

Sie verwelken, weil sie nie gegossen werden, schimmeln, weil der letzte Kaffeerest in ihre Erde gekippt wurde, ihre Blätter fallen ab, weil sie kaum Tageslicht sehen - Büropflanzen haben es oft schwer. Der Fotograf und Medienkünstler Frederik Busch stellt sie ins Rampenlicht, Hunderte von ihnen hat er bereits abgelichtet.
Seit neun Jahren fotografiert Busch die Gewächse in Agenturen, Arztpraxen, Kanzleien und anderen Büroräumen. Mal auf dem Boden, einer Mauer oder vor dem Fenster stehen Efeu, Kakteen und Palmen. Busch beschönigt nicht, er verrückt die Pflanzen um maximal 50 Zentimeter.
Botanische Bezeichnungen sind keine zu finden. Stattdessen gibt Busch ihnen Namen. Er beschreibt die Geschichte der Gewächse und macht aus ihnen richtige Persönlichkeiten: "Ich halte inne und überlege: Wenn diese Pflanze ein Mensch wäre, welche Stimmung hätte sie, wie würde es ihr gerade gehen?" Da ist Kaktus René mit einem Geheimnis, Strahlenaralie Julia, die Yoga praktiziert, oder Bananenstaude Helga, die Techno liebt. Busch sieht in ihnen fühlende, tragische und stolze Geschöpfe.
Seine Fotos erzählen nicht nur etwas über die Objekte selbst, sondern auch über die Menschen und die Räume, in denen sie tagtäglich arbeiten. "Die Leute sollen sich durch die Pflanzen selbst erkennen", sagt Busch.
Die Gewächse werden häufig als Gegenstände betrachtet, die keiner großen Pflege bedürfen: "Sie müssen funktionieren und wenn sie das nicht tun, werden sie weggeschmissen", sagt Busch. "Mir geht es darum, dass Menschen ihre Umgebung am Arbeitsplatz bewusster wahrnehmen und auch die Lebewesen, die es dort gibt. Wenn wir anfangen mit Pflanzen achtsamer umzugehen, dann ist allen geholfen."
Busch selbst hat seit seiner Kindheit eine große Verbindung zu Blumen und anderen Gewächsen, sieht sie als Lebewesen mit Bedürfnissen. In seinem Atelier hat der Künstler allerdings nur eine einzige Aloe Vera stehen: "Hauptsache, man kümmert sich um eine Pflanze richtig gut."
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Sie leben in Arztpraxen und Agenturen, zwischen Aktenstapeln und Bildschirmen und bringen etwas Grün in den Büroalltag. Seit 2009 lichtet der Fotograf und Medienkünstler Frederik Busch Pflanzen in deutschen Firmen ab - und will für die vernachlässigten Lebewesen sensibilisieren.
René hat ein Geheimnis.
Den Pflanzen gibt er Namen, weist ihnen Eigenschaften, Gefühle und Situationen des Arbeitsalltages zu. Durch die Kombination von Text und Bild werden die Gewächse zu tragisch-komischen Wesen. Die kurzen Sätze seien wie Tratsch im Büro, wenn sich Mitarbeiter über ihre Kollegen austauschen, sagt Busch.
Heinz teilt sein Glück gerne mit anderen.
Die Pflanzen werden durch die Texte zu Persönlichkeiten. Beim Schreiben fragt sich Busch: "Wenn diese Pflanze ein Mensch wäre, welche Stimmung hätte sie, wie würde es ihr gerade gehen?"
Renate macht das Beste daraus.
Der Künstler beobachtet, wie Pflanze und Umgebung sich miteinander arrangieren. Er greift für seine Fotos nur geringfügig ein und verschiebt die Blumentöpfe maximal um 50 Zentimeter.
Udo kommt bald in die Grundschule.
Während seines Studiums arbeitete Busch als Werbefotograf für mehrere Unternehmen. Meist gab es dort Pflanzen und häufig wurden sie nicht gut gepflegt. In seinen Pausen fing er an, sie zu porträtieren.
Sören will mehr als nur einen Job.
Ob im Fitnessstudio, beim Steuerberater oder in der Kanzlei - in welchem Büro die Pflanzen stehen, ist für Busch unerheblich: "Die Zustände sind sowieso überall fast gleich."
Helga mag Techno.
Den Künstler interessiert, wie sich Pflanzen mit den Umständen, in denen sie leben müssen, arrangieren.
Siegfried schämt sich.
Büropflanzen werden oft nur als Dinge statt als Lebewesen betrachtet. Das höchste der Fürsorge ist, dass ihnen täglich ein bisschen Wasser gegeben wird, ansonsten erhalten sie nicht viel Beachtung.
Otto ist immer kompromissbereit.
Manche der Pflanzen müssen sich verbiegen, um an ein wenig Sonnenlicht zu gelangen.
Julia macht jetzt Yoga.
Viele der Pflanzen werden einfach im Plastiktopf gelassen, der mit der Zeit viel zu klein wird.
Anna kann schon lesen.
Büropflanzen sollen möglichst robust sein, pflegeleicht und schädlingsresistent.
Irene hat sich überschätzt.
Manche der Pflanzen werden vollkommen vergessen und vegetieren vor sich hin. Sie sind leicht austauschbar, eine neue ist schnell gekauft.
Melanie ist sich ihrer Vorbildfunktion durchaus bewusst.
"Pflanzen müssen funktionieren und wenn sie das nicht tun, werden sie weggeschmissen", sagt Busch.
Für Ole, Bea und Leo wurden klare Zielvereinbarungen definiert.
Pflanzen im Arbeitsraum sind nicht nur eine schöne Dekoration: Eine Studie der Cardiff University's School of Psychology aus dem Jahr 2014 stellt fest, dass Kakteen und Co. die Mitarbeiter zufriedener machen und sie infolgedessen um bis zu 15 Prozent mehr Leistung bringen.
Dagmar mag kein Fernsehen.
Die Fotos erzählen auch etwas über die Menschen und die Räume, in denen sie tagtäglich arbeiten. Sie zeigen die Ödnis des Büroalltags.
Paul ist traurig.
Busch wünscht sich, dass die Menschen ihre Umgebung und auch den Lebewesen bewusster wahrnehmen: "Wenn wir anfangen mit Pflanzen achtsamer umzugehen, dann ist allen geholfen."
Ingrid gibt nicht auf.
Er selbst sieht Pflanzen als Lebewesen und nicht als Gegenstände an. Bereits seit seiner Kindheit ist der Fotograf und Medienkünstlers von ihnen umgeben. Seine Mutter hatte Pharmazie und Botanik studiert und brachte ihm die Namen der Gewächse bei.
Albert macht seit einem Jahr Krafttraining.
2018 erscheint ein Buch zur Fotoserie. Hier präsentiert Busch insgesamt 50 Pflanzen aus Büros.