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Leserfrage zum Coronavirus Mache ich mich strafbar, wenn ich trotz Kurzarbeit voll arbeite?

Der Freund einer Leserin soll auch in Kurzarbeit 60 Stunden pro Woche in den Betrieb kommen. Macht er sich strafbar, wenn er dem Betrieb zu Subventionen verhilft? Die Leserfrage des Tages.
Trotz Kurzarbeit eine volle Arbeitswoche - darf das sein?

Trotz Kurzarbeit eine volle Arbeitswoche - darf das sein?

Foto: Dekdoyjaidee/ iStockphoto/ Getty Images

Unsere Leserin Maria Baumbach fragt: Ein Freund arbeitet in einem Betrieb, in dem für einen bestimmten Kollegenkreis schon Kurzarbeit besteht. Jetzt soll auch er selbst Kurzarbeitergeld erhalten, aber weiterhin die volle Stundenzahl (bis zu 60 Wochenstunden) arbeiten. Macht er sich strafbar, wenn er dem zustimmt, also dem Betrieb zu Subventionen verhilft, obwohl sein Arbeitspensum nicht weniger wird?

Die Antwort gibt Florian Gontek, Redakteur im Ressort Job & Karriere des SPIEGEL:

Tatsächlich macht sich Ihr Freund hier strafbar. In welchem Rahmen, das ist von verschiedenen Voraussetzungen abhängig. Die Haupttat begeht hier zunächst der Arbeitgeber, der das Kurzarbeitergeld unter falscher Angabe des Arbeitsausfalls beantragt.

Die Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld sind im Sozialgesetzbuch III geregelt. Kurzarbeit kann der Arbeitgeber demnach anmelden, wenn Arbeitsausfall vorliegt, der unvermeidbar ist. Er muss auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen.

Der Betrieb muss grundsätzlich alles Mögliche getan haben, um diesen zu vermindern oder zu beheben. Mindestens zehn Prozent der Beschäftigten des Unternehmens müssen dabei von einem Entgeltausfall von mehr als zehn Prozent ihres monatlichen Bruttogehalts betroffen sein.

Im konkreten Fall liest es sich so, als falle bei bis zu 60 Wochenstunden in Zeiten von Corona sogar ein Mehr an Arbeit im Betrieb an. Wer in einem solchen Fall dennoch die Förderung vom Staat beantragt, täuscht. 

"Hier liegt ein Betrug, gegebenenfalls in der speziellen Form, ein Subventionsbetrug durch den Arbeitgeber vor. Der Arbeitnehmer kann sich dabei wegen Beihilfe strafbar machen", sagt Dirk Christian Kolata, 41, Rechtsanwalt aus Eschborn. Schon die bloße Zustimmung des Mitarbeitenden zu Mehrarbeit, während der Arbeitgeber Kurzarbeit angemeldet hat, kann hier ausreichen.

Coronavirus, Covid-19, Sars-CoV-2? Was die Bezeichnungen bedeuten.

Coronavirus: Coronaviren sind eine Virusfamilie, zu der auch das derzeit weltweit grassierende Virus Sars-CoV-2 gehört. Da es anfangs keinen Namen trug, sprach man in den ersten Wochen vom "neuartigen Coronavirus".

Sars-CoV-2: Die WHO gab dem neuartigen Coronavirus den Namen "Sars-CoV-2" ("Severe Acute Respiratory Syndrome"-Coronavirus-2). Mit der Bezeichnung ist das Virus gemeint, das Symptome verursachen kann, aber nicht muss.

Covid-19: Die durch Sars-CoV-2 ausgelöste Atemwegskrankheit wurde "Covid-19" (Coronavirus-Disease-2019) genannt. Covid-19-Patienten sind dementsprechend Menschen, die das Virus Sars-CoV-2 in sich tragen und Symptome zeigen.

Die Situation des Arbeitnehmers ist in einem solchen Fall schwierig. Um die eigene Strafbarkeit zu mindern oder zu verhindern, sollte er die Tat des Arbeitgebers bei der Bundesagentur für Arbeit melden. Dies ist auch anonym möglich.

Zunächst sollte man jedoch das Gespräch mit dem Arbeitgeber und - wenn im Unternehmen vorhanden – mit dem Betriebsrat suchen und darauf hinweisen, dass Mehrarbeit während angemeldeter Kurzarbeit strafbar ist.

"Wenn der Arbeitgeber dann nachdrücklich darauf aufmerksam macht, dass die eigene berufliche Zukunft bei einer Weigerung in Gefahr ist, würden wir uns dem Bereich der Nötigung oder Erpressung durch den Arbeitgeber nähern", sagt Kolata. Die Strafbarkeit des Arbeitnehmers wegen Beihilfe wäre dann zwar noch immer nicht vom Tisch, der Druck, der ausgeübt wird, würde sich jedoch zumindest mildernd auf die Strafe auswirken.

Der hier geschilderte Subventionsbetrug ist zuletzt im Rahmen der Finanzkrise 2008 häufiger aufgetreten. Auch im Nachgang der Coronakrise sei mit weitläufigen Kontrollen zu rechnen, sagt Kolata. Bereits jetzt werden Sonderprüfungsgruppen bei den Arbeitsagenturen eingerichtet, die in Verdachtsfällen die Staatsanwaltschaft einschalten. Es ist davon auszugehen, dass Arbeitnehmer auch jetzt häufiger betroffen sind und Beschuldigte in Ermittlungsverfahren werden können.

Der Arbeitgeber dürfte den Arbeitnehmer nicht kündigen, weil er hier als Whistleblower fungiert hat. Dennoch: Das Tischtuch zwischen beiden dürfte dann wohl zerschnitten sein.  

Leserfragen zum Coronavirus

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Auch Schwarzarbeit ist in diesem Kontext ein Thema, wenn die durch die Kurzarbeit reduzierte Vergütung "schwarz" aufgestockt wird. Hier wären wir im Bereich der Lohnsteuerhinterziehung und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt und Sozialversicherungsbeiträgen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden sich auch hier gleichsam strafbar machen.  

flg
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