In Kooperation mit

Job & Karriere

Bundesarbeitsgericht Dienstreisen als Arbeitszeit - was das Urteil bedeutet

Die Stunden im Auto, im Flugzeug, in der Bahn - alles Arbeitszeit, wenn es sich um eine Dienstreise handelt. Die Entscheidung wirkt sich nicht nur aufs Geld aus. Die Hintergründe, die Folgen.

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Dienstreisezeit als Arbeitszeit zu bewerten ist. Bei dem Urteil ging es um die Hin- und Rückreise zu einer Auslandstätigkeit. Ein Mitarbeiter eines Bauunternehmens hatte geklagt, weil ihm für eine Reise nach China nur jeweils acht Stunden pro Reisetag angerechnet wurden, obwohl die tatsächliche Reisezeit deutlich länger war.

In einer Pressemitteilung des Gerichts  heißt es, Reisen zu einer auswärtigen Arbeitsstelle seien "in der Regel wie Arbeit zu vergüten". Dabei müsse nur geprüft werden, welche tatsächliche Reisezeit anzusetzen sei. Im konkreten Fall hatte der Mitarbeiter um eine spezielle Flugverbindung mit Zwischenstopp gebeten, obwohl ein Direktflug verfügbar gewesen wäre.

Welche Folgen hat das Urteil?

Vor allem Arbeitgeber, deren Mitarbeiter viel reisen, müssen durch das Urteil mit hohen Zusatzkosten rechnen. Arbeitnehmer können dagegen auf bessere Entlohnung für Dienstreisen oder Freizeitausgleich hoffen. Doch das ist noch nicht alles. Das Urteil könnte die Arbeitswelt grundlegend verändern, sagen Experten.

Bahram Aghamiri, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg, spricht von einem Wechsel der Rechtsprechung. "Das könnte nicht nur Auswirkungen auf die Vergütung, sondern auch auf die arbeitszeitschutzrechtliche Bewertung von Dienstreisen haben", sagt Aghamiri. "Das hätte weitreichende Folgen, weil sich dann zum Beispiel die Frage stellen würde, ob man überhaupt Dienstreisen antreten darf, die länger dauern als elf Stunden."

Laut seiner Einschätzung wäre die Neuregelung nicht auf Auslandsreisen beschränkt, sondern müsste auch im Inland gelten. Um all das endgültig bewerten zu können, müsse man aber die Urteilsbegründung abwarten. Das Bundesarbeitsgericht teilte auf Nachfrage mit, dass die Begründung voraussichtlich in sechs bis acht Wochen vorgelegt wird.

Urteil zu Dienstreisen als Arbeitszeit: Warum sich Angestellte nicht zu früh freuen sollten

Müssen Arbeitgeber jede einzelne Dienstreisestunde als Arbeitszeit bezahlen? Ein aktuelles Gerichtsurteil legt das nahe. Doch Angestellte sollten sich nicht zu früh freuen, sagt Anwalt Hanno Rädlein im Interview. 

Wie bewerten Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände das Urteil?

Auch Marta Böning, Arbeitsrechtexpertin beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), gibt zu bedenken, dass man die Entscheidungsgründe abwarten müsse. Erst dann könne man beurteilen, "inwieweit der Entscheidung zugrunde liegende Erwägungen generell auf die Vergütung der Dienstreisen im Inland übertragbar sind".

Grundsätzlich vertrete der DGB aber seit Langem die Auffassung, "dass alle Dienstreisezeiten - auch solche außerhalb der regulären Arbeitszeit - generell vergütungspflichtige Arbeitszeit sind. Das muss nach unserer Überzeugung gleichermaßen für In- und Auslandsdienstreisen gelten", sagt Böning.

Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) will die Entscheidung nicht überbewerten. "Die bisher lediglich vorliegende Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts ist so unpräzise formuliert, dass sich keine Auswirkungen auf den Groß- und Außenhandel ableiten lassen", teilte BGA-Pressesprecher André Schwarz auf Anfrage mit.

Da sich das Urteil "auf eine spezielle tarifliche Regelung der Bauindustrie" beziehe, ließe sich "kein allgemeiner Grundsatz entnehmen, dass Dienstreisezeit generell vergütungspflichtige Arbeitszeit" sei. Zudem betonte Schwarz, dass in der Pressemitteilung explizit von Dienstreisen ins Ausland die Rede sei. Insofern ließen sich keine Parallelen für Dienstreisen innerhalb Deutschlands ableiten.

Wie ist die Abrechnung von Dienstreisen bislang geregelt?

"Bisher gilt, dass aufgrund von Dienstreisen geleistete Mehrarbeit grundsätzlich nicht als Arbeitszeit zu vergüten ist", sagt Aghamiri. "Es sei denn, der Mitarbeiter ist explizit verpflichtet, während der Dienstreisezeit Arbeit zu leisten, oder es gibt Regelungen im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder tarifliche Vereinbarungen, die eine Vergütungspflicht ausdrücklich vorsehen."

Wenn keine explizite Regelung vorliegt, gilt der gesetzliche Mindeststandard, nach dem dienstlich veranlasste Reisekosten nach Aufwand zu erstatten sind. Hierzu zählen neben den reinen Fahrtkosten auch Mehraufwendung für Verpflegung, Übernachtungskosten und Reisenebenkosten.

In vielen Branchen regeln Tarifverträge, dass Dienstreisezeiten zu vergüten sind. "Diese Vergütungsansprüche können Gewerkschaftsmitglieder kostenlos über den gewerkschaftlichen Rechtsschutz geltend machen", sagt DGB-Expertin Böning.

Die Dienstreisenvergütung für Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter sowie Soldatinnen und Soldaten ist im Bundesreisekostengesetz  geregelt, das in seiner aktuellen Form im Mai 2005 in Kraft trat. Neben der Erstattung von Fahrt- und Übernachtungskosten haben Beamte Anspruch auf Tagegeld oder eine pauschale Aufwandsentschädigung.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren