Gerichtsentscheidung Arbeitnehmer müssen weiterhin Überstunden beweisen

Auch nach Feierabend im Dienst: Beschäftigte in den Frankfurter Bankentürmen (Archivbild)
Foto: Frank Rumpenhorst / picture alliance/dpaBei Streit um die Bezahlung von Überstunden müssen Arbeitnehmer weiterhin nachweisen, dass sie notwendig, angeordnet oder zumindest vom Arbeitgeber geduldet waren, entschieden die Bundesarbeitsrichter in Erfurt (Aktenzeichen: 5 AZR 359/21 ).
»Überstunden geltend zu machen, ist für Arbeitnehmer in der Praxis mit hohen Anforderungen verbunden«, sagt Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Hamburg.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) (Aktenzeichen: C-55/18 ) hatte am 14. Mai 2019 entschieden, dass die EU-Mitgliedstaaten Gesetze einführen müssen, die die geleistete Arbeitszeit dokumentieren. Viele Kritiker und Experten sahen in dem Urteil damals das Ende der Vertrauensarbeitszeit . Der Gesetzgeber ist hierzulande bislang nicht tätig geworden. Daher mussten nun die Gerichte entscheiden.
Zahlung von 429 Überstunden
Im konkreten Fall stritten Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Zahlung von Überstunden. Der Arbeitnehmer hatte bis September 2019 als Auslieferungsfahrer bei der Beklagten gearbeitet, die ein Einzelhandelsunternehmen betreibt. Er verlangte danach eine Überstundenvergütung von 6400 Euro für den Zeitraum zwischen Januar 2016 bis Juli 2018 (insgesamt 429 Überstunden). Dazu verwies er auf technische Zeitaufzeichnungen des Betriebs. Unklar ist hier, ob die Aufzeichnungen zur Erfassung der Mehrarbeit dienen sollten, die vergütet werden soll. Der Kläger behauptet, die gesamte Zeit gearbeitet zu haben. Pausen habe er nicht gemacht.
In erster Instanz hatte das Arbeitsgericht Emden entschieden, dass eine Verletzung der Vorgaben des EuGH wegen einer Nicht-Schaffung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung durch den Arbeitgeber für ihn nachteilig zu werten ist. Sprich: Der Arbeitgeber muss darlegen, dass die Stunden nicht geleistet worden sind. Vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen bekam das Unternehmen recht – der Mitarbeitende habe seine Überstunden zu beweisen.
EuGH-Urteil ziele auf Arbeitsschutz, nicht auf Vergütung
Dieser Entscheidung schlossen sich die Richter des Bundesarbeitsgerichts nun an. Die Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts, die bei Überstundenprozessen anzulegen seien, würden durch das auf Arbeitsschutz und nicht auf Vergütung zielende Urteil des EuGH nicht verändert, erklärten die Bundesarbeitsrichter.
»Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nimmt dem Gesetzgeber jetzt erst mal ein wenig Druck«, sagt Arbeitsrechtler Fuhlrott. Das Vakuum, die EuGH-Entscheidung aus 2019 umzusetzen, bleibt also bestehen.
Mit Material von dpa.