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Abgemahnt, gefeuert, geklagt Die Arbeitsrechts-Urteile der Woche

Wenn Chef und Mitarbeiter streiten, haben oft Richter das letzte Wort. Was ist die gerechte Strafe für Stalking? Wurden eine schlagende Pflegerin und ein Schmiergeld-Banker zu Recht fristlos entlassen? Ein Überblick über neue Urteile.
Aufdringliche E-Mails vom Kollegen? Stalker dürfen fristlos gekündigt werden

Aufdringliche E-Mails vom Kollegen? Stalker dürfen fristlos gekündigt werden

Foto: Corbis

Stalker muss mit Kündigung rechnen

Er soll sie in Ruhe lassen - das hatte die Verwaltungsmitarbeiterin ihrem Kollegen deutlich gesagt. Der Angestellte aber stellte ihr weiter nach. 2007 teilte das Land ihm nach einem Beschwerdeverfahren mit, eine unmittelbare Kontaktaufnahme habe "auf jeden Fall zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zu unterbleiben".

Doch der Angestellte, seit 1989 beim Land beschäftigt, tat es wieder. Im Oktober 2009 warf eine Leiharbeiterin ihm vor, unerträglich belästigt und bedrängt zu werden. Der Mann habe sie mit E-Mails geflutet und angerufen, sie im Büro aufgesucht, sich wiederholt und aufdringlich in ihr Privatleben eingemischt - und auch noch gedroht, er könne dafür sorgen, dass sie keine Festanstellung bekomme. Nach Anhörung beider Seiten kündigte das Land dem Verwaltungsangestellten fristlos.

Stalking ist keine Petitesse, das ist klar. Aber rechtfertigt es eine sofortige Entlassung ohne vorherige Abmahnung? Auf eine förmliche Abmahnung nämlich hatte der Arbeitgeber 2007 verzichtet. Erst urteilte das Arbeitsgericht zugunsten des Landes, in zweiter Instanz jedoch das Landesarbeitsgericht zugunsten des gefeuerten Angestellten.

In der Revision hat zuletzt das Bundesarbeitsgericht entschieden - und eine fristlose Kündigung in einem schweren Fall von Stalking für grundsätzlich zulässig erklärt. Normalerweise muss ein Mitarbeiter zunächst eine einschlägige Abmahnung erhalten, arbeitsrechtlich das mildere Mittel als eine fristlose Kündigung und ein letzter "Schuss vor den Bug". Wer aber den ausdrücklichen Wunsch einer Kollegin, ihre Privatsphäre zu respektieren, mit Füßen tritt und bereits ausreichend gewarnt war, muss mit der außerordentlichen Kündigung rechnen (Aktenzeichen 2 AZR 258/11).

Trotzdem muss sich nun das Landesarbeitsgericht erneut mit dem Fall beschäftigen, weil es nicht ausreichend geprüft habe, ob angesichts der Vorgeschichte eine Abmahnung entbehrlich war, so die Erfurter Bundesrichter - wie fast immer kommt es vor Gericht auf den Einzelfall und die Schwere des Fehlverhaltens an.

Teure Terrasse: Der Banker und das Schmiergeld

Geldspritze fürs eigene Heim: Geschenke vom Geschäftspartner sind tabu

Geldspritze fürs eigene Heim: Geschenke vom Geschäftspartner sind tabu

Foto: Heiko Wolfraum/ picture-alliance/ dpa

Die Vorschriften gegen Korruption im öffentlichen Dienst sind strikt. So dürfen Beamte keinerlei Geschenke annehmen, die mehr als einen geringfügigen Wert haben - und was geringfügig ist, das legt der Staat als Arbeitgeber oft sehr streng, fast kleinlich aus: Ein Plastikkuli mit Werbeaufdruck ist noch kein Problem, bei geschenktem Marzipan oder einer Flasche Wein für zehn Euro wird es schon knifflig.

Auch viele Unternehmen haben sich längst rigorose Anti-Korruptions-Richtlinien verpasst, im arbeitsrechtlich verbindlichen "Code of Conduct". Kein Schmiergeld, so lautet die Devise. Und wer Vorteile annimmt, riskiert den Job.

