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Job & Karriere

Branchenreport Bankenland ist abgebrannt

Zehntausende Jobs verschlang die Finanzkrise, ganze Geschäftsfelder kollabierten - und aus Bankern wurden Buhmänner. Im Umbruch der Branche liegt für BWLer und andere junge Akademiker auch eine Chance: Mit der richtigen Spezialisierung haben Einsteiger gute Aussichten.

Dieser Name! Erste Abwicklungsanstalt! Wer sich das ausgedacht hat, muss bescheiden bis zur Selbstaufgabe sein. Von hinten aufgerollt wird das ganze Elend offenbar. "Anstalt": Das ist Behördenmief, Langeweile zwischen Wiedervorlagemappe und Stempelkarussell. "Abwicklung": Das ist Vergangenheitsbewältigung, Arbeit mit Verfallsdatum. Dann noch "Erste": als ob es eine Auszeichnung wäre, die Herde zur Schlachtbank anzuführen.

Dabei sieht die Erste Abwicklungsanstalt (EAA) so proper aus. Grauer Stein, Glas und Stahl sorgen für moderne Bürohausoptik am Düsseldorfer Kirchplatz. Innen ist es hell und geräumig, an den Wänden hängt moderne Kunst, in einem Lichthof gurgeln Wasserspiele. Hier bewegt Charles Cueni, 30, einige Milliarden Euro. Seit August 2011 ist er im Strategischen Projekt- und Beteiligungsmanagement tätig, ein Job, den es in vielen Banken gibt. Nur arbeitet er umgekehrt: Cueni baut keine Projekte oder Beteiligungen auf, sondern ab. Die EAA verwertet Vermögensgegenstände und Risikopositionen der in der Finanzkrise gekenterten WestLB.

Als 2007 Häuslebauer in den USA wegen steigender Zinsen ihre Hypotheken nicht mehr bedienen konnten, platzte eine gewaltige Spekulationsblase. Banken in aller Welt machten Verluste, weil sie minderwertige ("Subprime") Kreditforderungen abschreiben mussten. Die Investmentbank Lehman Brothers implodierte im September 2008, in Europa konnten nur Staatshilfen unter anderem die Schweizer Großbank UBS und die Commerzbank retten.

Und das Image der Banken? Totalschaden. Nur noch 29 Prozent der Deutschen vertrauen ihnen, wie eine im Februar veröffentlichte Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung ergab. Wer sich heute als Bankangestellter zu erkennen gibt, ist wahrscheinlich dort Hausmeister oder schält in der Kantine Kartoffeln.

Was heißt schon "bad"?

Aber mittlerweile geht es der Branche wieder besser. Der jährliche Bankenbericht von McKinsey zeigt, dass die globale Ertragslage das Spitzenniveau von 2007 erreicht hat. Die Eigenkapitalausstattung ist so gut wie nie; Banken besitzen also mehr eigenes Geld, was sie stabiler macht. Internationaler Währungsfonds, EU-Kommission und nationale Regierungen verschärfen die Finanzaufsicht. In Deutschland wird ein Gesetz vorbereitet, das große Kreditinstitute zwingen soll, bei Schwierigkeiten Risikogeschäfte auszulagern und Notfallpläne zu erarbeiten. Unter dem Eindruck der Krise denken die Banken um - und mit ihnen die Banker.

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Der Arbeitgeber von Charles Cueni ist ein Kind der Krise. Einerseits eine "Bad Bank", andererseits auch nicht, weil die EAA keine Banklizenz hat und die dazugehörige "Good Bank" seit dem 30. Juni 2012 nicht mehr existiert - die WestLB wurde in drei Teile zerschlagen. In seinen besten Tagen zählte der WestLB-Konzern fast 12.000 Mitarbeiter, davon sind 2600 in der Nachfolgeorganisation Portigon übrig, bald sollen es dort nur noch 1000 sein. Manche Angestellte haben richtig zu tun, andere nur eine halbe Stunde am Tag. Sie warten auf die Kündigung. Trostlos.

Die EAA ist einer der Trümmer der früheren Landesbank, die in ihrem riesigen Handelsraum schon viel Geld verbrannte, lange bevor die Finanzkrise begann. "Die Subprime-Kredite sind sicher das größte Problem, das wir von der WestLB geerbt haben", sagt Cueni, "aber nur ein geringer Teil unserer Vermögenswerte ist 'bad'. Vieles lässt sich relativ gut verkaufen."

Theoretisch hat die EAA mächtig was auf der hohen Kante: Nach ihrer Gründung Ende 2009 übernahm sie einen Anlagebestand, der einmal 77,5 Milliarden Euro wert gewesen war, 2012 folgten Papiere für 100 Milliarden Euro. Vom ersten Paket wurde bereits knapp die Hälfte verkauft. Cueni - halb Schweizer, halb Engländer - und seinen Kollegen fällt dabei eine wichtige Aufgabe zu: Sie schnüren die Pakete auf, schauen, was drin ist, setzen einen Preis fest und planen den Verkauf. Dafür haben sie bis 2027 Zeit, dann soll der Anlagebestand und mit ihm die EAA abgewickelt sein.

