Bewerbung So geht das perfekte Anschreiben

Noch mal von vorn: Ist das Bewerbungsanschreiben wirklich so schwer zu formulieren?
Foto: CorbisManche Dinge ändern sich (fast) nie: Wie man eine interessante Bewerbung schreibt. Wie man im Vorstellungsgespräch einen guten Eindruck hinterlässt. Die besten zeitlosen Artikel aus dem KarriereSPIEGEL präsentieren wir Ihnen in loser Folge.
Sonja G., 24 (1536 Facebook-Freunde), hat bisher alles richtig gemacht. Die richtige Schule. Das wichtige Studium. Nur geistreiche Profs. Und nur Freunde mit der richtigen Einstellung. Nach einigen Vorzeige-Praktika, diversen interkulturellen Trainings in Kairo, London und Trier und einem Studienabschluss knapp unterhalb von unschlagbar bewirbt sie sich seit gestern aktiv um ihren Einstiegsjob.
Nach Stunden sitzt sie noch immer an ihrer Bewerbung. Das Anschreiben muss perfekt sein.
Sonja startet: "Mit großem Interesse habe ich Ihre Ausschreibung zur Kenntnis genommen..." - und stoppt. Interesse, ist das nicht die Bedingung, ohne die es beim Bewerben sowieso nicht geht? Ein echtes oder fingiertes Interesse haben alle Jobsucher gemeinsam. Interessant für einen Jobanbieter ist immer nur, was einen von den Mitbewerbern positiv unterscheidet.
Sonjas Freund rät zur bewährten Formel: "Hiermit bewerbe ich mich..." Formalisten erklären in der Tat gern feierlich, sich mit ebendieser Erklärung zur Bewerbung zu verpflichten. Doch hiermit kauft man heute nicht mal mehr einen gebrauchten Mac. Echte Macher empfehlen sich nicht mit hohlen Deklarationen.

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Ein beliebter Rat, oft gelesen: "Schreib, wie du sprichst!" Doch der verleitet bloß zur Einleitung: "Kürzlich habe ich mein Studium der Internationalen Wirtschaftsrechthaberei mit 1,0 abgeschlossen." Oder anders gesagt: Hier stehe ich, holt mich ab! Aber wer möchte so dastehen?
Entnervt sucht Sonja bei einem Web-Ratgeber Hilfe. Dort findet sie den Hinweis "Der erste Satz ist immer der schwerste." Ja, wer hätte das gedacht? Das ist so zielführend wie die Feststellung: So jung kommen wir nicht mehr zusammen. Ein für den Web-Coach denkbares Beispiel: "Sie brauchen einen qualifizierten Mitarbeiter mit Kenntnissen in XY." Das will Sonja nun auch nicht schreiben. Sie ist sich ziemlich sicher, dass kein Management darüber belehrt werden will, wen es als Mitarbeiter braucht und wen nicht.
Kennen Sie schon meine liebste Viralkampagne?
Ein anderer Berater preist folgendes Einstiegsbeispiel an: "Ich kann es kaum noch erwarten, die Marketingabteilung Ihres Unternehmens mit meinen praktischen Kenntnissen und Erfahrungen über Viralkampagnen zu bereichern. Sind Ihnen etwa schon die drei erfolgreichsten Einsatzbeispiele von QR-Codes bekannt?" Anders als dieser Karriere-Prophet vermag Sonja allerdings nicht instinktiv zu spüren, dass diese ersten beiden Sätze Leidenschaft, Begeisterung, Temperament und Engagement atmen. Sie hält die Attitüde eher für heuchlerisch, arrogant und unpassend.
Den Tonfall der falschen Begeisterung kupfern eilfertige Bewerber vom Facebook-Gedöns des modernen Personalmarketings ab. Sonja aber ist von der Wirksamkeit nicht überzeugt. Junge Karrieristen malochen von Montag bis Samstag. Ausgerechnet beim Bewerben sollen sie dann Sonntagsreden halten?
Klug daherreden hält Sonja sowieso eher für ein Ausscheidungsmerkmal als für einen Beleg von geistiger Größe. Deshalb verwirft sie auch diesen Vorschlag für einen Start ins Anschreiben: "Innovative Ideen einzubringen, diese erfolgreich umzusetzen und juristisch abzusichern, ist meines Erachtens das Ziel jedes wettbewerbsfähigen Unternehmens." Es ist ja schön, das große Ganze im Auge zu behalten, aber als beruflicher Einsteiger sollte man sein Augenmerk eher auf das richten, was konkret anliegt.
Feuerwerk, das einfach nicht zündet
Nach einem langen Tag der Beschäftigung mit rhetorischem Bewerbefeuerwerk, das einfach nicht zünden will, kommt Sonja zum Schluss, dass Jobsuchende und ihre Berater sich gewöhnlich um zwei Fragen drücken: Für wen schreibst du? In welchem Rahmen?
Jobanbieter tun ihren Job. Wenn sie ihn gut machen, besteht er keinesfalls darin, sich über ein hohes Interesse zu freuen, Fanbotschaften abzunicken, Ergebenheitsadressen huldvoll entgegen zu nehmen, die korrekte Motivation für den Jobwunsch zu prüfen, sich von Werbebotschaften verführen oder sich gar von gewieften Einschmeichlern um den (Damen-) Bart streichen zu lassen. Die Damen und Herren vom Rekrutierungsfach erwarten nichts weiter, als knapp, nüchtern und präzise über eine besondere Jobeignung informiert werden. Bewerben heißt, eine Entscheidungsvorlage abzugeben.

