
Deutscher Auswanderer: Im Diamanten Chinas
Deutscher Auswanderer in China "Ich hielt den Smog für Morgennebel"
"An meinem ersten Morgen in Peking habe ich zu meiner chinesischen Freundin gesagt, wie toll ich den Nebel fände. Das würde mich an meine Heimatstadt München erinnern. Dazu sagte sie nur: 'Das ist kein Nebel, das ist Smog.'
Als ich vor zehn Jahren nach China gezogen bin, dachte ich, ich wüsste, was mich erwartet. Aber ich wusste gar nichts. Immer, wenn ich mir abends die Nase putzte, war alles, was rauskam, schwarz. Ich war schockiert von der Luftverschmutzung und dachte, jeder Atemzug hier bringt mich meinem Tod noch ein bisschen schneller näher.
Aber auch das Schmatzen, Spucken, Rotzen und Nasehochziehen der Leute fand ich sehr befremdlich. Ich wunderte mich über das deftige Frühstück, das ich noch immer nicht herunterbekomme, und ärgerte mich darüber, dass mich die Kellner im Restaurant nie fragten, ob mir das Essen schmecke.

Deutscher Auswanderer: Im Diamanten Chinas
Ich bin mit der Gastfreundschaft groß geworden: Meine Eltern hatten ein Restaurant in München, ich half schon früh mit und machte deswegen nach der Schule eine Ausbildung zum Hotelfachmann im Bayerischen Hof in München. Dort durfte ich sogar Gäste wie Michael Jackson, Omar Sharif und Peter Ustinov betreuen.
Nach sechs Jahren im Hotel entschied ich mich, ins Ausland zu gehen, weil ich woanders Erfahrungen in der Gastronomie sammeln wollte. Ich zog zuerst in die Vereinigten Arabischen Emirate, erst nach Dubai und schließlich nach Abu Dhabi.
Im Video: Junge Auswanderer - Mein neues Leben in China
In dem Hotel, in dem ich arbeitete, war eine chinesische Tänzerin zu Gast. Ich verliebte mich sofort in sie. Nach drei Monaten entschloss ich mich, ihr nach Peking zu folgen. Ich hatte damals nur einen Rucksack auf den Schultern und 3000 US-Dollar dabei. Mehr Geld hatte ich nicht angespart.
Sechs Monate - dann entscheidet sich, wer bleibt
Zum Glück fand ich schnell einen Job bei einer deutschen Firma und war in drei Lokalen für den Import von Getränken und Speisen verantwortlich. Vor einigen Jahren ist es für Ausländer schwieriger geworden, in China zu arbeiten. Um eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, braucht man einen Arbeitgeber, der für einen bürgt, oder ausreichend Qualifikationen, um als Spezialist arbeiten zu können. Oder, dritte Variante: Man muss verheiratet sein.
In der Anfangszeit in Peking lernte ich einen alten Chinesen kennen, der mir sagte, wer es länger als sechs Monate aushalte, der bleibe auch langfristig im Land. Chinesen würden diese Zeit als Gelbfieber bezeichnen. Ich hatte nach sechs Monaten mit etwas anderem zu kämpfen: In meinem Nacken hatte sich ein Tumor gebildet.
Ich weiß nicht, ob die Umweltverschmutzung etwas damit zu tun hat, aber ich vermute es. In München ließ ich ihn entfernen, seitdem habe ich eine große Narbe am Hals.
Als ich zurückkam, heirateten meine Freundin und ich. Sie nahm mich auf viele Partys und Feste mit, zu denen sie als Tänzerin immer wieder eingeladen wurde. Leider liebte sie das Tanzen mehr als mich, und unsere Ehe ging nach dreieinhalb Jahren in die Brüche.

