Bewerbungen Mannschaftssport verrät nichts über Teamfähigkeit

That's not cricket: Sieht so etwa eine Teamplayerin aus?
Foto: CorbisWenn man schriftliche Bewerbungsunterlagen klassisch per Post schickt, sind sie weitgehend normiert: Anschreiben, Lebenslauf, Abitur-, Studien- und Arbeitszeugnisse - da bleibt nicht viel Platz für Individuelles. Dennoch sind potentielle Arbeitgeber immer auf der Suche nach Indizien für die wichtigen Soft Skills wie Eigeninitiative oder Kommunikationsgeschick. Ganz vorn liegt Teamfähigkeit - ohne diese Angabe kommt fast keine Stellenanzeige aus.
Personalchefs und Bewerber stecken dabei in einer ähnlichen Klemme: Die einen bemühen sich, aus der Bewerbung Hinweise auf die Persönlichkeit herauszulesen. Die anderen streuen solche Hinweise gezielt ein, etwa in der Lebenslauf-Sparte "Hobbys". Lesen... das wirkt womöglich etwas langweilig. Und Schach wirkt zu eigenbrötlerisch, Golf zu elitär, Fallschirmspringen zu riskant. Marathonlauf mag persönlichen Ehrgeiz signalisieren, vielleicht aber auch Verbissenheit und Einzelkämpfertum.
Als klassischer Trumpf in der Bewerbung gilt Mannschaftssport. In der Kreisliga kicken, Körbe werfen, Bälle pritschen oder einen Puck jagen: smells like team spirit. Alles Zeichen, dass man kontaktfreudig ist, sich einordnen kann, für eine gemeinsame Sache kämpft. "Im Lebenslauf wird sportliche Aktivität von vielen Arbeitgebern gern gesehen, als Indikator für soziale Kompetenz", sagt Uwe Kanning, Wirtschaftspsychologe und Professor an der Hochschule Osnabrück.
Wie Sie sehen, sehen Sie... nichts
Ob das stimmt, hat die Osnabrücker Studentin Julia Kappelhoff näher untersucht. Für ihre Bachelor-Arbeit füllten 360 Menschen Fragebögen zur Einschätzung der eigenen sozialen Kompetenzen aus. Zudem gaben sie an, ob und wie intensiv sie sich sportlich betätigen. 300 Teilnehmer zählten zu den Sportlern, davon 140 in Individual- und 80 in Teamsportarten, die übrigen in beiden Bereichen. Ihre Angaben wurden anschließend mit einer Normstichprobe von 4000 Menschen aus der Gesamtbevölkerung abgeglichen.

Bewerbungspannen: 15 kuriose Missgeschicke
Die Bachelor-Studentin forschte nach den Zusammenhängen zwischen Sport und Sozialkompetenz - und fand praktisch keine. Nach 17 Kriterien stuften die Teilnehmer sich auf einer mehrstufigen Skala selbst ein. Auf den ersten Blick scheint es ein paar Auffälligkeiten zu geben: So zeigten sich die Mannschaftssportler im Vergleich zu anderen Befragten etwas weniger entscheidungsfreudig, die Individualsportler etwas weniger kompromissbereit und hatten dafür mehr Selbstkontrolle. Das wirkt einleuchtend, oder "alltagsplausibel", wie es Psychologe Kanning formuliert.
Allerdings: Auf den zweiten Blick schrumpfen die Unterschiede mächtig zusammen. Die Kurven zu den Persönlichkeiten der Team-, Individual- und Nichtsportler zeigen derart geringe Ausschläge, dass sie schlicht nicht ins Gewicht fallen. "Wie Sie sehen, sehen Sie nichts", fasst Kanning es zusammen. "Wenn man nach sozialwissenschaftlichen Kriterien mögliche Messfehler einrechnet, liegen die Werte alle im Zufallsbereich, sind also statistisch überhaupt nicht signifikant."
"Bauchgefühl" ist kein Profi-Kriterium
Kein Ergebnis ist in diesem Fall auch ein Ergebnis: "Bei der sozialen Kompetenz unterscheiden Sportler sich nicht von Menschen, die keinen Sport treiben", sagt der Experte für Personalauswahl und rät dringend ab von solcher Küchenpsychologie. Bewerber voreilig auszusortieren, nur weil im Lebenslauf der Sport fehle, das könne für Unternehmen eine "klare Fehlentscheidung sein".
Stets geht es für Job-Interessenten zunächst darum, die erste Sortierrunde zu überspringen und ein Vorstellungsgespräch zu erreichen. Personaler können aber nicht jeden einladen, sie brauchen sinnvolle Kriterien. Uwe Kanning, der sich schon lange mit Personalentwicklung und Eignungsdiagnostik beschäftigt, ist manchmal verblüfft, welche obskuren Methoden mitunter in Unternehmen zum Einsatz kommen - bis hin zu Schädeldeuterei, Astrologie oder Grafologie. "Derartige Scharlatanerie ist zum Glück die Ausnahme", sagt er, "aber zu oft begründen Personaler Entscheidungen mit ihrer 'Intuition' oder dem "Bauchgefühl'." Nach seinen Beobachtungen agieren viele Personaler "selbstgefällig und stellen sich kaum in Frage".
Als Beispiel nennt Kanning eine Veranstaltung an der Uni Münster, bei der fünf Personaler im Hörsaal über ihre Arbeit erzählten. "Da war viel heiße Luft mit Aussagen wie 'Sie müssen uns einfach begeistern', an die Studenten gerichtet." Überzeugend fand Kanning nur einen Personaler. Der antwortete auf die Zwischenfrage eines Studenten, ob es am Ende nicht doch nur um Sympathie gehe: "Ach wissen Sie, unser Unternehmen hat über 1000 Mitarbeiter. Ich wähle jeden Tag Leute aus, die mir unsympathisch sind - denn das spielt keine Rolle, weil ich sie nie wieder sehe. Täglich mit den Neulingen zusammenarbeiten müssen Kollegen, die ganz anders sind als ich."
"Hauptsache, das Hobby beeindruckt Personaler"
Für unprofessionell hält Kanning es, wenn sich Personaler von einem Bewerbungsfoto beeinflussen lassen - das sei "auch nur wieder der Nasenfaktor Attraktivität" und sage nichts aus über die Fähigkeiten eines Kandidaten. Viele Arbeitszeugnisse erlaubten ebensowenig ein klares Urteil, wegen des üblichen Geheimjargons und "weil man nie weiß, ob der Bewerber es selbst geschrieben hat".
Aber was bleibt dann noch - woran sollen sich Personaler orientieren, wenn ihre Schreibtische sich unter Bewerbungen biegen? Wer beim Job-Casting in den Recall kommt, entscheiden sie binnen weniger Minuten. Kanning rät zur Vorauswahl nach harten Kriterien wie Studienfach, Noten, Fremdsprachen. Außerdem plädiert er dafür, die traditionelle Bewerbung zu ersetzen durch Leistungstests und persönliche Fragebögen, jeweils möglichst eng bezogen auf die konkrete Stelle.
Dass sportliche Aktivität etwas über den Charakter verrät, hält Kanning jedenfalls für Firmen-Folklore. Dennoch sollten Bewerber solche Hobbys ruhig nennen: "Nur zu - solange es Eindruck macht, würde ich Mannschaftssport erwähnen. Es kommt ja gut an, und bei der schriftlichen Bewerbung geht es ausschließlich darum, sich gut zu verkaufen. So wird die Schwäche der Personalmanager zur Stärke der Bewerber."