100.000 Jobs sind weg

Vom klassischen Banking, also Privatkundengeschäft und Unternehmensfinanzierung, ist Cueni so weit weg wie Josef Ackermann vom Sparschwein. Die rund 110 Beschäftigten der EAA sind Spezialisten mit mehrjähriger Erfahrung. Die hat auch Cueni im Gepäck, dazu eine schöne Bankerkarriere: Er hat BWL studiert an den Elitehochschulen St. Gallen in der Schweiz und St. Andrews in Schottland, 2006 bei KPMG in London angefangen, das britische Wirtschaftsprüferexamen abgelegt und sich auf Bankenrestrukturierung spezialisiert. Ein Projekt führte ihn zur EAA, er blieb. "Im Freundeskreis war der Wechsel ein wenig erklärungsbedürftig", räumt Cueni ein. "Aber für mich zählten die spannende Aufgabe und das Start-up-Gefühl."

Aufbruchstimmung im Abbruchunternehmen - das passt zu einer Branche, die sich neu orientiert und dabei nicht zimperlich mit ihren Mitarbeitern umspringt. "Wir beobachten zurzeit radikale Kostenstreichungen im Banking", sagt Georg Wübker, Chef der Fachgruppe Banken bei der Unternehmensberatung Simon, Kucher & Partners. "Die größten 30 Banken haben 2011 die Streichung von weltweit mehr als 160.000 Stellen angekündigt."

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Jüngstes Beispiel ist die Commerzbank, die bis zu 6000 Jobs abbauen will. Vor allem im Investmentbanking wird die Luft dünner, also dort, wo vor zehn Jahren in London, Tokio oder Frankfurt selbst Nachwuchskräfte mit ihren Jahresboni Champagnerpartys schmissen. In diesen zehn Jahren fielen mehr als 100.000 Stellen im Kreditgewerbe in Deutschland weg, rechnet Wübker vor. Rund 650.000 sind übrig geblieben. "Jobs gehen vor allem bei den privaten Banken verloren, während Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken relativ ungeschoren davonkommen. Diese Institute sind die Gewinner der Finanz- und Bankenkrise", so der Berater.

Mit dem Kostendruck steigt der Vertriebsdruck in den Filialen. Eine Kundenberaterin einer Großbank im Rheinland erzählt, ihr Vorgesetzter gebe jede Woche vor, wie viele Sparbriefe, Zertifikate, Lebensversicherungen oder Kredite die Mitarbeiter verkaufen müssen. Um Gebühren und Provisionen zu schinden, würden Kunden genötigt, laufend ihr Depot umzuschichten oder unnötige Versicherungen abzuschließen.

Links und rechts der Großbanken zu schauen, lohnt sich

Dass der Staat den Banken schärfer auf die Finger schaut, erschwert die Arbeit zusätzlich. "Durch die vielen Regulierungsvorschriften werden Mitarbeiter von ihrem Tagesgeschäft abgelenkt", sagt Ulrich Meyer, der bei Steria Mummert Consulting den Geschäftsbereich Finanzdienstleistungen leitet. "Gleichzeitig wird die Innovationsentwicklung der Banken gehemmt."

Die gute Nachricht für Hochschulabsolventen: Einen Arbeitsplatz können sie trotz Stellenschwund finden. "Rund die Hälfte der Jobs in der Bankenbranche wird regelmäßig für Akademiker ausgeschrieben. Das wird sich in Zukunft noch verstärken", so Meyer.

In der Banksteuerung bieten Risikomanagement, Controlling, Rechnungswesen, strategischer Vertrieb und IT großes Potential. Wichtig ist es, sich schon im Studium zu spezialisieren. "Außerdem reanimieren viele Geschäftsbanken jetzt das lange Zeit vernachlässigte Geschäft mit Privat- und Firmenkunden", beobachtet Alfred Burkhart, Personalmanager beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Vor allem von vermögenden Privatkunden, die im Private Banking gehegt und gepflegt werden, verspricht sich die Branche hohe Erträge.

"Das Schöne am Bankgeschäft in Deutschland ist seine große Vielfalt und Breite", sagt Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Uni Hohenheim. "Man kann daher genau nach der Tätigkeit und dem Institut suchen, die den eigenen Vorstellungen am meisten entgegenkommen." Es lohne sich, links und rechts der Großbanken zu schauen, etwa bei regionalen Instituten, die unverändert hohen Personalbedarf hätten.

Schöne neue Finanzwelt

Flexibel zu bleiben, empfehlen Experten unisono. "Absolventen sollten vielleicht auch die Seiten wechseln und sich nach Berufschancen bei der Bankenaufsicht oder Kunden der Banken erkundigen, etwa bei Industrieunternehmen", sagt Professor Stefan Stein von der BiTS-Hochschule in Iserlohn.

Alexander Kwast, 26, kann sich einen Seitenwechsel durchaus vorstellen. Neben seiner Arbeit bei der Deutschen Bank studiert er Gesundheits- und Sozialmanagement: "Man weiß nie, was die Zukunft bringt. Ein zweites Standbein ist sinnvoll." Dabei hat er die Zukunft vor der Nase.

Umfrage bei Banken

Vorsicht bei Einstellungen, auf Sicht fahren - Deutschlands Banken planen zurückhaltend für die Zukunft. Das zeigt eine SPIEGEL-JOB-Befragung zu den Perspektiven für junge Akademiker bei 19 großen deutschen Banken.

Seine Filiale "Q110" in der Berliner Friedrichstraße versteht sich als "Deutsche Bank der Zukunft", ein Labor, in dem Kunden staunen und ausprobieren sollen. Es gibt eine "Lounge" mit Bücherregal, Sesseln und Bedienung am Tisch. Eine Frau löffelt Ingwer-Möhren-Orangen-Suppe, ein Pärchen stößt mit dem alkoholfreien Cocktail "Shake the Bank" an. Im "Trendshop" schwankt ein junger Mann, der ein Mitbringsel sucht, zwischen dem Parkscheinhalter Angelo und einer bedruckten Tasse. Seine fünfjährige Tochter wird derweil in der "Kids' Corner" zur Wildkatze geschminkt.

Für "Oh!" und "Ah!" zu sorgen, das ist die Mission der Show-Filiale. Normale Bankgeschäfte kann man hier auch erledigen. Kunde und Berater schnippen sich dann auf einem interaktiven Bildschirm Infos und Formulare zu. Bankkaufmann Kwast gehört seit fünf Jahren zum 30-köpfigen Team, seit 2012 ist er Assistent der Filialdirektion. Er wählt Partnerunternehmen für den Trendshop aus und organisiert Veranstaltungen: Vorträge, Lesungen, Konzerte. Anlässlich der Fashion Week hat er zu einer Modenschau eingeladen. "Was wir hier machen, wird zum Teil auch andernorts umgesetzt", sagt Kwast. "Wir wollen Trends aufspüren. Zum Beispiel gibt es heute in allen Deutsche-Bank-Filialen eine kleine Kunden-Lounge mit Kaffeeangebot."

Nach alter Kaufmannsart

Wer den Dreißigjährigen Krieg, die Französische Revolution und zwei Weltkriege überlebt hat, geht die Zukunft gelassen an. Bei der Berenberg Bank in Hamburg hat Christian Drewes einen ausladenderen Begriff von Zeit. "Wir sichern Unternehmervermögen über Generationen", sagt der 34-Jährige, der im sogenannten Unternehmer-Office "Rundum-sorglos-Pakete" für die Patriarchen der Wirtschaft und ihre Erben schnürt, inklusive Nachfolgeplanung, Immobilienberatung und Gesellschafterfinanzierung. Die Berenberg Bank, 1590 gegründet, ist die älteste Privatbank in Deutschland und zum Teil noch im Besitz der Gründerfamilie. Sie arbeitet nach alter Kaufmannsart.

"Das ist die moderne Form des klassischen Privatbankiers", erklärt Christian Drewes. "Berenberg ermöglichte Hamburger Kaufleuten den Bau von Schiffen, um Handel mit China und der Neuen Welt zu treiben. Und Berenberg half denselben Kaufleuten, die Aussteuer ihrer Töchter zu finanzieren." Die eindrucksvolle Historie bedeute nicht, "dass hier der Staub in den Teppichen hängt", versichert der Diplom-Kaufmann. "Von Geschichte allein kann man sich nichts kaufen."

Deshalb mischt die Berenberg Bank auch im Investmentbanking mit. Im Jahr 2012 war sie die Nummer drei bei Börsengängen im deutschsprachigen Raum, meldete "das viertbeste Ergebnis in der 423-jährigen Geschichte der Bank" und versprach, noch viele gute Jahre dranzuhängen.

Während Christian Drewes hanseatische Traditionen pflegt und Deutschbanker Alexander Kwast die Finanzwelt von morgen erkundet, kehrt Charles Cueni bei der Düsseldorfer EAA die Scherben von gestern zusammen. Es ist kein Job für immer, das wusste er ja schon bei der Bewerbung. "Ich verstehe mich als Restrukturierungsmanager, hier kann ich mehr Erfahrung als anderswo sammeln", sagt Cueni. Branchenwechsel nicht ausgeschlossen: "Schließlich wird Restrukturierungswissen auch in anderen Industrien gebraucht."

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