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Fernarbeiter während Corona "Viele sind erleichtert, gerade nicht so viel reisen zu müssen"

Digitale Nomaden haben keine Lust auf ein Büro in Deutschland. Sie klappen ihre Laptops an den schönsten Orten der Welt auf - aber geht das auch in Zeiten von Corona? Wir haben mit vier Wanderarbeitern gesprochen.
Aufgezeichnet von Florian Gontek
Johannes Voelkner

Johannes Voelkner

Foto: Privat

Johannes Voelkner, 36, arbeitet seit 2008 aus der Ferne und veranstaltet Events für Menschen, die rund um den Globus arbeiten. Aktuell lebt er auf Mallorca.

"Mein Geld verdiene ich damit, Kreuzfahrten für digitale Nomaden und Menschen zu organisieren, die remote arbeiten - aus der Ferne also: Ich plane mobile Konferenzen auf einem Kreuzfahrtschiff. In diesem Monat wollten wir von Kolumbien nach Portugal fahren. Jetzt ist meinem kleinen Team und mir für dieses Jahr das gesamte Geschäft weggebrochen. 

Ich blicke dennoch positiv auf das, was kommt: Denn Remote Work wird dank Corona ein noch viel größeres Thema werden. Sobald es weitergeht, wird dezentrales Arbeiten viel üblicher. Leute werden Arbeit mit Urlaub verbinden. Wir erwarten, dass die Nachfrage für unsere Events deutlich zunimmt. 

Auch für die Tourismusindustrie kann es in Zukunft ein riesiger Markt werden, wenn sie sich mehr auf uns Fernarbeiter einstellt und entsprechende Strukturen schafft. Wer im Homeoffice arbeitet, kann dies bald auch vom Hotel in Spanien aus tun. Jeder Standort, der sich besser auf die Bedürfnisse der Remote Worker einstellt, braucht sich bald keine Sorgen mehr um Gäste zu machen.

Ich arbeite seit einigen Monaten aus Mallorca. Nach Deutschland zu kommen ist aktuell schwierig. Doch die Zeit gerade nutze ich, um Vergangenes zu überdenken und die Zukunft zu koordinieren. Wir Nomaden sind extrem gut darin, uns an unterschiedliche Bedingungen anzupassen - das kommt uns jetzt zugute. Viele von uns sind erleichtert, gerade nicht so viel reisen zu müssen. Die mangelnde Reisefreiheit jetzt gibt uns auch die Ruhe, nicht immer weiter zu eilen.“

Christoph Huebner

Christoph Huebner

Foto: Leni, Leon & die Luchse

Christoph Huebner, 37, ist Geschäftsführer eines Anbieters für Kinderkrankenversicherungen. Derzeit lebt er im Oman.

"Wir bieten Krankenversicherungen für Kinder an. Das ist eine eher untypische Branche für Remote Worker. Doch unsere Firmenkultur steht dafür, Arbeit mit Reisen und Unabhängigkeit zu verbinden: Meine Mitarbeiter sollen sich die Arbeit so legen können, dass es mit der Betreuung der Kinder am besten passt. Andere, wie ich, reisen permanent durch die Welt. Als wir unser Unternehmen 2010 gegründet haben, hat es ehrlich gesagt ein bisschen gedauert, bis alles so lief, wie wir uns das vorgestellt hatten.

Heute arbeiten wir papierlos und cloudbasiert, begleitet von einem externen Datenschutzbeauftragten – rund um den Globus. Für meine Arbeit brauche ich nicht viel. Eigentlich nur meinen Laptop, an den ein mobiler Bildschirm angeschlossen ist. Meetings machen wir wöchentlich über Videotelefonie, persönlich treffen wir uns dreimal im Jahr irgendwo in Europa. Wir beraten überwiegend am Telefon, unsere Kunden gewöhnen sich erst langsam an Videotelefonie. Aus der Ferne zu arbeiten, ist gerade in der Versicherungsbranche gar nicht so einfach. Dinge wie papierlose Unterschriften sind in Deutschland noch immer ein Problem.

Dadurch, dass wir bereits so früh auf dezentrales Arbeiten gesetzt haben, ist unser Geschäft von der Coronakrise kaum betroffen. Ich bleibe also hier im Oman und arbeite weiter.

Ich glaube, dass sich die Welt der Arbeit gerade fundamental verändert. Ein Zurück an den Schreibtisch wird es so einfach nicht geben. Die Arbeitgeber werden merken, wie gut Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit funktioniert. Mitarbeiter werden das einfordern. Wir werden in einer neuen Arbeitswelt aufwachen, davon bin ich überzeugt."   

Nicole Öhlmann

Nicole Öhlmann

Foto: Lea Darányi

Nicole Öhlmann, 36, arbeitet als Webdesignerin auf Bali.

"Ich bin gerade gemeinsam mit meinem Freund Sándor auf Bali. Wir arbeiten hier in einer Wohnung mit Blick aufs Reisfeld. Eigentlich wollten wir vor zwei Wochen nach Vietnam ausreisen. Unser Flug wurde jedoch gecancelt. Hier wird die ganze Situation sehr ernst genommen. Die Menschen halten sich an die Abstandsregelungen und alle desinfizieren sich die Hände. Auch die Schulen hier sind geschlossen. Seit 2017 bin ich große Teile des Jahres unterwegs und arbeite oft remote. Gerade sind wir dabei, eine eigene Agentur aufzubauen. Wir haben uns auf Webdesign spezialisiert und kümmern uns auch um Suchmaschinenoptimierung.

Gerade haben wir noch zwei Aufträge reinbekommen, mit denen wir uns gut über Wasser halten können. Wir arbeiten mit Fotografen, Coaches, Designern oder Eventveranstaltern. Das sind Branchen, die es schwer haben gerade. Wir haben aber auch Kunden, die sich nun digitalisieren wollen. Dozierende an Universitäten zum Beispiel. Unter der Woche beginnen unsere Tage morgens um acht. Wir gehen zwischendurch mal an die Luft, arbeiten, bis es dunkel wird und schauen dann noch einen Film. Sorgen machen wir uns nicht um uns, eher um Freunde und Familie. Wir haben etwas Geld beiseite gelegt. Gerade jetzt gibt das ein gutes Gefühl." 

Fabian Henze

Fabian Henze

Foto: Privat

Fabian Henze, 34, ist Gründer aus Berlin – und arbeitet mit seiner Freundin Ania derzeit aus Mexiko.

"Ich arbeite aktuell von Playa del Carmen in Mexiko aus, meine Freundin Ania und ich sind schon einige Monate unterwegs. Richtung Deutschland geht gerade nichts mehr. Daher arbeiten wir hier aus einem Ein-Zimmer-Apartment mit Bett und Küche – aber immerhin mit wunderschönem Balkon. Ania ist Businesscoach. Sie konzipiert nun Videokurse. Ich betreibe eine Jobplattform. Beides ist gerade schwierig. Ich recruite für größere Unternehmen. Auch dort haben sie derzeit andere Probleme, als neue Mitarbeiter zu finden und Stellenanzeigen zu buchen.

Da es in unseren beiden Jobs etwas ruhiger wird, haben wir ein neues Projekt auf die Beine gestellt: Eine Plattform, die Leute in Zeiten von sozialer Distanz miteinander verbinden soll. Man legt dort ein Profil mit seinen Interessen an und hinterlegt seine Kontaktdaten auf verschiedenen Videochatkanälen. Man erhält dann von anderen keine Freundschaftsanfrage, sondern eine Rückrufbitte. So kann man sich direkt connecten, wenn man mag. Die Idee dafür kam mir, weil mein Neffe an einer schweren chronischen Krankheit leidet. Aus Schutz für ihn meidet meine Schwester soziale Kontakte, bis es einen Impfstoff oder Medikament gegen das Coronavirus gibt. Um sozial nicht völlig abgeschnitten zu sein, habe ich die Plattform gemacht. Wir sind auch schon online. Finanziell ist das Projekt nicht attraktiv. Ich habe schon einige Unternehmen mitgegründet und konnte mich so durch Verkäufe ganz gut absichern. Hier geht es mir rein um die Sache. 

Ania und Ich haben uns derzeit ein Kontaktverbot zu anderen auferlegt. Wir gehen jeden Morgen zum Sonnenaufgang an den Strand, machen Sport und besprechen unseren Tag. Danach arbeiten wir im Ein-Stunden-Rhythmus. Unsere fünf Minuten brauchen wir zwischendurch, sonst würden wir wohl ohne Pause durcharbeiten. Gegen sechs Uhr am Abend ist dann Schluss. Mit unserem Visum dürften wir noch fünf Monate bleiben, das entspannt uns. Playa del Carmen ist auf Touristen ausgelegt. Gerade sind kaum welche hier. Die Supermärkte sind daher ausgestattet, die Krankenhäuser nicht überfüllt. Viele Einheimische, etwa in der Tourismusbranche, haben jedoch ihren Job verloren. Die Angst ist da, dass die Menschen auf die Barrikaden gehen und es soziale Unruhen geben könnte. Ich gehe davon aus, dass mein Unternehmen überlebt. Aber es kommt darauf an, wie lange das alles noch dauert."

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