In Kooperation mit

Job & Karriere

Fotostrecke

Bombenentschärfer: Bloß keinen Fehler machen

Foto: Boris Roessler/ dpa

Beruf Bombenentschärfer "Und dann schraube ich den Zünder raus"

Peter Waffler ist Bombenentschärfer - und hat trotz 40 Berufsjahren Respekt vor jedem Zünder. Um Laien seine Arbeit zu erklären, greift er zur Limonadenflasche.

Es ist eine der größten Entschärfungsaktionen in der Geschichte der Bundesrepublik: In Frankfurt wird eine 1,8 Tonnen schwere Luftmine unschädlich gemacht, 60.000 Anwohner müssen vorher ihren Stadtteil verlassen. Im kleineren Maßstab ist das Alltag: Den Kampfmittelbeseitigern geht die Arbeit nicht aus, täglich wird irgendwo in Deutschland ein verdächtiges Metallobjekt gefunden. Hier berichtet ein Bombenentschärfer von seinem Beruf.

Zur Person
Foto: EMC Kampfmittelbeseitigung

Peter Waffler, 61, ist leitender Feuerwerker bei der Kampfmittelbeseitigungsfirma EMC. Sie hat ihren Sitz in Langenpreising, in der Nähe des Münchener Flughafens.

"Wenn ich von meinem Beruf als Bombenentschärfer erzähle, fragt ab und zu jemand im Scherz, ob er den roten oder den blauen Draht zuerst durchschneiden soll. Sie wissen schon: Wenn in Hollywoodfilmen eine Zeitbombe tickt, gibt es einen Draht, mit dem man den Zeitzünder stoppt, und einen, mit dem es sofort rummst.

Dazu kann ich aber gar nichts sagen. Wir räumen ausschließlich Kampfmittel, die vom Zweiten Weltkrieg übrig sind. Das sind meist Bomben, Granaten, Luftminen. Die haben solche Drähte nicht. Theoretisch kann es so etwas bei terroristischen Sprengsätzen geben. Aber da rücken nicht wir an, sondern das Bundeskriminalamt.

Meine tägliche Arbeit dreht sich sehr oft um Baugrundstücke. Entweder es stößt jemand bei Bauarbeiten auf eine alte Weltkriegsgranate. Oder ein Gelände soll vor dem Bau auf Kampfmittel überprüft werden. Das kommt häufiger vor, als viele glauben. Allein unsere Firma mit 30 Mitarbeitern ist fast täglich im Einsatz - und den meisten Mitbewerbern geht es auch so. Allerdings werden wir nicht jeden Tag fündig.

Die gefährlichste Phase einer Bombenentschärfung ist eigentlich, wenn man ein verdächtiges Objekt entdeckt, aber noch nicht freigelegt hat. Schlägt unser Metalldetektor an, und zwar mit Werten, die auch zu einer Bombe oder Granate passen könnten, dann müssen wir graben.

Fotostrecke

Bombenentschärfer: Bloß keinen Fehler machen

Foto: Boris Roessler/ dpa

Zu diesem Zeitpunkt wissen wir aber noch nicht, mit was für einem Exemplar wir es zu tun haben: Welche Art von Zünder hat es? Ist es so alt, dass der Sprengstoff besonders instabil sein kann - und damit empfindlich? Erst wenn wir das Objekt offen vor uns haben, wissen wir, wie vorsichtig wir bei den folgenden Schritten sein müssen. Manche Stücke können wir unbesorgt anfassen und zum Abtransport einpacken, bei anderen muss erst der Zünder entfernt werden.

Klar, die Arbeit am Zünder ist auch gefährlich. Letztlich wissen wir nie genau, wie es nach so vielen Jahrzehnten im Inneren des Objekts aussieht - ein bisschen Glück gehört zu dem Job also dazu.

Mindestens ebenso wichtig ist eine ruhige Hand. Normalerweise entferne ich den Zünder, indem ich ihn aus der Bombe rausschraube. Was das bedeutet, kann man Laien schwer erklären. Vielleicht so: Stellen Sie sich vor, Sie haben eine halbgefüllte Limonadenflasche, die waagerecht in der Erde liegt. Ihre Aufgabe besteht nun darin, den Deckel abzuschrauben, ohne dass ein Tropfen Limo danebengeht. Sie werden Geduld und viel Fingerspitzengefühl brauchen.

Wenn wir in Wohngebieten anrücken, besteht der größte Aufwand oft darin, die Umgebung zu sichern und teils zu evakuieren. Da bin ich froh, dass ich mich nicht auch darum kümmern muss. Wobei ich noch nicht so einen großen Auftrag hatte wie jetzt die Entschärfung in Frankfurt. Bevor die Kollegen des hessischen Räumdienstes dort loslegen können, werden Zigtausend Menschen evakuiert.

Oft die ganze Woche weg - das ist schlimmer als die Gefahr

Der größte Auftrag, an dem ich mitgearbeitet habe, war das Grundstück in Günzburg, auf dem heute das Lego-Land steht - auch ein riesiges Areal. Allerdings ist das ein ehemaliges Militärgelände, das war schon abgesperrt.

Viel Zeit verwenden wir mit der Einschätzung, was alles im Ernstfall Schaden nehmen könnte und wie wir diesen Ernstfall tunlichst vermeiden. Da spielt das Erdreich eine Rolle, die Art der Bebauung drumherum. Und wir müssen uns absichern, dass nicht wenige Meter weiter vielleicht der nächste Sprengsatz liegt. Wir sind immer mindestens zu zweit auf der Baustelle. Es ist wichtig, sich abzusprechen, eine zweite Meinung einzuholen.

Erfahrung ist ein großer Vorteil. Ich arbeite seit rund 30 Jahren als Kampfmittelräumer in der Privatwirtschaft. Bei uns in Bayern und auch in Thüringen vergeben die Behörden Räumaufträge an Privatunternehmen, die übrigen Länder haben eigene staatliche Räumdienste. Davor war ich Feuerwerker bei der Bundeswehr, so nennt man die Munitionsfachkundigen. Wie sehr viele Kollegen habe ich den Job als Zeitsoldat gelernt. Die ersten Gelände, bei deren Räumung ich mitgearbeitet habe, waren Truppenübungsplätze.

Diese Arbeit macht mir nach all den Jahren immer noch Spaß. Doch ein Nachteil ist, dass man viel unterwegs ist, oft die ganze Woche. Das finde ich manchmal belastender als die möglichen Gefahren des Berufs. Darüber sprechen wir zu Hause nicht allzu viel, es ist ja auch noch nie etwas Ernstes passiert. Inzwischen mache ich aber mehr Büroarbeit als früher."

Mehr lesen über

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten