In Kooperation mit

Job & Karriere

Corona und die Arbeitswelt Was Beschäftigte jetzt wissen müssen

Muss ich arbeiten, wenn mein Kind nicht in die Kita kann? Bekomme ich weiter Lohn? Was passiert mit der Krankenversicherung? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Arbeitsrecht.
Von Dietmar Hipp, Karlsruhe
Vater im Homeoffice: Was muss er beachten?

Vater im Homeoffice: Was muss er beachten?

Foto: Getty Images/Westend61

Schulen und Kindergärten sind in den meisten Bundesländern bis Mitte April geschlossen. Was bedeutet das für mich, wenn ich meine Kinder nun selbst betreuen muss?

Müssen die Kinder betreut werden, haben Eltern zunächst alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, die Betreuung anderweitig sicherzustellen. Ist das nicht möglich, "dürfte in der Regel ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers bestehen", heißt es auf den Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Es sei deshalb "nicht zwingend erforderlich, Urlaub zu nehmen". (Weitere Infos vom Ministerium finden Sie hier .)

Doch das ist beschönigend. Denn wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht zur Arbeit müssen, haben sie normalerweise auch keinen Anspruch auf Lohn oder Gehalt. "In der jetzigen Situation sind auch die Arbeitnehmer in einer misslichen Lage", sagt die Kölner Arbeitsrechtlerin Nathalie Oberthür. "Man sollte nicht so tun, als sei das völlig komplikationslos", sagt auch der Münchner Arbeitsrechtler Marc André Gimmy. Und weiter: "Im Grunde ist die jetzige Situation im Gesetz nicht vorgesehen."

Zwar gibt es nach Paragraf 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) einen Entgeltfortzahlungsanspruch - aber das gilt nur bei kurzfristiger und unverschuldeter Verhinderung. Ist von vornherein klar, dass die Verhinderung länger dauert, ist fraglich, ob das überhaupt greift. Und selbst wenn, gilt das nur für bis zu fünf Tage. Zudem ist Paragraf 616 BGB in vielen Arbeits- und Tarifverträgen ohnehin ausgeschlossen. Hinzu kommt: Ohne das Entgelt werden auch Sozialleistungen nicht bezahlt - schlimmstenfalls könnte, bei einem mehrwöchigen Ausfall, sogar der Krankenversicherungsschutz erlöschen. "Da gibt es gravierende Folgeprobleme", sagt Gimmy, "deshalb ist allen Arbeitnehmern anzuraten, das Arbeitsverhältnis auch in der jetzigen Situation nicht einfach ruhen zu lassen, sondern die Entgeltzahlung durch eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber trotz der Quarantänemaßnahmen sicherzustellen."

Möglich wäre, von zu Hause zu arbeiten oder zu anderen Arbeitszeiten, wenn die Kinderbetreuung sichergestellt ist. Vielleicht können auch Überstunden abgebaut werden. Oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer häufen ein negatives Stundenkonto an, also Unterstunden, die sie später abarbeiten. Auf Unternehmensebene wäre auch Kurzarbeit eine Option - zumal der Gesetzgeber deren Einführung soeben wegen der Coronakrise erleichtert hat.

"Da sind kreative Lösungen gefragt, auf beiden Seiten", sagt Gimmy. Auch Oberthür sagt: "Wir brauchen ganz viel gemeinsames Handeln, statt nur zu fragen: Wem steht was zu?"

Notfalls muss der Arbeitnehmer aber Urlaub nehmen. Für die gesamte Zeit. Selbst dann, wenn damit ein Großteil des Jahresurlaubs verbraucht wird.

Der Arbeitgeber ist noch nicht einmal verpflichtet, den Urlaub zu genehmigen - wenn betriebliche Gründe dagegensprechen. Der Arbeitnehmer kann letztlich zwar zu Hause bleiben, wenn es keine andere Möglichkeit gibt - aber eben ohne Entgelt und Sozialleistungen. Selbst eine Kündigung könnte theoretisch im Raum stehen - sie dürfte aber, sagt Gimmy, in einem solchen Fall unverhältnismäßig sein.

Wäre eine Lösung, dass ich unbezahlten Urlaub nehme?

Unbezahlter Urlaub ist letztlich eine unbezahlte Freistellung - auch da entfällt die Sozialversicherungspflicht. Dauert eine solche unbezahlte Freistellung länger als einen Monat, endet das Sozialversicherungsverhältnis; will man dann vermeiden, dass der Krankenversicherungsschutz erlöscht, muss man sich selbst versichern. "Soll dies nicht gelten, müsste der Gesetzgeber hier längere Fristen vorsehen", sagt Arbeitsrechtler Gimmy. 

Habe ich einen Anspruch, von zu Hause zu arbeiten? Oder darf ich mein Kind mit zur Arbeit nehmen?

Das Kind mit zur Arbeit nehmen, darf man nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Arbeitgebers. Auch einen Anspruch auf Homeoffice gibt es normalerweise nicht, sagt Arbeitsrechtlerin Oberthür. Wenn es allerdings prinzipiell möglich ist, betriebliche Interessen nicht dagegensprechen und es für den Arbeitnehmer zwingend ist, dann "sollte sich ein Arbeitgeber in der jetzigen Situation nicht dagegen sperren", sagt Oberthür. Man könnte sogar überlegen, so Oberthür, ob es jetzt nicht doch ausnahmsweise einen solchen Anspruch gibt.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Muss ich zur Arbeit, wenn ich Angst habe, mich dort anzustecken?

