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Homosexuelle im Job "Es gibt Zweckehen im Top-Management"

Eines der letzten Tabus in den Führungsetagen vieler deutscher Firmen lautet: Homosexualität. Wie schwule Manager arbeiten, welche Vorurteile in Büros grassieren und wann ein Outing heikel werden kann, erzählt Bernd Schachtsiek vom größten Netzwerk schwuler Führungskräfte.
Vom Tabu zum Netzwerk: Schwule müssen sich in Unternehmen oft nicht mehr verstecken

Vom Tabu zum Netzwerk: Schwule müssen sich in Unternehmen oft nicht mehr verstecken

Foto: Jose Jacome/ dpa

KarriereSPIEGEL: Herr Schachtsiek, Sie sind Vorsitzender des Völklinger Kreises, in dem sich homosexuelle Manager organisieren. Was hat Sexualität überhaupt am Arbeitsplatz verloren?

Schachtsiek: Nichts. Es geht um sexuelle Identität, das ist ein Unterschied. Es geht nicht darum, was ich im Bett mache, sondern darum, ob ich mein Privatleben in der Firma tarnen muss: Was erzähle ich am Montagmorgen vom Wochenende, vom Urlaub? Kann ich meinen Partner erwähnen? Wie reagiere ich, wenn ich "mit Gattin" eingeladen werde - so was. Weniger als die Hälfte aller Schwulen und Lesben sind auch im Berufsleben geoutet. Eine immer noch erschreckend hohe Zahl traut sich das nicht. Und sie verbrauchen etwa fünf bis zehn Prozent ihrer Arbeitsleistung auf die Tarnung.

KarriereSPIEGEL: Wie offen werden Homosexuelle denn heute noch diskriminiert?

Schachtsiek: Eher subtil, seit es das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) gibt, wird diskreter gemobbt. Unsere Mitglieder sind Führungskräfte, da bleibt dann vielleicht mal eine Beförderung aus. Gerade bei Top-Positionen schauen viele auf das private Umfeld, Frau und Kind gelten als solide. Trotzdem ist ganz wichtig: Die Angst vor Mobbing oder Diskriminierung ist meist größer als das, was dann eintritt.

KarriereSPIEGEL: Wir leben inzwischen in einer relativ aufgeklärten Gesellschaft, die sogenannte Homo-Ehe ist gemeinhin akzeptiert. Täuscht das?

Schachtsiek: In den vergangenen zehn Jahren ist viel passiert, unter den jüngeren Leuten sind viele auch geoutet. Anders bei den Älteren: Wer sich 20 Jahre lang getarnt hat, um eine Top-Karriere zu machen, verliert seine Authentizität und damit seine Autorität, wenn er sich jetzt outet. Der zieht das jetzt durch. Es gibt sogar Zweckehen im Top-Management.

KarriereSPIEGEL: Auch jüngere Homosexuelle werden sich doch kaum im Büro vorstellen mit den Worten: "Mein Name ist Müller, und ich bin schwul."

Schachtsiek: Aber bei Vorstellungsgesprächen zum Beispiel kann es ratsam sein, durchscheinen zu lassen, dass man homosexuell ist. Zum Beispiel kurz fallenzulassen, dass man einen Partner hat. Falls die neue Firma irgendwelche Ressentiments hat, ist es besser, man fängt da gar nicht erst an.

KarriereSPIEGEL: Viele Firmen haben LGBT-Netzwerke, LesbianGayBisexualTransgender, wie das politisch korrekt im Personaler-Sprech heißt. Halten die, was sie versprechen?

Schachtsiek: Die meisten Banken haben gute Netzwerke, auch angloamerikanisch geprägte Unternehmensberatungen, Kanzleien, IT-Unternehmen sind hier sehr stark. Sie haben erkannt, dass Vielfalt besser macht - und das heißt nicht nur: Wir brauchen 'ne Frau und 'nen Türken. Wir prämieren alle zwei Jahre Unternehmen und öffentliche Arbeitgeber, die durch ihr umfassendes Diversity-Management herausstechen. 2012 ging dieser Max-Spohr-Preis an die Deutsche Telekom und die Landeshauptstadt München. Als wir die beiden Arbeitgeber in der Commerzbank, einem der vorherigen Preisträger, auszeichneten, hielt extra der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus-Peter Müller die Festrede. Das ist ein starkes Zeichen.

KarriereSPIEGEL: Sind Schwule die besseren Mitarbeiter?

Schachtsiek: Homosexualität ist kein Gütesiegel. Aber alle haben eine persönliche Coming-out-Phase durchgemacht. Sie mussten akzeptieren, dass sie zu einer Minderheit gehören, sie mussten sich mit sich selbst und ihrem Umfeld auseinandersetzen. Homosexuelle sind deshalb oft emphatischer, teamfähiger, kritischer. Und der andere Blickwinkel auf die Welt hilft natürlich bei Innovationen und kreativen Prozessen.

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Foto: Johannes Gernert

KarriereSPIEGEL: Sie selbst waren lange Jahre mit einer Frau verheiratet, sind Vater geworden - und heute sind Sie Vorsitzender eines renommierten Schwulen-Verbandes.

Schachtsiek: Das war ein langer Weg, bei dem meine Frau mich sehr unterstützt hat. Sie entwickeln ja erhebliche Schuldgefühle, wenn Sie ein Versprechen, dass Sie zum Beispiel bei der Eheschließung abgegeben haben, nicht einhalten können oder wenn Sie Ihren Kindern nicht der Vater sind, den alle erwarten. Das darf nicht zu Schuldzuweisungen führen, die vergiften das Klima. Da hilft nur Ehrlichkeit, aber auch Verständnis für die Schmerzen, die Sie Ihrer nächsten Umgebung zufügen. Bei uns war das oberste Ziel, auch über die Trennung hinaus liebevolle Eltern zu bleiben und es unserem Sohn leichtzumachen, uns auch zusammen einzuladen. So wunderten sich die Klassenkameraden unseres Sohnes auf dem Kindergeburtstag, warum er drei Väter, aber nur eine Mutter hat. Aus unserer Ehe ist eine belastbare, enge Freundschaft geworden. Und jedes dritte Jahr organisiert unser Sohn Weihnachten und lädt Mutter und seine drei Väter dazu ein.

KarriereSPIEGEL: Wie ging Ihr Freundeskreis damit um, dass Bernd jetzt offiziell schwul ist?

Schachtsiek: Natürlich waren sie erst einmal verwundert. Nachdem ich mich zum Beispiel bei meinen Sportfreunden im Verein geoutet hatte, ließ mich keiner mehr seinen Rücken unter der Dusche einseifen. Obwohl wir das jahrelang wechselseitig so gemacht hatten. Irgendwann sagte ich dann: "Ich bin zwar schwul, aber steh' echt nicht auf jeden. Schaut euch doch mal an!" Da mussten sie lachen. Dann war wieder alles wie vorher.

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Das Interview führte Helene Endres, Redakteurin beim Harvard Business Manager.

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