In Kooperation mit

Job & Karriere

Fotostrecke

Boxen für Anzugträger: Immer mitten ins Gesicht

Foto: Malte Christians/ dpa

Boxen für Büromenschen Schlagt Euch!

Wenn Anzugträger streiten, schreien sie sich an, knallen Türen, fuchteln mit Telefonhörern. Die Mitglieder des White Collar Boxclubs schlagen nach Feierabend lieber dem Kollegen die Faust ins Gesicht. Das befreit und baut Stress ab. Ein blaues Auge soll aber niemand bekommen.

Peter Leuten, 50, schlägt seine rechte Faust mitten ins Gesicht von Danny Pirnak, 26. Der junge Marketingmann tänzelt hin und her, weicht dem nächsten Schlag aus, dann landet er selbst einen Treffer - im Gesicht des Journalisten. "Es hat zu Anfang schon Überwindung gekostet, dem anderen mutwillig ins Gesicht zu schlagen", sagt Pirnak. "Aber man gewöhnt sich dran."

Pirnak und Leuten trainieren im White Collar Boxing Club (WCBC) in Hamburg, einem Boxclub für Manager und Geschäftsleute. Hier boxen Banker und Lehrer gegen Polizisten oder Krankenschwestern - oder eben Marketingmenschen gegen Journalisten. "Die Leute haben alle einen ordentlichen Background", sagt Pirnak. "Hier werden keine Kiezschläger ausgebildet. Wir sehen Boxen als Spaß und nicht als Revierkampf."

Im WCBC boxen rund 50 Männer und Frauen regelmäßig. Die meisten von ihnen sind zwischen 30 und 50 Jahren alt. Seinen Namen hat der Club von den Anzugträgern in den USA, die White Collar genannt werden - auf deutsch "weißer Kragen". Angeblich traten in New York Ende der achtziger Jahre zwei Geschäftsführer in den Ring, weil sie ihre Konflikte nicht mehr verbal lösen konnten - und so entstand das Konzept des Manager-Boxens.

Fotostrecke

Teambuilding-Seminare: Die tun nix, die wollen nur spielen

Foto: Udo Geisler/ Domset Live-Kommunikation

"Mit der Führhand zweimal andeuten", ruft Boxtrainer und Club-Inhaber Tim Albrecht, mit der rechten Hand deutet er einen Schlag an. "Unten, oben, oben, unten, gerade!" Leuten und Pirnak trippeln vor und zurück. "Nicht stehen bleiben, nicht stehen bleiben", ruft Albrecht.

Der 37-Jährige führt den Club seit einigen Jahren allein und hat sich damit einen Traum erfüllt. Er boxt selbst seit vielen Jahren. Seine Schützlinge können seiner Meinung nach hier auch für ihr Berufsleben lernen: "Beim Boxen braucht man Mut, man muss Entscheidungen treffen, manchmal auch aus dem Bauch heraus. Das ist auch im Büro so."

Auch Sportpsychologe Tae Jin Kim sieht einige Parallelen zwischen der Berufswelt und dem Boxring: "Risikobereit sein, strategisch denken, aus Fehlern lernen, diszipliniert und flexibel sein, immer einen Schritt voraus denken." Das Training könne Managern auch in ihrem Beruf helfen.

"Es ist ein guter Ausgleich zum Alltag", sagt Danny Pirnak. Er trainiert seit mehr als drei Jahren im WCBC. "Ich wollte einen Sport haben, wo ich einen Gegner habe, ich brauche den Zweikampf", sagt er. Im Sparring habe er gelernt, mit Stress umzugehen. "Wenn ich mich körperlich verausgabe, fühle ich mich danach relaxter und ausgeglichener", bestätigt Psychologe Kim.

Ein blaues Auge können sich viele nicht leisten

Das Image des Boxsports in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren verändert. "Früher war der Sport sehr geprägt von der Kiezkultur. Es war der Sport der Arbeiterklasse und von Zuhältern", sagt Kim. Mittlerweile gibt es etliche Vereine für Managerboxen. Boxer wie die Brüder Klitschko oder Henry Maske hätten die Vorurteile gegenüber dem Sport entkräftet, meint WCBC-Gründer Albrecht.

Die Hälfte des Trainings ist vorbei, die Männer sind außer Atem. "Man powert sich aus und kann den ganzen Stress vom Tag abladen", sagt Albrecht. "Die Leute können Aggressionen abbauen, den Grenzbereich überschreiten." Nochmal die Trinkflasche ansetzen, dann geht es weiter.

Wettkämpfe stehen im WCBC nicht im Vordergrund. Einmal die Woche ist Sparring, also der Kampf Mann gegen Mann - mit Boxhandschuhen und Gesichtsschutz. "Ich habe erst zweimal eine blutige Nase gehabt und noch nie ein blaues Auge", sagt Pirnak. Viele Mitglieder im Club könnten sich das auch gar nicht erlauben, sie arbeiten im Außendienst oder haben in ihrem Job jeden Tag Kundenkontakt. Ausschließen könne man aber nichts, sagt Leuter: "Ich habe zweimal nahezu einen KO-Schlag erlebt. Eine blutende Nase kommt schon mal vor."

Miriam Schmidt/dpa/vet
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten