bittet, wie man sich nach einem Aufstieg behauptet oder wie man damit umgeht, wenn man bei Neubesetzungen übergangen wird.
So weit also die vorherrschende Erwartungshaltung. Aber was können Sie tun, wenn Sie gar nicht die Absicht haben, Ihren Verantwortungsbereich zu erweitern? Vielleicht tragen Sie so viel Verantwortung für Ihre Familie, dass Sie Ihre Zeit und Energie lieber auf Aufgaben zu Hause fokussieren möchten. Oder Sie lieben es, kreativ zu arbeiten, und möchten diese Erfahrung nicht gegen die Aufgaben eines Managers eintauschen. Oder Ihnen fehlt in der aktuellen Situation einfach die Kraft und Motivation für noch mehr Stress?
Worin auch immer Ihr persönliches Motiv liegen mag – Sie sind jedenfalls völlig zufrieden mit Ihrem aktuellen Job. Und haben keine Lust auf Lorbeeren. Nur: Wie sagen Sie das Ihrer Vorgesetzten, die Sie befördern möchte, ohne dass es ein schlechtes Licht auf Sie wirft?
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Antonia Götsch, Chefredakteurin des Harvard Business managers, teilt Wissen aus den besten Managementhochschulen der Welt und ihre eigenen Erfahrungen mit Ihnen. Einmal die Woche direkt in Ihr E-Mail-Postfach.
Als Coach für Führungskräfte habe ich mit vielen talentierten Persönlichkeiten zusammengearbeitet, die durchaus das Potenzial für eine Beförderung hatten – aber kein Interesse daran, mehr Verantwortung zu übernehmen. Für sie war es eine schwierige Situation, dies ihrer Chefin oder ihrem Chef mitzuteilen, zumal sie als talentierte Mitarbeiter und nicht selten als mögliche Nachfolger ihres Vorgesetzten galten. Die größte Herausforderung bestand für sie darin, eine Balance zu finden: Natürlich wollten sie für ihre Wünsche eintreten, aber auch nicht undankbar oder unambitioniert wirken. Die Lösung: Sie mussten ihr Gegenüber davon überzeugen, dass sie zwar in ihrer aktuellen Arbeit Erfüllung fanden, aber trotzdem ihre Karriere weiterentwickeln wollten.
Sollten Sie selbst in einer ähnlichen Situation sein, dann sind hier einige Tipps, wie Sie das bevorstehende Gespräch souverän meistern.
Ergründen Sie Ihr Motiv
Bevor Sie den festen Entschluss fassen, sich nicht auf eine Beförderung einzulassen, sollten Sie sich intensiv mit der Frage auseinandersetzen, warum Sie kein Interesse an einem Aufstieg haben. Einige Gründe sind sicher einleuchtend, andere erfordern ein größeres Maß an Selbstreflexion. Haben Sie Angst zu versagen? Sind Sie in festen Denkmustern gefangen, die Sie vor neuen Herausforderungen zurückschrecken lassen? Verkaufen Sie sich womöglich unter Wert?
Wenn hinter der Alles-soll-so-bleiben-Motivation in erster Linie Angst steckt, sollten Sie sich erst einmal Feedback von anderen einholen. Fragen Sie Kollegen oder Vorgesetzte, welche Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten sie bei Ihnen erkennen: Glauben sie, dass Sie bereit sind, größere Verantwortung zu übernehmen? Woran sollten Sie arbeiten, damit Sie auf der nächsten Hierarchiestufe erfolgreich sind? Diese Gespräche verschaffen Ihnen nicht nur tiefere Einblicke in Ihre Persönlichkeit, sondern helfen Ihnen auch zu erkennen, wie objektiv Ihre Selbsteinschätzung ist.
Nehmen wir an, Sie haben festgestellt, dass andere von Ihrer Fähigkeit, in einer größeren Rolle erfolgreich zu sein, überzeugt sind – und dass Sie sich selbst unterschätzt haben. In diesem Fall könnten Sie überlegen, einen Aktionsplan zur Weiterentwicklung Ihrer Fähigkeiten aufzustellen. Schließlich erwarten die meisten Vorgesetzten, dass frisch Beförderte in ihrer neuen Rolle eine Lernkurve durchlaufen.
Und wenn Sie sich selbst immer wieder dabei ertappen, dass Sie das positive Feedback Ihrer Mitmenschen zurückweisen, sollten Sie sich einmal ausführlicher mit der Frage beschäftigen, ob Sie nicht womöglich am Hochstaplersyndrom leiden. In dieser Situation könnten Sie mit einem Coach oder Mentor zusammenarbeiten, um mehr Vertrauen in sich selbst zu entwickeln und um zu vermeiden, dass unnötige Ängste Sie in Ihrer Entwicklung behindern.
