
Wunderbare Welt der Werbung: Die skurrilsten Denglisch-Kapriolen
Denglische Werbung Worst Case ist keine Wurstkiste
Dieser Spot ist legendär. 1984 warb die amerikanische Klopsbrater-Kette Wendy's so: Drei alte Damen stehen vor einem riesigen Hamburger, nehmen das gewaltige Oberteil des Brötchens ab und entdecken nur ein winziges Stück Fleisch. Aufgebracht krächzt eine von ihnen: "Where's the beef?" Flugs machte der Werbefilm den markanten Satz zum Synonym für die Frage aller Fragen: Wo ist das Fleisch, wo ist die Substanz hinter imposanten Verpackungen?
Auch für einen Streifzug durch die Abgründe der denglischen Werbesprache ist das die Leitfrage. Wir Deutsche lieben die englische Sprache, und das schon recht lange. Das ist einer der Gründe, warum wir ständig neue englische Wörter erfinden, wie Handy oder Public Viewing, die es in der Originalsprache gar nicht gibt oder dort etwas völlig anderes bedeuten. In den USA verkauft der handyman selten Mobiltelefone, sondern ist einfach ein Handlanger, und unter public viewing versteht man dort die öffentliche Aufbahrung eines Verstorbenen.
Diese Liebe treibt seltsame Blüten. Nicht nur, dass sich - ausschließlich auf Deutsch singende Schlagerstars - schon seit den sechziger Jahren gerne englische Künstlernamen geben, wie Roy Black, Mary Roos oder Chris Roberts. Auch unsere Werbung ist über die Jahre immer englischer geworden.
Wörter wie "Schlussverkauf", "Rabattaktion" oder "reduziert" verschwinden allenthalben zugunsten des englischen Wortes sale, was eigentlich auch nur "Verkauf" heißt. Moderner soll das klingen, ist es auch sinnvoll? Problematisch ist es auf jeden Fall dann, wenn Werbung nicht mehr verstanden wird. Das kommt wesentlich häufiger vor, als man glauben mag, und betrifft keineswegs nur ausländische Marken und Unternehmen. Viele Werbesprüche, meist Slogans und von Werbeprofis Claims genannt, werden mehrheitlich missverstanden.
"Mach deinen Brotkasten selber"
Hin und wieder ist das egal: Wenn Kunden den früheren Burger-King-Spruch Have it your way als "Nimm's mit auf den Weg" übersetzen, ist das zwar völlig falsch, tut aber nicht weh. Heikler ist es dann schon, wenn die Bierwerbung Welcome to the Beck's experience als "Willkommen beim Beck's Experiment" verstanden wird - oder Come in and find out als "Komm rein und finde wieder raus" (so warb die Parfümerie Douglas).
Ganz skurrile Übersetzungen wie zum Beispiel "Mach deinen Brotkasten selber" für den Spruch Broadcast yourself von YouTube kommen oft nur dann zustande, wenn man entsprechend nachfragt. Häufig werden englische Sprüche, die man nicht versteht, einfach ausgeblendet. Was für das Unternehmen letztlich bedeutet, dass man den Spruch auch hätte weglassen können.
Peinlich kann englische Werbung in Deutschland dann werden, wenn man aus Unwissenheit falsche Vokabeln verwendet. Oder Deutsch und Englisch unvorteilhaft mischt und dann auf echte englische Muttersprachler trifft. Für die hört sich nämlich ein Backshop bestenfalls wie ein "Hinterhofladen" an, schlimmstenfalls wie ein Laden für den A…. So wenig wie der Worst Case eine Wurstkiste ist, ist ein Bodybag ein Rucksack (der auf Englisch übrigens rucksack heißt) - sondern ein Leichensack. Und ein Bad Guide klingt für einen Engländer nicht nach einem Badezimmer-Leitfaden, sondern einfach wie ein "schlechter Führer". Und damit waren wir ja in Deutschland schon zur Genüge bedient.
Nichts zu sagen? Say it in Broken English!
Der Anteil von Englisch in der Werbung stagniert seit zehn Jahren auf hohem Niveau, ohne dass dabei das Verstehen zugenommen hätte. Etwa 25 der 100 am häufigsten in der Werbung verwendeten Vokabeln sind englisch, und 72 bis 75 Prozent der Konsumenten verstehen englische Werbung nicht im Sinne ihrer Absender. Das sind die Durchschnittsergebnisse der Claim-Studien von Endmark; die Kölner Markenagentur befragt dazu seit 2003 regelmäßig jeweils über tausend Verbraucher.
Dass sich an dieser hohen Englisch-Quote nichts ändert, hat mehrere Gründe. Oftmals sitzen die Entscheider für solche Kampagnen tatsächlich nicht in Deutschland. So konnte sich beispielsweise die deutsche Werbeleitung von Renault nicht gegen den neuen Spruch wehren, der das frankophone Statement Créateur d'automobiles abgelöst hat. Jetzt heißt es bei Renault Drive the Change, was nachweislich eine Mehrheit nicht versteht.
Ein anderer Grund liegt in einer Überschätzung der Englischkenntnisse der Verbraucher, zumal viele deutsche Werbeexperten im englischen Sprachraum studiert und gearbeitet haben. Das verschafft ihnen selbst einen ganz anderen Zugang zur englischen Sprache als dem Gros der Deutschen.
Also sprach die Lichtgestalt: "Kala joa Laif"
Viel banaler und schwieriger nachzuweisen, aber ganz sicher vorhanden ist das Phänomen "Englisch als Notlösung" - nämlich immer dann, wenn keine gute deutsche Werbeaussage gelingt. Getreu dem Motto: Wenn du nicht weißt, was du sagen sollst, dann sag es auf Englisch. Häufig paart sich mangelnde Verständlichkeit mit fragwürdiger Relevanz eines Werbespruchs.
Ein schönes Beispiel bildet der aktuelle Spruch von Sat.1: Colour your life. Dass das "Bring Farbe in dein Leben" heißen soll, lässt sich vielleicht noch ableiten, aber auf Deutsch wäre dieser Spruch - über 40 Jahre nach Einführung des Farbfernsehens - ziemlich belanglos. In Englisch fällt das weniger auf.
Die Glaubwürdigkeit allerdings leidet. Wenn Franz Beckenbauer in die Kamera lächelt und mit bajuwarischem Akzent "Kala joa Laif" ins Mikrofon spricht, wirkt das schlicht unauthentisch. Und ebenso wenig nimmt man Jürgen Klopp ab, dass er privat jemals Enjoy! rufen würde, wie er es in der aktuellen Seat-Werbung ständig tut.
La-la-lass dich nicht veräppeln
Englisch ist nicht pauschal schlechter als Deutsch in der Werbung, es kann weltoffener, moderner und dynamischer wirken - aber eben auch albern, verwirrend, kompliziert. Zumeist ist die deutsche Muttersprache emotionaler und relevanter. Ein guter Werbespruch lässt sich auf andere Situationen des Alltags übertragen, zum Beispiel Nicht immer - aber immer öfter, Quadratisch, praktisch, gut oder Unterm Strich zähl ich.
Diese Alltagstauglichkeit lässt sich gut überprüfen, wenn es den inhaltlich gleichen Spruch in zwei Sprachen am Markt gibt. So wirbt Toyota seit 1985 mit Nichts ist unmöglich und Adidas seit 2006 mit impossible is nothing . Welche Sprachvariante davon in Deutschland lebensnäher ist, dürfte eindeutig sein.
Ganz peinlich wird es, wenn maßgebliche Repräsentanten einer Marke die eigenen englischen Sprüche nicht übersetzen können. Im Rahmen der Claim-Studien und bei den Recherchen zu dem Buch "Übersetzt du noch oder verstehst du schon?" befragte Endmark natürlich auch die Pressestellen englisch werbender Unternehmen, wie sie denn ihren jeweiligen Spruch verstanden wissen möchten.
Bei 12 von 75 Unternehmen (16 Prozent) war die eigene Pressestelle ratlos und wollte oder konnte ihren jeweiligen Spruch nicht übersetzen. Damit befinden die Pressesprecher sich im Einklang mit 61 Prozent der deutschen Bevölkerung (ab 14 Jahre), die laut einer aktuellen Allensbach-Studie auf die Frage "Verstehen Sie Englisch?" mit "nein" oder "kaum" antworteten.
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