In einem Fall aus Nordrhein-Westfalen trieb es ein Banker deutlich zu bunt. Seit fast einem Vierteljahrhundert schon war er bei der Bank beschäftigt, zuletzt als Direktor und Vertriebsleiter. Auf seinem Privatgrundstück ließ er sich eine Terrasse samt Beleuchtung bauen - dafür zahlte ein Geschäftspartner der Bank. Der Arbeitgeber des Vertriebsleiters bekam das spitz und setzte ihn vor die Tür, mit zwei fristlosen Kündigungen im Dezember 2010 und im Februar 2011.

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Bakschisch und Co.: Noch beschenkt oder schon bestochen?

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Der Fall ging vors Arbeitsgericht und anschließend vors Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Verzwickt daran: Der Banker sagte aus, er habe die Rechnungen für die Terrasse korrekt bezahlt. Dass er von der Kosten-Übernahme durch den Geschäftspartner nichts gewusst habe, sagte zu seinen Gunsten ein Handwerker aus, der die Bauleistungen ausgeführt hatte. Die Düsseldorfer Richter ordneten das aber als glatte Lüge ein - weil die Indizien deutlich dagegen sprachen. Rechnungen zufolge hatte der Geschäftspartner die Kosten des Terrassenbaus einem anderen Projekt zugeschlagen.

Vor dem Arbeitsgericht hatte der Bankmitarbeiter noch gewonnen, doch das Landesarbeitsgericht hielt die Vorwürfe für bewiesen und entschied eindeutig: Die "Schmiergeldzahlung berechtigte die Bank zur fristlosen Kündigung" (Aktenzeichen 6 Sa 1081/11). Eine Revision gegen das Kündigungs-Urteil ließ das Gericht nicht zu. Nur in einem Punkt hatte der Angestellte Erfolg und erhält noch die Tantieme für das Jahr 2010. Denn für unwirksam erklärten die Richter eine Klausel im Arbeitsvertrag, nach der eine durch Arbeitsleistung verdiente Tantieme bei Ausscheiden vor dem Jahresende komplett entfällt.

Vage Vorwürfe in der Personalakte reichen nicht

War da was? Vorwürfe müssen klar belegt sein, um eine Abmahnung zu rechtfertigen

War da was? Vorwürfe müssen klar belegt sein, um eine Abmahnung zu rechtfertigen

Foto: Corbis

Eine Abmahnung ist der erste Schritt zu einer Kündigung. In einer Personalakte können auch "Ermahnungen" an den Arbeitnehmer gesammelt sein. Vage Vorwürfe reichen aber nicht - sowohl Abmahnungen als auch Ermahnungen muss der Arbeitgeber konkret aufführen. Andernfalls kann nämlich der Mitarbeiter nicht erkennen, mit welchem Verhalten genau er welche Pflichten verletzt hat.

Das geht aus einem Urteil des Arbeitsgerichts Trier im Streit um einen Lehrer hervor. Er unterrichtete an einem Landesuntersuchungsamt und koordinierte zudem Schulzweige von Gesundheitsfachschulen in Rheinland-Pfalz. Zum einen wurde dem Lehrer vorgeworfen, Schulleiter zu spät über Änderungen von Stundenplänen und Examens-Anforderungen informiert zu haben. Zum anderen ging es um angebliches Mobbing gegen eine Lehrerin.

Der Arbeitgeber schickte dem Lehrer eine "schriftliche Ermahnung". Darin wird unter anderem der Vorwurf vorgetragen, dass er sich gegenüber der Lehrerin "abwertend und ungebührlich verhalten haben soll" und "ohne Grund massive Kritik geübt haben soll". Dagegen wehrte sich der Lehrer per Klage und wollte erreichen, dass die Ermahnung aus seiner Personalakte entfernt wird.

