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Demonstration von Klinikclowns in Berlin: Mit roten Nasen zum Kanzleramt

Foto: Sebastian Höhn

Demo von Klinikclowns "Was wir machen, ist Herzensarbeit"

Klinikclowns bringen Menschen zum Lachen, denen eigentlich zum Heulen zumute ist. Am Mittwoch zogen Dutzende Spaßmacher durch Berlin - weil sie sich selbst Sorgen machen.

So fröhliche Demonstranten sieht man selten. Knapp hundert Clowns haben sich am Mittwoch vor dem Berliner Hauptbahnhof versammelt, um gemeinsam zum Kanzleramt zu ziehen. Angereist sind sie aus Köln, Hamburg, Tübingen und anderen Städten. Sie tragen rote Schaumstoffnasen, viel Schminke und Schilder mit der Aufschrift "Lachen hilft".

Es sind Clowns, die dort für Aufmunterung sorgen, wo Menschen leiden, Schmerzen oder Ängste haben - in Krankenhäusern und Hospizen etwa. Klinikclowns nennen sie sich deshalb. Dass sie sich im Berliner Regierungsviertel versammeln, liegt daran, dass sie sich selbst Sorgen machen, und zwar um die Wertschätzung ihrer Arbeit.

Sie demonstrieren für mehr Anerkennung und eine finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand. In Deutschland leben Klinikclowns von Spenden, in anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden werden sie teilweise öffentlich finanziert. Ihre Arbeit, sagen sie, sei kein Hobby.

Die Idee kam aus den USA

"Was wir machen, ist Herzensarbeit", sagt Hella Propella. Die 39-Jährige, die mit bürgerlichem Namen Nicola Streifler heißt, arbeitet bei den Potsdamer Klinikclowns. Sie trägt die Haare zu zwei Zöpfen geflochten, hat weiß geschminkte Augenbrauen, und in der Hand hält sie eine Klarinette. "Es gibt einen sehr großen Bedarf für das, was wir machen", sagt sie. Die positive Resonanz sei oft überwältigend.

Sie kenne den Klinikalltag nur zu gut, als Patientin ebenso wie als Angehörige, sagt die ausgebildete Theaterpädagogin. "Als ich gehört habe, dass es Klinikclowns gibt, wusste ich sofort: Das will ich machen." Bunte Momente seien wichtig in der Tristesse.

Organisiert hat den bunten Aufmarsch der Dachverband "Clowns in Medizin und Pflege" , Sprachrohr der etwa 200 professionellen Klinikclowns in Deutschland. Obwohl der Verband in diesen Tagen sein zehnjähriges Bestehen feiert, gibt es Clown-Visiten in deutschen Krankenhäusern schon seit etwa 25 Jahren. Die Idee kommt aus den USA. Anfänglich ging es nur um kranke Kinder, später traten die Spaßmacher auch bei erwachsenen Patienten und in Altenheimen auf. Dass ihre Anwesenheit stressreduzierend wirkt, haben Studien gezeigt.

Als sich die Clowns dem Kanzleramt nähern, verliert eine Demonstrantin ihren Vorrat an roten Schaumstoffnasen, die vom Wind auf der Straße verteilt werden. Kinder laufen ihnen hinterher. Vor dem Kanzleramt lässt sich ein Verkehrspolizist auf seinem Motorrad sogar eine Nase aufsetzen - zur Freude einer Clown-Frau.

"Manchmal brauchen die Krankenschwestern Aufheiterung"

Die Spaßmacher wünschen sich, dass sich zum Beispiel die Krankenkassen an der Finanzierung beteiligen. Etwa 150 Euro bekommt ein Clown für einen mehrstündigen Besuch. Fernando Vieira aus Köln, der einen Arztkittel über einer bunten Weste trägt und einen Strauß Luftballons in der Hand hält, geht noch weiter: "Wir wollen, dass Klinikclown ein anerkannter Beruf wird", sagt der 47-Jährige. In seinem Geburtsland Brasilien sei das schon seit Jahren so. Vieira, ausgebildeter Zirkusclown, macht den Job bereits seit 25 Jahren.

"Manchmal sind es auch die Krankenschwestern, die Aufheiterung brauchen", erzählt Jana Marie Backhaus, die mit Vieira angereist ist. Die 24-Jährige ist dreimal pro Woche in Krankenhäusern unterwegs.

Die Reaktionen der kleinen Patienten seien unterschiedlich. "Viele haben Schmerzen, dann braucht es manchmal ein bisschen Zeit zum Warmwerden", sagt sie. Mit anderen könne sie sofort auf den Tischen tanzen. Anders sei die Arbeit mit alten Menschen. Da müsse der Clown behutsamer sein.

Wie viele ihrer Kollegen ist Backhaus im Hauptberuf freiberufliche Schauspielerin. Die Ausbildung machte sie in Berlin, dann ging sie in ihre Heimat Köln zurück, wo sie mittlerweile Vorsitzende des Vereins "Kölner Klinikclowns" ist. Ihr Geld verdient sie überwiegend an Kindertheatern, aber auch als Moderatorin und Radiosprecherin.

Die Clowns sind mittlerweile vor dem Kanzleramt angekommen, der letzten Station ihres Marschs. "Wir wollen was ab vom Kuchen", rufen sie. "Und vom Apfelstrudel auch." Ein Mitarbeiter des zuständigen Gesundheitsministeriums gewährt einigen Demonstranten Einlass. Die Clowns überreichen ihm eine Petition mit 4000 Unterschriften. Und einen Gesetzentwurf gleich dazu.

Foto: privat

KarriereSPIEGEL-Autor Sebastian Höhn (Jahrgang 1979) ist freier Journalist und Fotoreporter. Er lebt in Berlin.Homepage: Sebastian Höhn, Journalist und Fotograf 

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