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Richter und Staatsanwälte Verfassungsgericht ordnet faire Bezahlung an

Das Verfassungsgericht hat gesprochen: Die Länder dürfen künftig nicht mehr willkürlich bei den Gehältern von jungen Richtern und Staatsanwälten sparen. Das Urteil hat Signalwirkung auch für andere Staatsdiener.
Richter Herbert Landau, Andreas Voßkuhle, Peter Huber (v.l.): "Grundsätzliche Fragen der Besoldung"

Richter Herbert Landau, Andreas Voßkuhle, Peter Huber (v.l.): "Grundsätzliche Fragen der Besoldung"

Foto: Uli Deck/ dpa

Das Prüfungssystem an deutschen Hochschulen springt unbarmherzig um mit angehenden Juristen. Die Durchfallquoten der rechtswissenschaftlichen Fakultäten sind höher als in jeder anderen akademischen Disziplin. Nach fünf, sechs Jahren Studium ist das Risiko groß, im ersten oder zweiten Staatsexamen durchzufallen - oder so schlecht abzuschneiden, dass die attraktivsten Jobs verschlossen bleiben. Dazu zählen Stellen für 80.000 oder 100.000 Euro Jahressalär in internationalen Großkanzleien - oder aber eine Laufbahn als Richter oder Staatsanwalt.

Bisher.

Die deutschen Gerichte waren stets stolz darauf, eine Auswahl unter den Besten treffen zu können. Die Besten, das sind etwa zehn Prozent: jene Prüflinge mit "Prädikatssexamen", mit herausragenden Noten also. Sie treffen im Justizsystem auf mindestens solide bezahlte Stellen mit allen Segnungen des Beamtenstatus, inklusive Unkündbarkeit, geregelte Arbeitszeiten und vorzügliche Altersversorgung.

Inzwischen allerdings schwindet der Reiz des Staatsdienstes - auch weil die Gehälter mit der Wirtschaft nicht mithalten können. Im Verfahren um eine angemessene Richterbesoldung deutete das Bundesverfassungsgericht früh an, es sorge sich um die "Attraktivität des Beamtenverhältnisses für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte", so Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle schon bei der mündlichen Verhandlung im vergangenen September.

Dass Richter über Richter entscheiden müssen, in eigener Sache also, sei "delikat", räumte Voßkuhle damals ein. Andererseits müssen eben Gerichte urteilen, wenn Beamte klagen, weil sie sich unfair entlohnt sehen.

Urteil der Verfassungsrichter: Sachsen-Anhalt muss nachbessern

Das Bundesverfassungsgericht hat nun Klagen aus drei Bundesländern gebündelt und am Dienstag ein Urteil verkündet. Es ist eine Teils-teils-Entscheidung: In Sachsen-Anhalt war die Besoldung der Stufe R1 in den Jahren 2008 bis 2010 verfassungswidrig niedrig, in Rheinland-Pfalz (ab 2012) und Nordrhein-Westfalen (im Jahr 2003; noch nach dem Bundesbesoldungsgesetz) dagegen angemessen. Zugleich haben die obersten Richter einen "Orientierungsrahmen" festgelegt, mit dem die Bezahlung von Richtern und Staatsanwälten künftig überprüft werden kann. Folgende Faktoren sind dabei wichtig:

  • Vergleich zwischen Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst: Die Tarifergebnisse dürfen nicht zu stark abweichen. Eine Differenz von über fünf Prozent in den vergangenen 15 Jahren weckt den Verdacht zu niedriger Besoldung.
  • Vergleich von Besoldung und genereller Lohnentwicklung im jeweiligen Bundesland - auch hier Alarm bei über fünf Prozent Unterschied.
  • Vergleich mit den Verbraucherpreisen: Abermals greift die Fünfprozentregel.
  • Besoldungsvergleich innerhalb des Beamtensystems: Der Dienstherr darf nicht einzelne Berufsgruppen deutlich benachteiligen. Wenn die Abstände zwischen zwei vergleichbaren Besoldungsgruppen um mindestens zehn Prozent binnen fünf Jahren abschmelzen: Alarm.
  • Deutschland-Vergleich: Das jährliche Bruttoeinkommen soll nicht über zehn Prozent unter dem Durchschnitt des Bundes und anderer Länder liegen.