Solange es keine objektive Gefahr gibt, muss man zur Arbeit, sagt Arbeitsrechtlerin Oberthür. Der Arbeitgeber hat aber dafür Sorge zu tragen, dass es sichere Arbeitsbedingungen gibt. Er muss also zum Beispiel dafür sorgen, dass Arbeitnehmer fernbleiben, die infiziert oder sogar krank sein könnten. Notfalls muss er sie wieder nach Hause schicken.

Muss der Arbeitgeber seinen Betrieb oder Teile davon vorübergehend schließen, bekommt der Arbeitnehmer im Normalfall sein Entgelt weiterhin. Es sei denn, im Arbeits- oder Tarifvertrag steht etwas anders, zum Beispiel wenn auch der Arbeitgeber nichts dafür kann - wie es zurzeit in der Regel der Fall ist.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat jetzt Heimkehrer aus Risikogebieten, wie Italien oder Madrid, aufgefordert, sich für zwei Wochen in "freiwillige Quarantäne" zu begeben. Was bedeutet das arbeitsrechtlich? Was gilt bei einer amtlich angeordneten Quarantäne?

"Auch wenn das der Bundesgesundheitsminister sagt, ist es keine Rechtfertigung, einfach zu Hause zu bleiben", sagt Arbeitsrechtler Gimmy. Im Grunde gilt Ähnliches wie bei der Kinderbetreuung: Der Arbeitnehmer muss eine einvernehmliche Lösung mit dem Arbeitgeber finden. Das sollte möglich sein, schließlich hat auch der Arbeitgeber ein Interesse daran, seine anderen Beschäftigten zu halten, und ist verpflichtet, den Gesundheitsschutz zu beachten.

Bei einem solchen, eher kurzen Zeitraum von 14 Tagen, sagt Oberthür, wäre es auch denkbar, das Arbeitsverhältnis "zum Zweck des Epidemieschutzes einvernehmlich ruhen zu lassen". Um auch den Sozialversicherungsschutz zu wahren, sollte dies aber unter Fortzahlung des Entgelts erfolgen.

Notfalls müsste der Arbeitnehmer Urlaub nehmen. "Man kann sich nicht selber freistellen", sagt Oberthür.

Anders sieht es aus, wenn die Gesundheitsbehörde eine offizielle Quarantäne gegen den Arbeitnehmer verhängt hat: Dann muss er natürlich zu Hause bleiben. Er bekommt sein Gehalt vom Arbeitgeber weiterbezahlt - der kann sich dann eine entsprechende Entschädigung vom Staat holen. Wenn die Quarantäne länger als sechs Wochen dauern sollte, hat der Arbeitnehmer direkt Anspruch auf die Entschädigung - allerdings nur noch in Höhe des Krankengeldes. Die freiwillige Quarantäne kostet den Staat dagegen nichts - jedenfalls nicht unmittelbar.

Sollten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich krank werden, können sie sich ohnehin krankschreiben lassen. Genauso können sie, wie bisher auch, für einige Tage zu Hause bleiben, wenn die Kinder krank sind. Entgelt gibt es aber nur in Fällen, in denen Paragraf 616 BGB anwendbar ist.

Wann kann ich mich krankschreiben lassen?

Wie sonst auch - bei Arbeitsunfähigkeit. Es gibt aber eine Erleichterung: Krankschreibungen sind bei "Patienten mit leichten Erkrankungen der oberen Atemwege" momentan auch ohne Praxisbesuch möglich. Das heißt: Man kann sich auch telefonisch an einen Arzt wenden und bekommt die Krankmeldung zugeschickt. Darauf hatten sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung Anfang März geeinigt. Das gelte zunächst für vier Wochen.

Bei Krankheit wird natürlich wie bisher das Entgelt zunächst fortgezahlt, nach sechs Wochen gibt es Krankengeld. In den USA etwa gibt es keinen Entgeltfortzahlungsanspruch. "Dort schleppen sich jetzt die Kranken weiter zur Arbeit, nur um ihren Lohn nicht zu verlieren", sagt Gimmy. "Dort werden wir bald ein Chaos erleben." Trotz der Belastungen, die es nun auch hierzulande für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt, sei "unser System deutlich wettbewerbsfähiger".

Muss ich Kita- oder private Schulgebühren weiter bezahlen, wenn die Einrichtungen geschlossen sind?

Oft geht es hier um beträchtliche Summen - die noch mehr wehtun, wenn das eigene Entgelt in der Zeit wegfällt. "Ich würde das erst einmal zurückhalten oder kürzen", sagt Arbeitsrechtler Gimmy. Denn die Leistung - Kinderbetreuung - würde wegen der Schließung auch nicht erbracht. Und hier sollte das Hilfsprogramm der Bundesregierung greifen, sodass sich der Träger der Schule oder Kita eine entsprechende Entschädigung vom Staat holen könnte. Letztlich, so Gimmy, sollte man sich aber "auch hier um eine einvernehmliche Lösung bemühen".

Kann mein Arbeitgeber mich drängen, weniger zu arbeiten, weil Kunden und Aufträge ausbleiben?

"Nein, drängen geht nicht", sagt Arbeitsrechtler Gimmy. Das Unternehmen muss entweder von den gesetzlichen Kurzarbeitsregeln Gebrauch machen, und zwar einvernehmlich mit dem Arbeitnehmer oder dem Betriebsrat, oder es muss mit den Arbeitnehmern individuelle Vereinbarungen treffen. Das gilt auch für unbezahlte Freistellungen. Das Problem aber ist, warnt Gimmy: "Macht der Arbeitnehmer nicht mit, dann droht ihm letztlich die betriebsbedingte Kündigung und der Arbeitsplatzverlust."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten