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Bewerbungen Woran erkennt man Diskriminierung?

Arbeitgeber können sich aussuchen, wen sie einstellen. Das Gesetz verbietet jedoch eine Ablehnung etwa wegen des Alters, des Geschlechts oder der Herkunft - nur ist eine solche Benachteiligung schwer zu beweisen.
Von Jochen Leffers und Sabine Hockling
Vorstellungsgespräch: Diskriminierung ist verboten, aber nicht leicht zu erkennen

Vorstellungsgespräch: Diskriminierung ist verboten, aber nicht leicht zu erkennen

Foto: Corbis

Ein Sozialpädagoge bewarb sich in einem Mädcheninternat um eine Stelle, die auch Nachtdienste vorsah. Als er beim Gymnasium abblitzte, sah sich der Mann diskriminiert wegen seines Geschlechts und verlangte eine Entschädigung von 6750 Euro. Ein 60-jähriger Rechtsanwalt bewarb sich auf Stellen, die ausdrücklich für Berufseinsteiger ausgeschrieben waren - um nach der Ablehnung dann vor Gericht bis zu 60.000 Euro Entschädigung einzuklagen.

Absurd? Nicht unbedingt. Wenn jemand gar nicht ernsthaft an der Stelle interessiert ist, sich wiederholt nur zum Schein bewirbt und Gerichte darin eine dreiste Masche erkennen können, hat eine Klage schlechte Aussichten - Juristen sprechen dann von AGG-Hopping. Aber das sind recht seltene Ausnahmefälle; viel öfter sind juristische Verfahren wegen vermeintlicher oder tatsächlicher Bewerber-Benachteiligung verzwickt.

Unternehmen formulieren Absagen heute vorsichtiger

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, kurz AGG, gibt deutschen Gerichten schwierige Entscheidungen auf. Und Unternehmen anspruchsvolle Hausaufgaben.

Im Jahr 2006 hat der Gesetzgeber mit dem AGG eine Grundlage geschaffen, an die Arbeitgeber sich zu halten haben. Bewerber und Mitarbeiter können daran ablesen, was konkret als Diskriminierung gilt. In § 1 verbietet das AGG die Benachteiligung aufgrund ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität sowie ihrer Behinderung oder ihres Alters.

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Geschlecht, Alter, Herkunft: Verbotene Formulierungen in Stellenausschreibungen

Foto: Corbis

Es ist ein recht umfassender Katalog möglicher Diskriminierungen im Berufsleben, und er führt regelmäßig zu Streitfällen. Fühlt sich ein Bewerber bei der Personalauswahl benachteiligt, muss er stichhaltige Indizien beibringen - und umgekehrt müssen Unternehmen belegen, dass keine Diskriminierung vorliegt. Setzen abgelehnte Bewerber sich durch, können sie zwar nicht ihre Einstellung verlangen, aber gegebenenfalls eine Entschädigung (Schmerzensgeld) sowie Schadensersatz.

Fordert ein Bewerber Schadensersatz für entgangenen Lohn, wird er das Arbeitsgericht überzeugen müssen, dass er ohne die Diskriminierung den Job bekommen hätte. Die Praxis zeigt: Solche Indizien vorzulegen, ist nicht immer einfach. Denn ein Jahrzehnt nach Einführung des AGG haben Unternehmen inzwischen viel Übung darin, heikle Formulierungen in Stellenausschreibungen zu vermeiden - und intern Bewerber auszusortieren, die sie etwa wegen ihres Alters, ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft nicht einstellen wollen.

Wichtige Urteile und ihre Folgen

Wird ein Arbeitgeber mit dem Vorwurf der Bewerberdiskriminierung konfrontiert, muss er beweisen können, dass sachliche Gründe für die Ablehnung entscheidend waren. Dazu gibt es etliche Einzelfallentscheidungen. Beispielhaft zeigt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 19. August 2010 (Aktenzeichen 8 AZR 530/09 ), wie wichtig Sorgfalt für Arbeitgeber im Bewerbungsprozess ist.

Ein Unternehmen suchte für seine Rechtsabteilung per Stellenanzeige "zunächst auf ein Jahr befristet eine(n) junge(n) engagierte(n) Volljuristin/Volljuristen". Ein Volljurist (Jahrgang 1958) bewarb sich auf diese Stelle, erhielt jedoch eine Absage, ohne überhaupt zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Als die Stelle an eine 33-jährige Juristin ging, verlangte der ältere Jurist eine Entschädigung in Höhe von 25.000 Euro sowie Schadensersatz in Höhe eines Jahresgehalts.

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Zahlen musste das Unternehmen am Ende eine Entschädigung in Höhe eines Monatsgehalts; die anderen Forderungen wies das BAG zurück. Begründung: Die Stellenanzeige verstieß gegen das Altersdiskriminierungsverbot. Demnach müssen Stellen grundsätzlich altersneutral ausgeschrieben werden. Die Stellenanzeige reichte den Richtern als Indiz für die Benachteiligung aus, zumal das Unternehmen nicht darlegen konnte, dass kein Verstoß vorlag. Weil der abgelehnte Bewerber jedoch nicht beweisen konnte, dass er ohne die Altersbeschränkung die Position erhalten hätte, lehnte das Gericht den Schadensersatzanspruch ab und sprach ihm "lediglich" eine Entschädigung zu.

Das rät Ina Koplin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

Wer glaubt, bei einem Bewerbungsverfahren diskriminiert worden zu sein, sollte dokumentieren können, dass er das Stellenprofil am besten erfüllt - etwa weil er besser qualifiziert ist, mehr Erfahrungen vorweisen kann, bessere Referenzen hat oder auch zusätzliche wichtige Qualifikationen besitzt. Aber auch ein Bewerber, der diskriminiert worden ist, sonst jedoch ebensowenig eingestellt worden wäre (zum Beispiel aufgrund schlechter Qualifikationen), kann eine Entschädigung von bis zu drei Monatsgehältern verlangen.

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