Das ist ihm gelungen. Ob die Vorwürfe zutreffen oder nicht, damit setzten sich die Trierer Richter nicht näher auseinander. Für sie zählte allein, dass die Vorwürfe konkret genug benannt werden. So gebe das Ermahnungsschreiben lediglich die Mobbing-Vorwürfe wieder. "Es kommt aber nicht darauf an, was der Kläger getan haben soll, sondern darauf, was er getan hat", so das Gericht. Der Arbeitgeber dürfe nicht mutmaßen oder spekulieren, sondern müsse Vorwürfe klar benennen und belegen. In diesem Fall müsse die Sammelermahnung aus der Personalakte verschwinden, entschieden die Richter (Aktenzeichen 3 Ca 1013/11).

Kranke Beamte können Geld statt Urlaub bekommen

Bett statt Strand: Die Reise fällt aus, doch die freien Tage bleiben erhalten

Bett statt Strand: Die Reise fällt aus, doch die freien Tage bleiben erhalten

Foto: Friedel Gierth/ picture alliance / dpa

Der Feuerwehrmann schaute in die Röhre: Zwei Jahre vor seiner Pensionierung war er krank geworden und konnte fortan seinen Urlaub nicht mehr nehmen. 26 Urlaubstage pro Jahr, dazu die Feiertage - insgesamt 86 Urlaubstage stauten sich auf, bis er 2009 in den Ruhestand ging. Das deutsche Beamtenrecht jedoch sah dafür keinerlei Vergütung vor, denn demnach verfällt Urlaub, der nicht spätestens neun Monate nach Ende des Urlaubsjahres angetreten wird: Und futsch wären die 86 Tage.

Das sah der Frankfurter Brandmeister nicht ein und forderte einen finanziellen Ausgleich von knapp 17.000 Euro. Das Verwaltungsgericht legte den Fall dem Europäische Gerichtshof in Luxemburg zur Vorabentscheidung vor, und Anfang Mai entschied der EuGH: Dass der Urlaub einfach verfällt, ist nicht rechtens, dem dienstunfähigen Feuerwehrmann steht dafür Geld zu.

Seit 2003 garantiert eine europäische Richtlinie allen Arbeitnehmern, ob bei privaten oder öffentlichen Arbeitgebern, einen bezahlten Jahresurlaub von mindestens vier Wochen. Das gilt auch für Beamte. Wenn das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass dieser Mindesturlaub genommen wurde, müsse der Beschäftigte eine finanzielle Entschädigung erhalten, so die Luxemburger Richter.

Der Vergütungsanspruch gilt für die vier Wochen Jahresurlaub. Über dieses Minimum dürfen die EU-Mitgliedsstaaten hinausgehen - drunter bleiben dürfen sie aber nicht. Der EuGH entschied auch, der Verfallszeitraum von neun Monaten sei zu kurz für die Übertragung von krankheitsbedingten Urlaubsansprüchen. Mehr als ein Jahr müsse es auf jeden Fall sein (Aktenzeichen C-337/10).

Schlagende Pflegerin zu Recht entlassen

Tatort Pflegeheim: Bei Handgreiflichkeiten folgt der Rauswurf

Tatort Pflegeheim: Bei Handgreiflichkeiten folgt der Rauswurf

Foto: Sven Hoppe/ dpa

Pflegekräfte haben einen harten Job, körperlich anstrengend und psychisch zermürbend. Aber nie, nie, nie dürfen sie gegen Heimbewohner handgreiflich werden. Geschieht das doch, müssen sie mit einer fristlosen Kündigung rechnen.

Das hat das Arbeitsgericht Neunkirchen entschieden. In einem Fall von Ende 2011 hatte die Leitung eines Heimes für behinderte Menschen einer Mitarbeiterin vorgeworfen, gegenüber einer Bewohnerin tätlich geworden zu sein. Eine andere Kollegin habe fahrlässig ein Medikament falsch verabreicht und es außerdem gegen die Richtlinien unterlassen, zeitnah einen Arzt zu informieren. Danach habe sie versucht, den Vorfall zu vertuschen.

Die Pflegerinnen, beide Betriebsratsmitglieder, wurden gefeuert. Zu Recht, entschieden die Richter - die Vorwürfe sahen sie als erwiesen an und waren überzeugt davon, dass das Heim die Mitarbeiterinnen sofort entlassen durfte (Aktenzeichen 4 BV 8/11 und 2 BV 2/11).

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