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Stechuhr-Entscheidung »Das Wie der Arbeitszeiterfassung liegt in den Händen des Gesetzgebers«

Arbeitszeit muss penibel nachgehalten werden, entschied das Bundesarbeitsgericht im vergangenen Jahr. Präsidentin Gallner bekräftigt das nun – und macht Druck auf den Gesetzgeber.
Inken Gallner ist seit Januar 2022 Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (Archivbild)

Inken Gallner ist seit Januar 2022 Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (Archivbild)

Foto: Martin Schutt / dpa

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im vergangenen Herbst war wegweisend . Für Beschäftigte und Arbeitgeber. Die Arbeitszeiten von Millionen Arbeitnehmern in Deutschland müssen systematisch erfasst werden, entschieden die Richterinnen und Richter in Erfurt. Nun muss der Gesetzgeber tätig werden.

Entscheidung gilt ab sofort

Dennoch: Dass die Arbeitszeit nachgehalten werden müsse, gelte ab sofort, so die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt, Inken Gallner. Das sei unabhängig von der geplanten Änderung des Bundesarbeitszeitgesetzes durch das sogenannte Stechuhr-Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem September 2022 entschieden, sagte Gallner bei der Vorlage des BAG-Jahresberichts in Erfurt.

»Das Ob ist entschieden. Das Wie der Arbeitszeiterfassung liegt in den gestaltenden Händen des Gesetzgebers«, sagte Gallner weiter. Nach Informationen des SPIEGEL soll hier im ersten Quartal 2023 ein Gesetz verabschiedet werden.

Schon am 14. Mai 2019  hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein maßgebendes Urteil zur Arbeitszeiterfassung gesprochen. Darin heißt es: Arbeitgeber sind von nun an zu einer »objektiven, verlässlichen und zugänglichen Arbeitszeiterfassung«  verpflichtet. Das Bundesarbeitsgericht reagierte im September 2022 auf die Entscheidung aus Luxemburg.

Gallner räumte ein, dass das Urteil, das einige Arbeitsrechtler als Paukenschlag bezeichnet hatten, angesichts des Trends zu Homeoffice, mobilem Arbeiten und flexiblen Arbeitszeiten äußerst strittig diskutiert werde. Schließlich gehe es um eine Entscheidung, von der quasi alle rund 41 Millionen abhängig Beschäftigten in Deutschland betroffen seien.

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Arbeitgeber müssen prüfen, ob wirklich erfasst wird

Für Arbeitgeber folgt aus den Entscheidungsgründen vor allem: Es reicht nicht, nur eine Arbeitszeiterfassung bereitzustellen und zu sagen: ›Nun macht mal‹. Plakativ gesagt: Wenn ich als Arbeitgeber auf einer Baustelle Helme hinlege, dann langt es nicht, dass ich die Helme bereitgestellt habe. Ich muss auch schauen, dass sie getragen werden. Bei der Arbeitszeiterfassung ist es das Gleiche.

Was bedeutet Vertrauensarbeitszeit?

Vertrauensarbeitszeit bietet die Möglichkeit, größtenteils ohne zeitliche Vorgaben zu arbeiten. Im Vordergrund steht nämlich nicht die geleistete Arbeitszeit, sondern das Ergebnis. Damit steht die Vertrauensarbeitszeit einem Grundsatz des Arbeitsrechts entgegen: Eigentlich schuldet ein Arbeitnehmer seiner Vorgesetzten nicht den Erfolg eines Projektes, sondern lediglich, dass er seiner Arbeit nachgeht. Meistens einigen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei der Vertrauensarbeitszeit im Vorfeld auf einen grundlegenden Arbeitszeitrahmen. Zu schauen, ob sich die geleistete Arbeitszeit in diesem vereinbarten Rahmen bewegt, ist dabei Aufgabe des Arbeitnehmers und wird vom Arbeitgeber nicht weiter überprüft. Vertrauensarbeitszeit ist vor allem unter Wissensarbeitern, etwa Programmierern, Journalisten oder Designern, verbreitet. Das Modell wird von Gewerkschaften seit Jahren kritisiert , weil es in nicht wenigen Fällen zu unbezahlten Überstunden führt.

Im Gegensatz zu einigen Arbeitgebervertretern sieht BAG-Präsidentin Gallner durch die Erfassungspflicht aber keine Einschränkungen für verschiedene Arbeitszeitmodelle. »Das Urteil schafft Vertrauensarbeitszeitmodelle nicht ab.« Auch dabei seien die geltenden Regeln wie eine elfstündige Ruhezeit pro Tag einzuhalten.

flg/dpa
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