Kulturschock: Arbeiten in fremden Welten
Ich war am Boden zerstört und zog erst einmal in ein Hotel, weil ich mir nicht vorstellen konnte, allein in einer Pekinger Wohnung zu leben. Dort lernte ich eine chinesische Managerin kennen, wir verabredeten uns, sie verstand mich, gab mir Zeit, ich verliebte mich. Und weil ich alles richtig machen wollte, bat ich ihren Vater um ihre Hand.
Die Familie war sehr skeptisch, noch nie war dort jemand fest mit einem Ausländer liiert gewesen. Und dann auch noch mit so jemandem wie mir: einem Münchner mit einem Vater aus Palästina und einer Mutter aus Kroatien.
Wir heirateten, meine Frau wurde schwanger, und wir kehrten nach München zurück, um das Baby dort auf die Welt zu bringen. Im siebten Monat wurde eine schwere Fehlbildung festgestellt. Wieder weiß ich nicht, ob es an der Umweltverschmutzung in Peking lag. Meine Frau ist dort aufgewachsen und hat ihr ganzes Leben diese dreckige Luft geatmet. Unsere Tochter hat es leider nicht geschafft. Das war eine Tragödie für uns.
Arbeit im Diamanten des Landes
Wie blieben noch einige Monate in München, dann rief mich ein Freund an. Er sagte mir, er bräuchte Hilfe bei einem großen internationalen Projekt im Süden des Landes. Die Provinz Guangxi sei touristisch noch kaum erschlossen, und er wolle dort einige Touristenattraktionen aufbauen, Bungee-Jumping und die größte natürliche Schaukel der Welt, auch weil das Gebiet bald an eine Autobahn angeschlossen werden soll. Ich solle dafür mit internationalen Geldgebern verhandeln und die Projekte mit planen.
Für den Job zogen wir nach Nanning, in die Hauptstadt der Region Guangxi. Wir fühlen uns sehr wohl hier. Die Chinesen nennen die Region den Diamanten des Landes. Luft und Klima sind viel besser, wir können wieder atmen, ohne an den Tod zu denken. Und jetzt im Winter haben wir noch Tage mit 23 Grad Celsius.
Im Video: Deutsche Aussteiger - Von Dschungelbewohnern und Inselbesitzern
Auch kulinarisch hat die Region einiges zu bieten. Ich habe hier schon Krokodil, Schlangen, Frösche und Fischköpfe gegessen. Und Seidenwürmer, eine echte Spezialität. Leider gibt es nicht die Wurst- und Käsesorten, die man aus Deutschland kennt, auch das Brot kann man hier vergessen. Es gibt manchmal gedämpfte Brötchen, aber die schmecken nach nichts. Als mich meine Schwester mal besuchte, sagte sie zu mir: 'Bring mich bitte zu McDonald's, ich will etwas essen, wofür ich keine Stäbchen brauche.'
Was mich allerdings richtig nervt, ist das Internet. Ich muss immer Umwege finden, um etwas zu googeln oder auf YouTube zu gehen. Je nachdem, wie die Beziehungen der USA gerade zu China sind, funktioniert das oder eben auch nicht.
Ich verdiene hier ganz gut und habe nur wenige Ausgaben, weil mein Chef auch unsere Wohnung stellt. Ich kann also viel sparen. Ich weiß ja nie, wie es weitergeht.
An China liebe ich die Offenheit der Menschen. Oft sprechen mich die Leute an und fragen, woher ich komme. Viele von ihnen finden meinen Bart ungewöhnlich und manche fassen ihn auch ohne zu zögern an und sagen mir, dass er so weich wie Wolle sei. Das finde ich lustig.
Im vergangenen Jahr sind wir Eltern eines gesunden Jungen geworden und sehr dankbar dafür. Leider wächst unser Sohn hier in China ohne Großeltern und Cousins auf, in München sähe das anders aus. Das tut mir leid. Aber ich kann mir nicht vorstellen, zurückzukehren: Deutschland hat sich verändert. Die Konservativen und Rechten haben mehr Macht, das finde ich beängstigend. Und: In München kann man es sich auch kaum noch leisten, essen zu gehen. Vom Gehalt bleibt ja kaum noch was übrig."

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