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Ein geübter Personaler blendet konsequent das gesamte Bewerber-Blabla aus, vor allem die beliebten Augenfänger, Appelle, Allgemeinplätze, Beteuerungen, Bitten, Bezugsfindungen, Ich-bin-Botschaften, Überredungsversuche und Wie-gut-dass-es-Sie-gibt-Seufzer. Wieso sollte er sich davon auch ablenken lassen? Was immer die Berufstexter an Eingeölt-Hölzernem drechseln: Es kommt nicht an.
Bitte keine klassischen Briefe mehr!
Klar ist doch auch: Wo Fachleute in Datenbanken eingespeiste Bewerbungen verarbeiten, braucht es keinen Bezug, keinen Kontext, keine Einleitung und keinen ausgetüftelten Attention-Getter. Jobanbieter sind hungrig nach Jobeignung. Sie haben null Zeit und wollen nur über Sachverhalte instruiert werden. Sie werden aber zu jeder Zeit mit inhaltsfreien Botschaften bombardiert.
Wozu also ein Brief? Gebraucht wird ein Briefing. Das perfekte Anschreiben von heute folgt nicht den bewährten Vorschriften und Mustern papierener Korrespondenz. Es missachtet sie komplett. Damit ein Anschreiben perfekt passt, braucht übrigens auch kein Bewerber perfekt zu tun. Es soll seinen Job perfekt erfüllen. Bewerben heißt Zuarbeiten:
- Umstandslos mit dem (aus der Sicht des Personalers) stärksten Argument starten.
- Ungerührt aufzählen: Job- und Lernleistungen. Schwerpunkte. Abschlüsse. Besondere Verdienste. Wissen und Können. Referenzpersonen, die einem die für den Job erforderlichen Qualitäten bestätigen.
- Starke Verben verwenden.
- Sich auf konkrete Hauptwörter beschränken. Vertrauen bildet nur, was Fakt ist.
- Alle Ich-bin-Aussagen streichen und durch Ich-habe-gemacht-Statements ersetzen.
Sonja schwört sich am Ende: Gelobt und getextet sei, was mich stark macht. Darum startet sie so:
"Bereits während meines mit 1,0 absolvierten Masterstudiums Wirtschaftsrecht an der Universität Irgendwo habe ich Assistenzfunktionen für die Geschäftsleitung des Berliner Startups Laws & Ordnung GbR übernommen. Insbesondere habe ich die Gesellschaftsgründung juristisch vorbereitet, die allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgearbeitet, eine Patentanmeldung verfolgt und durchgesetzt und die gesamte interne Rechtsberatung geleistet."
Zu arrogant, zu nüchtern? Ach was. Perfekt!