
CEO of the Future: Die Chefs von morgen
Wettbewerb für Jungmanager Hände aus den Hosentaschen!
Vier Minuten nach dem Rüffel des E.on-Chefs zieht der Jungmanager, 30, endlich die Hände aus den Hosentaschen. Er tut es beiläufig, ohne Hast, es soll nicht zu sehr nach Niederlage aussehen. Das letzte Wort im Duell Vorstandschef gegen Nachwuchstalent hatte er.
Es gehe hier doch nicht um Etikette, sondern um einen guten Auftritt, hatte der Wettbewerbsfinalist gekontert, als Johannes Teyssen - 55 Jahre, Boss von mehr als 50.000 E.on-Mitarbeitern - wissen wollte, warum er bei der Diskussion nach dem Gruppenvortrag fast durchgehend die Hände in den Taschen gehabt habe. Dann legte der Teilnehmer nach: "Ich beschwere mich ja auch nicht darüber, dass Sie keine Krawatte anhaben."
Schlagfertig, mutig, erfrischend - oder einfach nur dreist? Die McKinsey-Berater, die wie eine Phalanx hinter der Jury aus Firmenbossen sitzen, sind sich uneins. So etwas hat es beim Managerwettbewerb "CEO of the Future" noch nicht gegeben. Zum neunten Mal kämpften am vergangenen Freitag in Kitzbühel 20 junge Leute mit Powerpoint-Präsentationen um den Titel, den die Beratungsfirma McKinsey zusammen mit Partnerunternehmen vergibt. Zu gewinnen gibt es 5000, 4000 und 3000 Euro sowie ein Coaching von einem der Juroren, allesamt hochkarätige Manager vom Kaliber des E.on-Chefs.
20 Finalisten mit makellosen Lebensläufen
Mehr als 2100 Nachwuchsmanager haben sich in diesem Jahr für die Teilnahme beworben. Sie schrieben kurze Essays zu den Themen "Vorbild Silicon Valley", "grüne Gentechnik" und "Digitalisierung im Konzernvorstand".
Ansonsten gelten beim Wettbewerb die üblichen Standards der Top-Unternehmensberatungen: Glänzende Noten, überdurchschnittliches Engagement und fließendes Englisch werden bei den Bewerbern vorausgesetzt. Die Lebensläufe der 14 Finalisten und sechs Finalistinnen sind so makellos wie ihre Anzüge und Kostüme: Einser-Abitur, Masterstudium an einer Eliteuni in London oder Cambridge, Praktika bei BMW, Siemens oder der Deutschen Bank.
Zehn der 20 haben schon Jobs. Ein Flugzeugingenieur ist dabei, ein Physiker, ein Inhouse-Berater, eine Analystin. Auch der Kandidat mit den Händen in den Hosentaschen arbeitet bereits als Projektleiter. "Im echten Leben hätte ich das nicht gemacht, aber das hier ist eine Spielsituation, da kann man auch mal seine Grenzen testen", sagt er später über die Kontroverse.
Aufgeteilt in Fünfergruppen hatten die Finalisten fünf Wochen Zeit für die Projekte, die sie in Kitzbühel präsentierten. So sollte das Team Porsche eine Verkaufsstrategie für die Generation Y entwickeln, unterstützt vom amtierenden Sieger des Wettbewerbs: Philipp Eska, 26, arbeitet mittlerweile als Unternehmensberater für McKinsey.
Allein der Auftritt in der Endrunde zählt
Im Publikum sitzen außer ihm noch vier andere "CEO of the Future"-Veteranen, die nach dem Wettbewerb bei der Beratungsfirma angeheuert haben. Ein klassisches Recruiting-Event ist die Veranstaltung aber nicht: Hier geht niemand mit einem Arbeitsvertrag nach Hause. Wer bei McKinsey oder einer der Partnerfirmen einsteigen will, muss trotzdem durchs Assessment Center.
Die Aufgaben der drei anderen Teams: SAP-Lösungen in die Cloud bringen, Städte mit erneuerbarer Energie von E.on versorgen, das Digitalgeschäft im Bertelsmann-Verlag ausbauen. 20 Minuten bleiben jeder Gruppe, um die Jury von ihren Ideen zu überzeugen. Das macht rund fünf Minuten Redezeit pro Person - in der sich jeder Einzelne als potenzieller "CEO of the Future", als Chef von morgen, empfehlen muss.
Wer in den fünf Wochen zuvor welche Arbeit geleistet hat, erfährt die Jury nicht. Sie bewertet nur den Auftritt beim Finale, mit Einzelnoten für Inhalt und Struktur des Vortrags, Präsentationsweise, Teamfähigkeit und Gesamteindruck.
Wer dabei wie abgeschnitten hat, können die Kandidaten schon aus der Diskussion mit der Jury nach dem Vortrag ableiten. "Von Ihnen haben wir noch gar nichts gehört. Was sagen Sie denn dazu?", ist eine der Lieblingsfragen, mit denen E.on-Chef Teyssen Teilnehmer aus dem Konzept bringt.
Beim letzten Mal sei die Jury bei weitem nicht so streng gewesen, sagt Ex-Sieger Eska: "Das war richtig locker, wir konnten mit den Juroren scherzen." An diesem Abend ist es Johannes Teyssen, der alle zum Lachen bringt. Als sein Mitjuror Achim Berg von Bertelsmann sagt, er würde die vorgestellte Strategie der E.on-Gruppe lieber nutzen, um den Stromkonzern anzugreifen, antwortet Teyssen: "Sie sind gefeuert!"
Reden und fangen - die Gewinnerin kann beides zugleich
Ziemlich unbeeindruckt zeigt sich die Jury von den Gadgets, mit denen die Kandidaten ihre Vorträge aufmotzen: Das SAP-Team verteilt selbstgebastelte Karten, die beim Öffnen den Schlager "Über den Wolken" abspielen; das E.on-Team hat eine eigene App programmiert und ein Kartenspiel drucken lassen.
Am Ende gewinnt den Teampreis das Team Bertelsmann - das als einzige Gruppe auf Rollwände mit ausgedruckten Schaubildern gesetzt hatte. Und zur "CEO of the Future" gekürt wird Corinna Gerleve, 25, Wirtschaftsstudentin an der Uni Maastricht. Sie habe eine tolle Präsenz gezeigt, ohne sich in den Vordergrund zu drängen, und auf Rückfragen fachkundig geantwortet, so das einstimmige Lob. Dass Gerleve es auch noch schaffte, beim Reden die Wände aufzufangen, die Kollegen ihr vom Bühnenrand aus zuschubsten, hat die Jury ebenfalls beeindruckt.
Einig sind sich die Juroren am Ende des Tages auch darin, dass während eines Vortrags die Hände auf gar keinen Fall in die Taschen gehören. Käme einer seiner Berater auf diese Idee, würde er persönlich eingreifen, sagt McKinsey-Deutschlandchef Cornelius Baur. Die Begründung des Nachwuchsmanagers, er könne so besser präsentieren, lässt Baur nicht gelten: "Es geht nicht darum, wie man sich selbst fühlt, sondern darum, wie sich der Kunde fühlt."
Wirklich übel nimmt dem Kandidaten die Aktion aber keiner der Juroren: Er zählt zu den Gewinnern - weil er die dramaturgisch geschickte Präsentation seiner Gruppe so souverän und eloquent moderierte.

Autorin Verena Töpper (Jahrgang 1982) ist KarriereSPIEGEL-Redakteurin.
