
Tipps vom Karrierecoach Hilfe, mein Job ist so langweilig


Laaaaangweile kann schlimmer sein als Stress.
Foto: Malte Mueller / fStop / Getty ImagesBernd Slaghuis ist Karrierecoach und hat seit 2011 in seinem Kölner Büro mehr als tausend Angestellte und Führungskräfte bei ihren nächsten Schritten im Beruf begleitet. Er betreibt den Karriere-Blog »Perspektivwechsel« und ist Autor des Buchs »Besser arbeiten«. Haben Sie eine Frage an den Coach? Dann schreiben Sie eine E-Mail an karriere.leserpost@spiegel.de – Stichwort Bernd Slaghuis
Peter, 45, fragt: »Ich arbeite für einen internationalen Konzern und betreue aus dem Homeoffice heraus drei unserer Großkunden im deutschen Markt. Die Aufgabe selbst macht mir Freude und meine Chefin ist sehr zufrieden mit den Umsätzen, doch 80 Prozent meiner Arbeitszeit habe ich nichts zu tun. Ich langweile mich seit Jahren und habe das Gefühl, fachlich zu verblöden. Ich hätte mir längst etwas Neues gesucht, doch ich weiß, dass ich dieses Gehalt nirgendwo anders verdienen werde. Mein Umfeld meint, ich solle froh sein, doch ich fühle mich zunehmend schwach und wertlos. Was kann ich dagegen tun?«
Lieber Peter,
dass sich Arbeitnehmer in ihren Jobs chronisch langweilen, kommt häufiger vor, als viele denken. Dabei ist Unterforderung im Beruf für Betroffene mindestens genauso belastend wie eine ständige Überforderung. Langeweile im Job wird oft noch als Luxusproblem belächelt und in unserer Arbeitswelt noch zu wenig als gesundheitsgefährdend erkannt, anders als etwa Burn-out. Es ist gut und wichtig, dass Sie Ihre Situation ernst nehmen und etwas verändern möchten.
Langeweile im Beruf kann unterschiedliche Ursachen haben: Dauerhaft zu wenig Arbeit, ein hoher Grad an Monotonie und Routinetätigkeit, intellektuelle Unterforderung oder auch eine als extrem sinnlos empfundene Tätigkeit. In Ihrem Fall leistet sich Ihr Arbeitgeber Sie zur Betreuung weniger wichtiger Kunden in Deutschland – womöglich sogar wissend, dass es keine Aufgabe ist, die Sie Vollzeit auslastet. In anderen Fällen bunkern Chefs Aufgaben und delegieren zu wenig oder halten an Planstellen fest, obwohl deren Inhalte längst entfallen sind. Es geht nicht um den einen langweiligen Tag ab und zu, sondern um einen Zustand der Unterforderung über einen langen Zeitraum.
Chronische Langweile im Job macht krank
Für Außenstehende ist es oft unverständlich, wie sich Langeweile im Beruf anfühlt und welchen Einfluss sie auf die Psyche eines Menschen hat. Vielleicht kennen Sie diese Verhaltensweisen auch von sich: Es beginnt häufig mit Täuschung und Selbstbetrug. Die Betroffenen spielen ihrer Führungskraft und den Kollegen vor, dass sie viel zu tun haben. Zu groß ist die Angst, aufzufliegen und den Job zu verlieren. Hinzu kommt mit der Zeit das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden und das Ergebnis der eigenen Arbeit nicht zu spüren. Viele verlieren so das Bewusstsein dafür, was ihre Stärken ausmacht und was sie alles bereits geschafft haben. Das schwindende Selbstvertrauen führt in eine Haltung der Zukunftsangst und hilflosen Passivität, die eine Veränderung umso schwerer macht.
Wie auch in Ihrem Fall wird die Situation umso belastender empfunden, je höher das Gehalt ist. Sie wissen, dass Sie überproportional gut in Ihrer Position verdienen und bei einem Jobwechsel womöglich Abstriche machen müssen. Zudem ist der Druck aus Ihrem Umfeld hoch, denn schließlich scheinen Sie mit wenig Arbeit viel zu verdienen. Es kostet zusätzliche Kraft, der Familie, den Freunden oder Kollegen klarzumachen, wie belastend Ihr Job trotzdem für Sie ist. Wer viele Überstunden leistet oder einen für alle offensichtlich stressigen Job hat, erfährt mehr Verständnis und Unterstützung als jemand, der über Langeweile bei hohem Gehalt klagt.
Zeit für Veränderung nutzen
Es ist wichtig, dass Sie aus der Sie immer weiter schwächenden Unterforderungsspirale herausfinden, auch wenn Sie oberflächlich in ihrem Job erfolgreich sind. Ich beobachte im Karriere-Coaching, dass sich fast alle chronisch in ihren Jobs Gelangweilten irgendwann entscheiden, ihren Arbeitgeber zu verlassen und extern nach einem passenderen Arbeitsumfeld suchen.
Da Ihnen die vergangenen Monate vermutlich viel Kraft geraubt haben, besinnen Sie sich zuerst wieder auf das, was Ihnen als Mensch neue Energie gibt. Vielleicht sind es auch private Aktivitäten, die Sie nach Feierabend wiederbeleben können. Richten Sie Ihren Blick nicht länger in die Vergangenheit und fragen nicht nach dem Warum, sondern fokussieren Sie sich neugierig auf die Zukunft.
Betrachten Sie Ihren Lebenslauf und erkennen Sie, was Ihre Berufserfahrung mit 45 Jahren wertvoll gemacht hat. Werden Sie sich Ihrer persönlichen Werte und Stärken neu bewusst und überlegen Sie, was ein für Sie guter nächster Schritt im Beruf sein kann. Wie viel Herausforderung und Abwechslung tut Ihnen gut, für welche Branchen oder Produkte schlägt Ihr Herz und in welchem Umfeld können und dürfen Sie sich weiterentwickeln? Nehmen Sie sich die Zeit für diesen spannenden Weg der Veränderung. Sie haben sie.