Berufsbildungsbericht Nur jeder fünfte Betrieb bildet noch aus

Mechaniker-Ausbildung in Berlin
Foto: Bernd von Jutrczenka/ picture alliance / Bernd von JutSelbst Ivanka Trump findet die deutsche Berufsausbildung richtig gut. Als Bundeskanzlerin Merkel auf ihrem US-Besuch mit der Tochter und Beraterin des Präsidenten sprach, warben die mitgereisten Wirtschaftsbosse offensiv für das duale Ausbildungssystem. Und wenn Ivanka Trump demnächst zur Vorbereitung des G20-Gipfels Deutschland besucht, soll sie sich auch ein berufliches Ausbildungszentrum ansehen.
Die Lage von Azubis und Ausbildungsbetrieben ist allerdings längst nicht so rosig, wie es Wirtschaftsvertreter auf Auslandsreisen gern darstellen. Das lässt sich seit heute detailliert nachlesen im neuen Berufsbildungsbericht, der dem Kabinett vorgelegt wurde.
Das Schlüsselwort ist dröge, es heißt "Passungsprobleme": Wie bringt man Bewerber zum passenden Betrieb und verschafft den Betrieben die passenden Auszubildenden?
Im vergangenen Jahr sind zum Stichtag 30. September 43.500 Lehrstellen unbesetzt geblieben, 4,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Zwar findet sich oft noch der ein oder andere Azubi nach dem Stichtag, aber die Autoren des Berichts konstatieren: "Viele Unternehmen haben zunehmend Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen."
Andererseits ist die Zahl der Bewerber ohne Lehrstelle immer noch zu hoch: 20.600 haben keinen Ausbildungsplatz bekommen. Das ist zwar ein Rückgang, aber nur um 1,1 Prozent. Und diese Zahl erzählt nicht die ganze Geschichte.
Fehlen Azubis, fehlt später Fachpersonal
Denn viele Jugendliche verbringen erst mal ein Jahr im sogenannten Übergangsbereich. Eigentlich sind solche Programme dazu da, Bewerber für den Lehrstellenmarkt fit zu machen, etwa, wenn sie in Schulfächern schlecht waren, die für ihre Wunschstelle wichtig sind. Tatsächlich sind sie aber auch eine Art Parkplatz für Unversorgte. Und hier ist die Zahl stark angestiegen, um 12,2 Prozent. Fast 300.000 junge Menschen begannen 2016 ein Programm im "Übergangsbereich".
Fehlen den Firmen Azubis, haben sie später auch Probleme, Fachpersonal zu bekommen; außerdem sind sie so immer weniger motiviert, zum System der Berufsausbildung beizutragen. Nur noch jeder fünfte Betrieb bildet mindestens einen Lehrling im dualen System aus. 2007 war es noch fast jede vierte Firma. Tendenz: weiter fallend.
Und auf der anderen Seite haben rund 1,95 Millionen Menschen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren keine abgeschlossene Berufsausbildung. Das heißt: 13,4 Prozent dieser Altersgruppe haben keine echte berufliche Perspektive. Die Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht gestiegen.
Chancen "so gut wie nie" - in der Theorie
Die Suche nach Gründen ist offenbar schwierig. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge blieb mit 520.300 gegenüber 2015 praktisch konstant. Auch weist der Bericht darauf hin, dass rein rechnerisch auf 100 Bewerber 104,2 Stellenangebote kommen.
Berufsbildungsbericht 2017: Die wichtigsten Zahlen
Unbesetzte Stellen | 43.500 | +4,5% gegenüber Vorjahr |
Bewerber ohne Lehrstelle | 20.600 | -1,1% gegenüber Vorjahr |
Bewerber im Übergangsbereich | 298.000 | +12,2 gegenüber Vorjahr |
Anteil Betriebe mit Ausbildung | 20,0% | Vorjahreswert 20,3% |
Abgeschlossene Ausbildungsverträge | 520.300 | -0,4% gegenüber Vorjahr |
Daraus wird in der Interpretation der Bundesregierung: Die Chancen seien für Bewerber "so gut wie nie" - was statistisch gesehen ja stimmt. Nur sind die Angebote nicht immer in der richtigen Gegend, im richtigen Job oder von einem Chef, mit dem der Bewerber gut auskommt. Passungsprobleme eben.
Zu den Gründen hat das Bundesinstitut für Berufsbildung, das den Bericht verantwortet, auch die Firmenchefs befragt. Zum Teil genügen die Bewerber den Ansprüchen der Unternehmen nicht. Dafür spricht auch, dass nicht einmal die Hälfte der Bewerber mit Hauptschulabschluss den direkten Übergang in die Ausbildung schafft.
Zur Verbesserung könnte man also bei der Lage der Hauptschulen ansetzen - ein weites Feld. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert eine Ausbildungsgarantie, damit kein Bewerber leer ausgeht.
Hubertus Heil von der SPD will mehr Unterstützungsangebote machen. Damit würde dann wohl der Übergangsbereich weiter wachsen. Außerdem soll laut Heil die Zahl der Ausbildungsplätze steigen.
Das wird wohl nur über finanzielle Anreize des Staates für die Firmen gehen, schließlich kann man sie nicht zwingen. So hatten die Spitzenverbände der Wirtschaft sich selbst verpflichtet, 20.000 Ausbildungsplätze mehr als 2014 an die Bundesagentur für Arbeit zu melden. Das Ziel wurde zwar mit 28.000 Plätzen übererfüllt. Rechnet man alle statistischen Verschiebungen heraus, so die Kritik der Arbeitnehmervertreter im Bericht, waren es aber nur 5100 Plätze.
Mit Material von dpa