Bundesarbeitsgericht Kündigung von katholischem Chefarzt nach Wiederheirat unwirksam

Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht
Foto: Michael Reichel/ dpaEin Chefarzt eines katholischen Krankenhauses hat erfolgreich gegen seine Kündigung nach einer Scheidung und erneuten Heirat gekämpft. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt entschied, der Mediziner sei von seinem kirchlichen Arbeitgeber gegenüber nicht katholischen Kollegen unzulässig benachteiligt worden. Dem Chefarzt am St. Vinzenz-Krankenhaus in Düsseldorf war 2009 gekündigt worden, weil ihm die Kirche einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß vorwarf. Er hatte nach der Scheidung von seiner ersten Frau ein zweites Mal standesamtlich geheiratet.
Nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche gilt eine Wiederheirat als ungültige Ehe. Laut Arbeitsvertrag war der Arzt verpflichtet, die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre zu beachten. Er wollte die Kündigung jedoch nicht hinnehmen - und klagte sich bis in die höchsten Instanzen.
Das BAG urteilte nun: Die Kündigung des Chefarztes sei nicht durch Gründe im Verhalten oder in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt. Mit seiner erneuten Heirat verletzte dieser "weder eine wirksam vereinbarte Loyalitätspflicht noch eine berechtigte Loyalitätserwartung" der Kirche, hieß es in einer Mitteilung des Gerichts .
Schärfere Vorgaben für Kirchen als Arbeitgeber
Der Fall ist von grundsätzlicher Bedeutung, weil er die Sonderrechte der Kirchen als Arbeitgeber von etwa 1,4 Millionen Menschen in Deutschland betrifft. Ihre Sonderrolle resultiert aus dem Grundgesetz, das den Kirchen ein Selbstbestimmungsrecht bei ihren Angelegenheiten garantiert.
Am speziellen Status der Kirchen hat das BAG mit seinem Urteil deutlich gerüttelt. Kirchliche Arbeitgeber müssen danach in Zukunft stärker darauf achten, welche Loyalitätsanforderungen sie an ihre Mitarbeiter stellen. Laut BAG können Kirchen von Angestellten keine unterschiedlichen Anforderungen aufgrund von Religionszugehörigkeiten verlangen.
Ein katholisches Krankenhaus dürfe seine leitenden Mitarbeiter nur dann nach deren Religionszugehörigkeit unterschiedlich behandeln, wenn dies für die Tätigkeit "eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung" darstelle, entschieden die Erfurter Richter.
Der Hintergrund: Der Arbeitgeber hatte bei leitenden Angestellten, die anderen Kirchen angehören oder konfessionslos sind, eine zweite Ehe geduldet - anders als bei dem Chefarzt, der deshalb den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt sah und damit nun nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen recht bekam.
Der Fall des Arztes beschäftigt die Gerichte seit zehn Jahren:
2009 gewann der Mediziner vor dem Arbeits- und Landesarbeitsgericht in Nordrhein-Westfalen seine Kündigungsschutzklage. Er berief sich wie die katholische Kirche auf die Verfassung, allerdings auf den besonderen Schutz von Ehe und Familie.
2011 wies das Bundesarbeitsgericht die Revision des kirchlichen Arbeitgebers gegen die erfolglose Kündigung des Mannes zurück. Die Kirche rief das Bundesverfassungsgericht an.
2014 stärkte das Bundesverfassungsgericht den Sonderstatus der Kirchen und schickte den Fall an die Bundesarbeitsrichter in Erfurt zurück.
2016 wandte sich das BAG an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dieser sollte beurteilen, ob es europäisches Recht zulässt, dass ein kirchlicher Arbeitgeber unterschiedliche Loyalitätsanforderungen an seine Mitarbeiter stellt.
Die Richter entschieden: Die Kündigung des Mannes könnte eine "verbotene Diskriminierung wegen der Religion darstellen". In ihrer Entscheidung heißt es: Die Akzeptanz des von der katholischen Kirche befürworteten Eheverständnisses scheine für die Tätigkeit des Mediziners keine "wesentliche Anforderung der beruflichen Tätigkeit zu sein". Schließlich seinen ähnliche Stellen auch Ärzten anvertraut worden, "die nicht katholischer Konfession sind".
Schon eine frühere BAG-Entscheidung sorgte für Aufsehen
Es ist der zweite Fall zum kirchlichen Arbeitsrecht innerhalb weniger Monate, der vom höchsten deutschen Arbeitsgericht entschieden wird. Für Aufsehen sorgte das BAG im Oktober 2018, als es den Sonderstatus der Kirchen in einem Fall aus Berlin enger fasste als bisher. Danach dürfen Kirchen bei Stellenausschreibungen von Bewerbern nicht mehr pauschal eine Religionszugehörigkeit verlangen, sondern nur, wenn das für die konkrete Tätigkeit objektiv geboten ist.