Heimliche Videos Bundesarbeitsgericht erschwert Mitarbeiter-Überwachung

Detektiveinsatz: Nur bei konkretem Verdacht zulässig
Foto: Jan-Peter_Kasper/ picture-alliance / dpaDas Bundesarbeitsgericht hat der Überwachung von Mitarbeitern durch Detektive enge Grenzen gesetzt. Nur wenn ein Verdacht auf Tatsachen beruht und konkret ist, dürfen Arbeitgeber Detektive zur Kontrolle von Beschäftigten einsetzen, urteilten die Richter am Donnerstag in Erfurt.
In Frage kommen Pflichtverletzungen wie das Vortäuschen einer Krankheit oder Diebstähle, erläuterte ein Gerichtssprecher die Entscheidung. Stellt sich die Überwachung eines Arbeitnehmers als unzulässig heraus, haben observierte Mitarbeiter Anspruch auf Schmerzensgeld.
Das Urteil ist von großer Bedeutung, erklärt Monika Birnbaum, Leiterin der Arbeitsrechtsabteilung der Kanzlei FPS: "In dieser Deutlichkeit waren die Voraussetzungen für einen Detektiveinsatz bisher nicht geregelt." Ein Arbeitgeber könne nicht einfach aus einem Bauchgefühl heraus den Ermittler bestellen. "Die Zahl der Observationen wird nach diesem Urteil deutlich zurückgehen", sagt sie. Klar war schon bisher, dass dieser Eingriff in die Persönlichkeitsrechte gut begründet sein muss.
Anlass für das Urteil war ein Fall, wie er jederzeit in jeder Firma in Deutschland stattfinden könnte: Eine Münsteraner Sekretärin, 50, ist gerade sieben Monate im Betrieb, da kommt es zum Streit mit ihrem Chef. Er kritisiert, dass sie ihm Unterlagen nicht schnell genug vorlegt. Sie verteidigt sich, doch der Konflikt schwelt.
Forderung nach 10.500 Euro Schmerzensgeld
15 Tage später meldet sich die Mitarbeiterin plötzlich krank und erscheint dann über zwei Monate nicht zum Dienst. Weil der Vorgesetzte vermutet, dass seine Sekretärin nicht krank ist, sondern nur krankfeiert, engagiert er einen Detektiv, der sie filmt.
Die Richter entschieden nun, dass die Überwachung rechtswidrig war, weil sie nur auf Vermutungen fußte. Die Videoaufnahmen waren damit erst recht nicht rechtens, daher stand der Frau Schmerzensgeld zu.
Allerdings nicht so viel, wie sie gefordert hatte, nämlich 10.500 Euro; das entspricht drei ihrer monatlichen Bruttogehälter. Das Landesarbeitsgericht Hamm als Vorinstanz hatte ihr lediglich 1000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Das Bundesarbeitsgericht hielt diese Summe ebenfalls für angemessen, wenn auch am unteren Rand des Ermessensspielraums (Aktenzeichen 8 AZR 1007/13).
Die Ausspionierte, die inzwischen nicht mehr in dem Betrieb arbeitet, hatte diese hohe Summe gefordert, weil sie die heimlichen Filmaufnahmen als schwerwiegenden Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht ansieht. Sie habe sich in psychische Behandlung begeben müssen, weil sie ständig Angst hatte, beobachtet zu werden.
Was waren die Anhaltspunkte, die den Chef zum Detektiv trieben? Die erste Krankmeldung erreichte ihn per Fax im Winterurlaub. Diagnose: schwere Bronchitis mit Rippenfellentzündung. Doch weil die Sekretärin versprach, sie könne möglicherweise in der Firma nach dem Rechten sehen, fuhr der Geschäftsführer nicht vorzeitig nach Hause zurück. Nach seiner Rückkehr erwartete ihn aber kein aufgeräumter Schreibtisch, sondern eine weitere Krankmeldung. Die Diagnose diesmal: Bandscheibenvorfall.
"Sie öffnete den Kofferraum mit angehobenem Knie"
Sechs weitere gelbe Zettel folgten im Januar und Februar. Nachdem er die letzte Folgebescheinigung geöffnet hatte, glaubte der Chef nicht mehr an eine Krankheit, sondern vermutete, dass die Sekretärin auf seine Kosten simuliert. Er engagierte einen Detektiv.
Was der Ermittler aufdeckte, hörte sich zunächst wenig spannend an. Vier Tage verfolgte der Detektiv die Kranke und hielt in einem Bericht fest, dass die Frau keinesfalls bewegungsunfähig war. Er beobachtete, dass sie zwei leere Mülltonnen vom Fußweg Richtung Wohnhaus schob, sich außerdem bückte, um einen Hund zu begrüßen. Weiter lieferte er Filmaufnahmen aus einem Waschsalon.
In einer Klageschrift steht unter anderem: "Nach kurzer Zeit drehte sie den Korb auf Hüfthöhe zu ihrem Fahrzeug. Hier angekommen hob sie das linke Bein und brachte das Knie unter den Korb, um diesen zu halten. Sie öffnete den Kofferraum mit angehobenen Knie und in Rücklage und verlud den Wäschekorb." Das reichte dem Chef als Beweis. Er schickte ihr die fristlose Kündigung und später sogar zusätzlich die Rechnung für den Detektiv.
Die bisherige Rechtsprechung setzt für so eine Videokontrolle indes hohe Hürden und verlangt konkrete Verdachtsmomente; die Überwachung muss verhältnismäßig sein und darf nur als letztmögliches Mittel infrage kommen. Dann allerdings müssen überführte Blaumacher unter Umständen auch die Detektivkosten tragen, urteilte das Bundesarbeitsgericht bereits 2013.
Im Fall der Münsteraner Sekretärin hatten Gerichte die Kündigung als haltlos abgewiesen. Zu den heimlichen Aufnahmen erklärte sie, sie habe sich durchaus bücken können, weil es sich um einen Bandscheibenvorfall im Halswirbelsäulenbereich handelte, nicht im unteren Wirbelbereich. Außerdem habe sie keinen Berg Wäsche getragen, sondern ein Hundekissen und eine Hundedecke mit einem Gewicht von nicht einmal einem Kilogramm.