Ein Zimmermädchen erzählt "Am meisten nerven alleinreisende Männer"

Zimmermädchen im Hotel
Foto: Jan-Philipp Strobel/ dpaManche Dinge ändern sich (fast) nie: Wie man eine interessante Bewerbung schreibt. Wie man im Vorstellungsgespräch einen guten Eindruck hinterlässt. Die besten zeitlosen Artikel aus dem KarriereSPIEGEL präsentieren wir Ihnen in loser Folge.
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist in vielen Berufen jede Menge Platz. In der Serie "Das anonyme Job-Protokoll" erzählen Menschen ganz subjektiv, was ihren Job prägt - ob Tierärztin, Staatsanwalt oder Betreuer im Jobcenter.
"Sonntag, kurz vor zehn, schlängele ich, 23 Jahre, mich an hupenden Autos vorbei über eine vierspurige Straße. Ich muss mich beeilen, fast hätte ich verschlafen. Ich laufe vorbei an einem Mann in Uniform, der den Gästen die Tür eines hohen Gebäudes öffnet. Während sie in die Eingangshalle mit dem funkelnden Kronleuchter gelangen, betrete ich das Hotel durch den Hintereingang. Es stinkt hier ziemlich, der Müll des Hauses wird direkt vor der Tür entsorgt. In einem Nebenraum ziehe ich mich um: Hose, Bluse, Weste.
Einige Kolleginnen sind bereits da. Sie kommen aus Marokko, Kamerun, Iran. Alle umarmen sich zur Begrüßung. Ich bin die einzige Deutsche hier und habe ein paar Vokabeln Französisch gelernt, seit ich hier arbeite. Neue Sprachen lernen, das war mein Ziel. Deshalb habe ich im Hotel angefangen.
Im Video: Unsichtbar und stets zu Diensten - Geheimnisse der Zimmermädchen
Gelernt habe ich den Beruf nicht, wie die meisten hier. Drei Tage bin ich mit einem anderen Zimmermädchen mitgegangen, bevor ich mein erstes Zimmer hergerichtet habe. Dafür gibt es einen strengen Ablaufplan. Ich war zu langsam. Aber ich war stolz, als das Zimmer fertig war.
Jeden Abend gibt es ein Training für die Crew, mit verschiedenen Übungen: Richtig anklopfen, Bettdecke falten. Mittlerweile, nach zwei Jahren im Hotel, beherrsche ich alles. Auch in der vorgegebenen Zeit. Man bekommt eine gewisse Routine, denn die Arbeitsabläufe sind immer gleich. Am Training muss ich deshalb nur noch selten teilnehmen.
Am meisten nerven allein reisende Männer
Nach der Begrüßung wird es hektisch. Betten machen, Bad putzen, lüften. 25 Zimmer reinige ich jeden Tag, pro Zimmer habe ich zwölf Minuten Zeit. Wenn ich es nicht in der vorgegebenen Zeit schaffe, bekomme ich Ärger von meiner Vorgesetzten und meine Pause schiebt sich nach hinten oder verkürzt sich sogar.
Am liebsten putze ich, wenn die Gäste nicht da sind. Dreimal muss ich klopfen, laut "Housekeeping!" rufen, und noch dreimal klopfen, bevor ich eintreten darf. Manchmal reagieren die Gäste nicht. Dann öffne ich die Tür. Mit meinem Generalschlüssel habe ich Zugang zu allen Zimmern. Mindestens einmal im Monat kommt es vor, dass ich Gäste beim Sex erwische. Dann schließe ich schnell die Tür. Wer nicht gestört werden will, benutzt am besten das rote Türschild. Wenn es nicht hängt: Pech gehabt.
Das anonyme Jobprotokoll: So sieht der Alltag wirklich aus
Ein Großteil der Gäste ist freundlich, aber nicht alle. Am meisten nerven mich allein reisende Männer. Ich hasse es, wenn der Typ im Türrahmen lehnt, mit geöffnetem weißem Bademantel, unter dem ein massiver Bierbauch hervorschwabbelt. Trotzdem findet er sich total geil. Das nervt tierisch.
Meist bleibt er dann im Türrahmen stehen und beobachtet mich, während ich durch das Zimmer wirbele: Tagesdecke falten, Kopfkissen aufschütteln, glattstreichen, eine Tafel Schokolade mit dem Hotel-Logo auf jedem Kissen platzieren, Bad wischen und Handtücher tauschen.
"Die andere Hälfte des Bettes ist frei"
Auch die Kleidung des Herren, die er auf dem Boden verteilt hat, falte ich. Zum Abschied zaubert er einen Schein hervor, streckt mir das Geld gönnerhaft entgegen. Dann zeigt er auf das Doppelbett und grinst: "Die andere Hälfte ist frei."
Freundlich lächelnd lehne ich das Angebot ab und verlasse leise den Raum. Der Gast ist schließlich König.
Ein Mann hat mir sogar mal auf den Teppich uriniert. Ich glaube, dass er das absichtlich gemacht hat, weil er wusste, dass das Zimmer später von einer Frau gereinigt wird.
Etwas mehr als den Mindestlohn
Kurz nach 12: Die Präsidentensuite muss geputzt werden. 4500 Euro kostet das Zimmer pro Nacht, für zwei Schlafräume, ein Wohnzimmer und zwei Bäder. Schon vor der Tür riecht es wie auf einem Bahnhofsklo. Offenbar konnte da jemand nicht richtig zielen. Die Fliesen sind voll Urin. Mit Handschuhen, viel Chemie und vereinten Kräften machen wir uns zu viert an die Arbeit. Es muss schnell gehen. Das Zimmer ist noch am selben Tag erneut gebucht.
Kot, Sperma, Blut und andere Körperflüssigkeiten gehören zu meinem Arbeitsalltag. Ich weiß nicht, wo ich überall schon benutzte Kondome gefunden habe. Einmal hat ein Gast Stuhlgang in den Mülleimer gemacht, das Zimmer dann verlassen. Auch das musste ich reinigen.
Gegen 21 Uhr eile ich die Treppe hinunter zum Empfang und greife zum Telefon. Ein Gast wünscht sich Begleitung für die Nacht. Wir sind hier mit einem Escortservice verbunden. Die meisten der Frauen erkennt man gleich.
Dann verlasse ich das Hotel. Als ungelernte Kraft bekomme ich etwas mehr als den Mindestlohn pro Stunde. Heute war ein langer Tag, eine normale Schicht dauert acht Stunden. In ein paar Jahren möchte ich gern etwas anderes machen. Vielleicht mein Abitur nachholen und dann studieren. Meine Sprachkenntnisse werden mir dabei sicher helfen."