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Bewerbung eines Azubis Wie schnoddrig darf ein Anschreiben sein?

»Hallo, guten tag hiermit bewerbe ich mich :) mfg« So bewarb sich ein junger Mann als Informatik-Azubi bei Firmenchef Daniel Merkel. Ist das dreist oder völlig okay?
Ein Interview von Verena Töpper
Wie entspannt dürfen Bewerber sein?

Wie entspannt dürfen Bewerber sein?

Foto:

Andrew Bret Wallis / Digital Vision / Getty Images

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SPIEGEL: Herr Merkel, Sie haben auf LinkedIn eine eher unkonventionelle E-Mail eines Bewerbers gepostet  und damit eine Diskussion losgetreten, ob es okay ist, sich auf eine Stellenanzeige zu melden mit: »Hallo, guten tag hiermit bewerbe ich mich 😊 mfg«. In der Kommentarspalte reichen die Meinungen von »respektlos, gleich absagen« bis »mutig und witzig, sofort einladen«. Was haben Sie dem Absender oder der Absenderin geantwortet?

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Daniel Merkel / LinkedIn

Daniel Merkel: Ich habe dem jungen Mann eine Absage geschickt, aber nicht allein wegen des Anschreibens. Wir suchen jemanden, der bei uns eine Ausbildung als Fachinformatiker machen will, und er hatte keinerlei Vorkenntnisse, das hätte nicht gepasst.

SPIEGEL: Sie haben seine E-Mail also nicht gleich aussortiert, sondern sich die Anhänge angesehen?

Merkel: Ja, das mache ich immer. Ehrlich gesagt kriege ich andauernd solche Bewerbungen. Wenn ich jeden sofort aussortieren würde, der beim Anschreiben auf die Anrede, Kommas und Groß- und Kleinschreibung verzichtet, blieben nicht mehr viele übrig.

SPIEGEL: Orthografie sagt aber ja auch wenig darüber aus, ob jemand gut programmieren kann, oder?

Merkel: Ja, das stimmt, und ich bin auch wirklich kein Rechtschreibfetischist. Aber wie ich mich um einen Job bewerbe, sagt meiner Meinung nach schon etwas darüber aus, wie wertschätzend ich mich anderen gegenüber verhalte. Zumindest »Hallo Daniel« und »liebe Grüße« sollte doch jeder hinbekommen. Wenn jemand einen Job haben will, erwarte ich, dass er oder sie sich Mühe gibt mit den Mitteln, die er oder sie zur Verfügung hat. In dem Fall hatte ich den Eindruck: Der war einfach zu bequem, sich Gedanken zu machen.

SPIEGEL: Haben Sie denn jemandem mit einer miesen Bewerbung schon mal eine Chance gegeben?

Merkel: Ja, durchaus. Und ich muss sagen, wir haben das bitter bereut. Ein einzelner Azubi kann die Stimmung einer ganzen Abteilung runterziehen.

SPIEGEL: Was ist denn passiert?

Merkel: Da wurden Absprachen nicht eingehalten und zum Beispiel Arbeiten nicht erledigt, ohne die andere nicht weiterarbeiten konnten. Das blieb am Ende freitagabends an den Kollegen hängen. So was ärgert dann alle. Seither legt unser IT-Leiter von uns allen den größten Wert auf Soft Skills.

SPIEGEL: Wie testen Sie die?

Merkel: Wenn jemand schon im Vorstellungsgespräch Kaugummi kauend auf dem Sessel fläzt, braucht man keine Tests, dann kann man sich vorstellen, wie er sich verhält, wenn er erst mal im Büro angekommen ist.

SPIEGEL: Bei Firmen wie Facebook und Google dürfen die Mitarbeiter auch aus der Hängematte arbeiten.

Merkel: Die Zeiten haben sich geändert, da will ich gar nicht widersprechen. Ich habe mich selbst früher darüber aufgeregt, wenn die Generation unserer Eltern auf »die Jungen« geschimpft hat. Nicht die Jungen müssen sich ändern, sondern die Alten. Aber es ist ein schmaler Grat zwischen sich verändern und sich selbst untreu werden. Ich finde: Ein Mindestmaß an Empathie, Mitmenschlichkeit und Miteinander muss da sein, sonst kann Teamarbeit nicht klappen, auch nicht in der Backend-Entwicklung.

SPIEGEL: Man kann ja auch in der Hängematte empathisch sein.

Merkel: Wenn jemand motiviert ist und Lust hat auf den Job, bin ich der Letzte, der da Vorschriften machen wird. Wir hatten zum Beispiel mal einen super Typen als Mitarbeiter, der tolle Arbeit geleistet hat, aber nie morgens gegrüßt hat. Irgendwann habe ich ihn darauf angesprochen und es kam heraus, dass ihm das gar nicht aufgefallen war. Von da an sagte er jeden Morgen freundlich und aus eigenem Antrieb »hallo«.

SPIEGEL: Manche brauchen also nur ein bisschen Nachhilfe?

Merkel: Den Eindruck habe ich, ja. Wir bilden jetzt seit 20 Jahren aus, und es scheint mir, dass in den letzten Jahren viel verloren gegangen ist im menschlichen Miteinander. Vielleicht liegt es daran, dass viele Eltern meiner Generation für ihre Kinder mehr Kumpel als Respektspersonen sind. Ich habe selbst einen Sohn und versuche, die Weichen entsprechend zu stellen. Es muss doch möglich sein, freundlich und locker miteinander umzugehen, seine Mitmenschen aber trotzdem wertschätzend zu behandeln. Und dazu gehört für mich auch das Grüßen, egal ob beim Hereinkommen in einen Raum oder in einer E-Mail.

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