Personalmangel in der Gastronomie Tischlein, deck dich doch selbst

Die Inzidenzen sinken, Restaurants dürfen wieder öffnen – aber der Neustart könnte für viele Gastronomen schwieriger werden als gedacht
Foto: Uwe Anspach / picture alliance / dpaDie beiden Studentinnen im Hamburger Impfzentrum grüßen freundlich und weisen darauf hin, dass fürs Messen der Körpertemperatur per Scanner doch bitte Hüte und Kappen abgenommen werden sollen. Dafür bekommen sie einen Stundenlohn von 15 Euro. Es ist einer der besten Aushilfsjobs, den sie je hatten. Wer früher Teller abgeräumt, Gläser poliert oder Hotelzimmer geputzt hat, musste sich in der Pandemie zwangsläufig umorientieren. Jetzt wollen nur wenige zurück.
»Viele Restaurants, Bars und Hotels dürfen zwar wegen sinkender Coronazahlen endlich wieder öffnen. Aber sie finden leider häufig niemanden, der ihre Gäste empfangen oder für sie kochen möchte«, sagt Guido Zeitler, Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten.
Ein aktuelles Stimmungsbild unter Mitgliedern des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) zeigt, wie eng es in vielen Betrieben beim Neustart in die für viele existenzielle Sommersaison aussieht. Ein Drittel der Unternehmen, die derzeit noch nicht geöffnet haben, gab »fehlende Mitarbeiter« als Grund an. Mehr als 42 Prozent der Befragten berichten, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in andere Branchen abgewandert seien.
Die Hauptgeschäftsführerin der Dachorganisation, Ingrid Hartges, nennt »dauerhafte Öffnungen« als Bedingung für eine Rückkehr der Beschäftigten. Aber es geht nicht nur um Aushilfen, die nun anderswo mehr Chancen für sich sehen. Es gibt auch ein Strukturproblem der Branche, das die Pandemie verschärft hat: den Mangel an Fachkräften beim Stammpersonal.
Die Personalknappheit sei in Teilen ein »hausgemachtes Dilemma«, sagt Gewerkschafter Zeitler: »Statt Fachkräfte mit attraktiver Bezahlung zu binden, wurde auf Tarifflucht, Minijobs und prekäre Beschäftigung gesetzt.«
Guido Zeitler, Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten
Zeitler verweist etwa auf die hohe Zahl von Ausbildungsabbrechern unter angehenden Köchinnen und Köchen. In anderen Branchen sähen junge Leute oft bessere Verdienstchancen und mehr Wertschätzung: »Hunderttausende derer, die in Coronazeiten gehen mussten, werden dem Gastgewerbe in Zukunft fernbleiben.«
Schon der leidlich verlaufene Sommer 2020, als manch einer das Virus unter Kontrolle wähnte, hinterließ seine Spuren. Bis Ende September war die Gesamtbeschäftigung – Mini-Jobber sowie mitarbeitende Inhaber und Familienangehörige eingeschlossen – in der Branche von mehr als 2,4 Millionen im Jahr zuvor auf knapp 2,1 Millionen abgesackt.
Fachkräftemangel als Risiko fürs Geschäft
In einer Analyse des Deutschen Industrie- und Handelskammertags zur Tourismus-Konjunktur in diesem Frühsommer wird der Engpass deutlich: 48 Prozent der befragten Gastronomen bezeichneten den Fachkräftemangel als ernstes Risiko für das eigene Geschäft, das ist beinahe eine Verdreifachung gegenüber dem Vorjahreszeitpunkt. Bei Beherbergungsbetrieben wie Hotels oder Pensionen ergab sich ein ähnliches Bild: Im Vorjahr hatten nur elf Prozent der Befragten den Fachkräftemangel als Risiko fürs Geschäft genannt, nun war es fast jeder Zweite.
Die Bundesagentur für Arbeit hält die Situation für heikel. Der Wettbewerb um die besten Kräfte werde nun voraussichtlich noch intensiver werden, schätzt der Regionalchef für Niedersachsen und Bremen, Johannes Pfeiffer. Mit der Wiederbesetzung zwischenzeitlich verwaister Arbeitsplätze dürfte es teilweise schwierig werden.
Besonders »entlang der Küste«, wo es einen hohen Bedarf an Saisonkräften gibt, werde es »ein Problem« geben, heißt es von der Industrie- und Handelskammer Ostfriesland. Der niedersächsische Tourismusverband hat immerhin eine Lösungsidee: »Die Attraktivität der Jobs muss erhöht werden.«