Allerdings könnten Sie auch zu dem Schluss kommen, dass die Gründe, warum Sie in Ihrer jetzigen Position glücklich sind, nichts mit irgendwelchen Ängsten zu tun haben. Vielleicht stimmt angesichts Ihrer persönlichen Situation einfach der Zeitpunkt nicht. Vielleicht sind Sie nicht bereit, das höhere Maß an Verantwortung und Stress auf sich zu nehmen, das bei einer Beförderung auf Sie zukäme. Vielleicht lieben Sie auch einfach, was Sie tun, und wissen, dass ein anderer Job für Sie nicht so erfüllend wäre. In all diesen Fällen müssen Sie mit Ihrer Chefin oder ihrem Chef offen über Ihre Gründe, die Beförderung auszuschlagen, sprechen.
So führen Sie das Gespräch
Wenn der Zeitpunkt stimmt – beispielsweise bei einem Gespräch über Ihre Karriereentwicklung oder beim Jahresgespräch –, sollten Sie mit Ihren Vorgesetzten darüber reden, dass Sie Ihre aktuelle Aufgabe gern behalten möchten. Dabei sollten Sie Folgendes beachten:
Bedanken Sie sich bei Ihrer Vorgesetzten für ihr Vertrauen. Lassen Sie Ihre Chefin wissen, wie sehr Sie ihr Interesse an Ihrer Person schätzen. Zeigen Sie sich dankbar dafür, dass sie Potenzial in Ihnen sieht.
Erklären Sie, warum Ihr aktueller Job für Sie perfekt ist. Sagen Sie, was Sie an Ihrem Job lieben und warum dieser hervorragend zu Ihren Stärken, Fähigkeiten und Karrierezielen passt. Vermitteln Sie, wie gut Ihr Job mit Ihren Werten übereinstimmt und inwiefern er Sie weiterhin inspiriert.
Betonen Sie, dass Sie sich trotzdem weiterentwickeln wollen. Zeigen Sie, dass Sie weiterhin hoch motiviert sind und Ihre Fähigkeiten innerhalb Ihrer Rolle weiter ausbauen möchten. Machen Sie von sich aus Vorschläge, auf welche Weise Sie das in Angriff nehmen könnten. Wie könnten Sie jene Fähigkeiten entwickeln, die Sie zurzeit noch nicht so gut beherrschen, und so noch besser werden in dem, was Sie tun? Gibt es neue Projekte oder Initiativen, die Sie übernehmen könnten? Können Sie Ihre Talente einsetzen, um das Unternehmen auf andere Weise zu unterstützen? Kann Ihre Chefin Ihnen fortlaufend Feedback geben oder Sie sogar coachen, damit Sie Ihre aktuelle Arbeit noch besser machen?
Halten Sie sich ein Hintertürchen offen. Auch wenn Sie momentan kein Interesse an einer Beförderung haben, wissen Sie natürlich nicht, ob Ihre Lebenssituation, Interessen oder Wünsche sich in Zukunft ändern werden. Machen Sie Ihrer Vorgesetzten daher klar, dass dies zwar Ihre aktuellen Gedanken und Gefühle sind, aber Sie weiterhin sehr daran interessiert sind, sich zu entwickeln. Damit halten Sie sich andere Optionen offen, falls Sie es sich irgendwann einmal anders überlegen sollten.
Lassen Sie sich nicht in eine Position hineindrängen, die Sie nicht wollen. Ich habe viele Menschen erlebt, die zwar starke Vorbehalte gegen eine Beförderung hatten, sich aber letztlich doch auf eine höhere Position einließen, weil es das war, was andere von ihnen erwarteten. In vielen Fällen ging das nicht gut. So ließ sich ein Klinikarzt, der eigentlich den direkten Umgang mit den Patienten liebte, zu einer Führungsposition in seinem Krankenhaus überreden. Obwohl er das damit verbundene Renommee genoss, hasste er die ständigen Meetings und vermisste die medizinische Praxis. Und so entschied er sich nach einer Weile, wieder zu seinen Patienten zurückzukehren, wo er so viel glücklicher war.
Und die Quintessenz? Es gibt keinen Karriereweg, der für alle Menschen passend ist. Sie müssen selbst Ihre Definition von Erfolg finden – und anschließend entscheiden, ob ein Aufstieg das Richtige ist oder ob Sie lieber dort bleiben wollen, wo Sie sind.
Dieser Beitrag erschien in der Juli-Ausgabe 2019 des Harvard Business managers.