Bilderbuch für Erwachsene "Wow, 17 Cent Trinkgeld, die lege ich gleich an"

Gebäudereinigung ist eine von 156 Berufsbranchen, die Felix Bork illustriert hat
Foto: Felix Bork / Büchergilde"Ich erzähle von Berufungen, Jobs und Beschäftigungen. Vom Schaffen und Schuften, vom Rabotten und der Maloche. Dinge, die Menschen machen, um Geld zu verdienen. Mal mehr, mal weniger. Dass manche mehr und andere weniger Geld verdienen, hängt häufig nicht nur von dem Beruf an sich ab. Das Geschlecht oder der Ort der Arbeitsstätte bestimmen viel zu oft die Höhe des Gehalts, was krass ungerecht und unsolidarisch ist."
Mit diesen Worten beginnt ein Buch, das auf den ersten Blick aussieht wie ein typisches Bilderbuch für Kinder, sich auf den zweiten Blick aber als bildgewordene Gesellschaftskritik entpuppt. 158 Berufe stellt der Berliner Illustrator und Autor Felix Bork in "Frohes Schaffen!" vor. Nicht alphabetisch geordnet, sondern einer übergeordneten Logik folgend, die oft zum Lachen, und immer zum Nachdenken anregt.
Los geht es mit seinem eigenen Beruf, dem des Illustrators. Bork zeigt dafür eine Hand mit Pinsel, auf dem Papier neben ihr ist nur ein grüner Strich zu sehen. Auf der nächsten Seite illustriert genau dieser grüne Strich den Beruf der "Landwirtschaftsbeschäftigten": "Hier siehst Du eine Gurke", schreibt Bork dazu. "Gurken wachsen aus der Erde." Aber ohne Menschen zum Säen, Pflegen, Ernten gäbe es sie nicht.

Frohes Schaffen!
Menschen sichtbar zu machen, die im Alltag nicht gesehen werden, obwohl ihre Arbeit für viele relevant ist, war Bork ein besonderes Anliegen: "Ich bin kein Wissenschaftler, sondern ein recht simpler Geist. Hochkarätige Beschreibungen zu jedem Beruf kann und will ich nicht liefern. Mir ist es wichtiger, auf Ungerechtigkeiten hinzuweisen."
So zeigt er einen Mann, der ein Dutzend detaillierte Wünsche für sein Tattoo hat ("Es soll meine Männlichkeit ausdrücken, aber auch, dass ich sensibel, stark und sexy bin, meine Familie liebe, eine intensive Verbindung zu Gott habe und Wassermann bin"), aber nur 50 Euro zahlen will - und dafür den Umriss eines Penis' tätowiert bekommt.
Der Berliner Illustrator hat selbst lange in der Gastronomie gearbeitet. "Immer mindestens zehn Prozent Trinkgeld geben. Bitte!", schreibt er deshalb im Text zu "den Kellnernden". Den Beruf illustriert er mit einer Hand, die ein mit dreckigen Tellern überladenes Tablett balanciert und zwei Sprechblasen: "Stimmt so", sagt der unsichtbare Gast. "Ui, die 17 Cent sollte ich besser gleich anlegen", sagt der oder die Bedienende.
Von Juweliergeschäftsbesitzenden und Pförtnernden
Bork hat sich bewusst für eine gendergerechte Sprache entschieden, weil "die Ausübung eines Berufs und die Entlohnung absolut unabhängig sein sollten von Arbeitsort, Herkunft, Aussehen, Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion, Weltanschauung, körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung", wie er im Vorwort seines Buches schreibt.
"Ich finde es verrückt, bei wie vielen Berufen es gar keine allgemeingültige, neutrale Bezeichnung gibt", sagt Bork. Und deshalb kreiert er Wörter wie Kellnernde, Pförtnernde, Sommelièrende oder Juweliergeschäftsbesitzende. Er habe bewusst nach besonders umständlichen Wörtern gesucht, "um die Lesenden aus dem Konzept zu bringen", sagt er. Bei einigen Berufen kam aber auch er an die Grenzen, dann blieb nur der Rückgriff auf Substantive: Archäologie, Physik, Kosmetik.
"Ich habe die Berufe völlig subjektiv ausgewählt", sagt Bork. "Besonders relevante Berufe wie Pflegende oder Polizeikräfte wollte ich unbedingt drin haben, alle anderen habe ich danach ausgewählt, ob mir ein schlechter Witz dazu einfällt."
Diese sind mal im Bild selbst versteckt, mal im Text dazu – und oft ergeben sie sich auch erst durch die Gegenüberstellung im Buch. So illustriert Bork beispielsweise Polizeikräfte mit einem blauen Plakat auf dem "Dein Freund und Helfer" steht. Und auf der gegenüberliegenden Seite trägt ein Schwein eine Polizeimütze. "Tiertrainierende bringen Schweinen und Schafen bei, was sie tun sollen", schreibt er dazu. "Und diesem Schwein hier zum Beispiel wurde beigebracht, eine lustige Mütze zu tragen."
"Easter Egg" nennt man Geheimbotschaften und absurde Gimmicks, die in Videospielen versteckt sind. Bork hat sich dieses Prinzip zu eigen gemacht und in seinem Buch Scherze versteckt, die sich erst bei genauem Betrachten entdecken lassen. Die Sprechblase "Das hat sich ja gelohnt" findet sich beispielsweise bei fünf verschiedenen Berufen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. "Sie haben eine große Gemeinsamkeit: Sie werden zu schlecht entlohnt. Darauf will ich aufmerksam machen", sagt Bork.
Dass viele Leser den versteckten Kommentar vermutlich überblättern, nimmt er in Kauf: "Ich tue mich schwer damit, meine eigenen Witze zu erklären. Da nehme ich lieber das Risiko in Kauf, dass nicht alles verstanden wird. Und außerdem finde ich es großartig, wenn Menschen auch beim 15. Ansehen noch etwas Neues entdecken."