Zusätzlich nennt das Bundesverfassungsgericht einige weitere Faktoren, etwa das "Ansehen des Amtes", die Attraktivität für junge Juristen oder das Gehaltsniveau in der Privatwirtschaft. Die Richter betonen allerdings zugleich, es gehe um eine "Gesamtabwägung" - und im Ausnahmefall könne sogar eine "Unteralimentation verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden", etwa wegen der sogenannten Schuldenbremse, des im Grundgesetz festgeschriebenen Verbots der Neuverschuldung.

Insgesamt grätschen die Karlsruher Richter den Bundesländern keineswegs grob in die Parade und rütteln nicht an deren Zuständigkeit für die Beamtenbesoldung. Den Ländern bleiben weiter die großen Spielräume, die sie durch die Föderalismusreform von 2006 erhalten haben. Willkür aber wollen die Verfassungsrichter verhindern: Ganz nach Kassenlage hier niedrigere Eingangsbesoldung, dort Kappung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes oder Kürzung von Beihilfen, Zulagen, Pensionen - diese "Salami-Taktik" ist künftig unzulässig.

Kompliziertes Regelwerk gegen Willkür

Zuständig ist das Bundesverfassungsgericht, weil das Grundgesetz vorschreibt, dass Staatsdiener nach dem "Alimentationsprinzip" bezahlt werden. Es ist einer der "hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums", die noch auf das Preußische Landrecht aus dem 18. Jahrhundert zurückgehen. Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn, Beamten und ihren Angehörigen lebenslang einen angemessenen Lebensunterhalt zu garantieren.

Am Ende des Berufslebens gelingt das zweifellos. Der Staat schickt seine Diener üppig wattiert in den Ruhestand, mit Pensionen, von denen andere Berufsgruppen nur träumen können. Am Anfang der Karriere dagegen sind die Bezüge bescheiden. Nach Angaben des Deutschen Richterbundes sind es im Bundesdurchschnitt monatlich etwa 3700 Euro brutto. Im Saarland zum Beispiel erhält ein 27-jähriger, lediger Richter bisher 3235 Euro, in Bayern hingegen 4070 Euro - eine Differenz von gut zwanzig Prozent.

Später beeinflussen Faktoren wie Berufserfahrung, Position und Familienstand das Gehalt. Bis zum Ende des Berufslebens kann es sich fast verdoppeln. In der höchsten Stufe kommt ein verheirateter Richter mit zwei Kindern in Berlin laut Richterbund auf 6384 Euro pro Monat, in Bayern auf 7238 Euro. Wegen des komplizierten Besoldungs- und Zulagensystems ist ein direkter Vergleich mit Gehältern in Unternehmen schwierig.

Im Zuge der Haushaltskonsolidierung mussten Beamte - nicht allein Richter und Staatsanwälte - beträchtliche Einschnitte hinnehmen. Das neue Urteil hat daher Signalwirkung für etliche weitere Berufsgruppen, etwa für Polizisten, die weit niedrigere Gehälter beziehen als Richter. Ein junger Polizist geht oft mit weniger als 2000 Euro brutto nach Hause.

In ihren Leitsätzen haben die Karlsruher Richter das Urteil fast 200 Absätze lang erklärt und begründet. Es mute auf den ersten Blick technisch an, sagte Präsident Andreas Voßkuhle sagte, doch das täusche: Hinter dem Verfahren würden sich "grundsätzliche Fragen der Besoldung im öffentlichen Dienst verbergen", die das Gericht schon seit vielen Jahrzehnten beschäftigten.

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