Leserfrage zum Coronavirus Kann mir der Arbeitgeber wegen Kurzarbeit meinen Urlaub kürzen?

Bedeutet Kurzarbeit auch weniger Urlaub?
Foto: Portra Images/ Stone RF/ Getty ImagesHier und in unserem Newsletter beantworten wir regelmäßig eine Frage unserer Leserinnen und Leser zum Coronavirus.
Sie haben ebenfalls medizinische Fragen zu Covid-19 oder möchten genauer wissen, welche wirtschaftlichen, politischen oder gesellschaftlichen Auswirkungen die Krise für Deutschland und die Welt hat? Schreiben Sie uns an coronafragen@spiegel.de . (Mit der Einreichung einer Leserfrage räumen Sie SPIEGEL.de das Recht ein, diese unter Nennung Ihres Namens auf SPIEGEL.de zu veröffentlichen und dauerhaft zu archivieren. Sollten Sie auf Anonymität bestehen, vermerken Sie das bitte in der Mail.)
Leser Dennis Knierim fragt: Kann der Arbeitgeber die vertraglich festgelegten Urlaubstage kürzen, wenn im Betrieb Kurzarbeit angemeldet ist?
Die Antwort gibt Florian Gontek, Redakteur im Ressort Job & Karriere des SPIEGEL:
Die Tendenz geht dahin, dass der Arbeitgeber die Urlaubstage kürzen darf, wenn sich der Betrieb in Kurzarbeit befindet. Die Arbeitsgerichte haben dazu noch nicht entschieden.
Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers geht in der Wurzel darauf zurück, dass Lohn, Arbeit und Erholung, rechtlich betrachtet, zueinander in einem untrennbaren Verhältnis stehen. Heißt im Umkehrschluss: Wenn jemand weniger arbeitet, ergibt sich daraus auch ein geminderter Anspruch auf Lohnausgleich oder Lohnersatz, sprich Urlaub. Der Urlaub wird dann entsprechend der reduzierten Arbeitszeit gekürzt.
Nicht zu arbeiten bedeutet demnach - stark vereinfacht - auch, keinen Lohn zu bekommen. Es ist also eine Ausnahme, wenn der Arbeitnehmer, ohne zu arbeiten, bezahlt wird.
Entscheidend ist hierbei der Grund, warum der Arbeitnehmer nicht arbeitet. Jemand, der krank ist, kann auch keine Arbeitsleistung erbringen. Dass der Lohn in diesem Fall fortgezahlt wird, ist folgerichtig. Bei der Kurzarbeit stellt sich die Situation jedoch anders dar.
"Das Thema Kurzarbeit und Urlaub, so sieht es auch der Europäische Gerichtshof, lässt sich eher mit dem Arbeitnehmer in Teilzeit als mit dem erkrankten Arbeitnehmer vergleichen", sagt Hendrik A. Könemann, Fachanwalt für Arbeitsrecht und für Insolvenzrecht aus Lüneburg. Die Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld sind im Sozialgesetzbuch III geregelt. Kurzarbeit kann der Arbeitgeber demnach anmelden, wenn der Arbeitsausfall unvermeidbar ist und der Betrieb alles Mögliche getan hat, um diesen zu vermindern oder zu beheben. Das bedeutet auch, dass zunächst Zeitguthaben, Überstunden oder Ähnliches abgebaut werden müssen. Ihr Vorgesetzter kann Sie also verpflichten, angesparte Überstunden jetzt abzufeiern – auch wenn Sie die vielleicht für die Sommerferien eingeplant hatten. Urlaubsgrundsätze und die Klärung von Uneinigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Gewährung von Urlaub, sind mitbestimmungspflichtig, wenn es im Betrieb einen Betriebsrat gibt.
Am 31. Dezember 2019 wandte sich China erstmals an die Weltgesundheitsorganisation (WHO). In der Millionenstadt Wuhan häuften sich Fälle einer rätselhaften Lungenentzündung. Mittlerweile sind mehr als 180 Millionen Menschen weltweit nachweislich erkrankt, die Situation ändert sich von Tag zu Tag. Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über alle SPIEGEL-Artikel zum Thema.
Entscheidend ist beim Thema Urlaubsanspruch in Kurzarbeit jedoch noch etwas anderes: Werden die Urlaubstage automatisch – sprich ganz von selbst – gekürzt; oder muss dies vertraglich oder mit dem Betriebsrat abgestimmt sein? "Zu dieser Kernfrage gibt es derzeit noch keine Entscheidung. In meinen Augen zeichnet sich hier jedoch ab, dass die Arbeitsgerichte zu einer automatischen Reduzierung der Urlaubstage tendieren", sagt Könemann.
Klarer ist die Situation bei der Frage, ob das Urlaubsgeld gekürzt werden darf. Arbeitgeber dürfen diese Zahlung wegen Kurzarbeit nicht mindern. Sie müssen dem Arbeitnehmer für den Mindestjahresurlaub, der laut EU-Recht besteht, das ursprünglich vereinbarte Entgelt zahlen. Die Höhe des Urlaubsgeldes hängt dabei von der individuellen vertraglichen Regelung ab, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber getroffen haben.