Bewerbungen Schöne Frau, schick besser kein Foto

Zu schön für die Arbeitswelt: Bewerberin Barbie wäre chancenlos
Foto: Christopher Lane/ Getty ImagesDer Lebenslauf makel- und lückenlos, ein Foto wie fürs Modelcasting, was kann da schon schiefgehen? So einiges. Zwei israelische Forscher widerlegen mit einer neuen Studie die These, dass sich Schönheit im Beruf durchweg auszahlt, dass hübsche Frauen leichter und schneller Karriere machen.
Gut aussehende Frauen, die ein attraktives Foto auf ihren Lebenslauf pappen, werden nämlich seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen als Frauen, die gar kein Bild oder ein mittelmäßiges einsenden. Männer dagegen punkten mit ihrem Aussehen: Attraktive Kerle bekommen doppelt so oft positive Antworten wie Durchschnittstypen. Das haben Bradley Ruffle und Ze'ev Shtudiner von der Ben-Gurion- und der Ariel-Universität herausgefunden. So verblüffend wie dieses Ergebnis sind auch ihre Schlussfolgerungen - was da in den Personalabteilungen passiert, habe viel mit Neid und Angst vor Rivalinnen zu tun.
Für ihre Studie verschickten die israelischen Wirtschaftswissenschaftler je zwei Bewerbungen auf eine Stellenanzeige, einmal mit Foto und einmal ohne. Die Hälfte der Bilder zeigte Durchschnittsgesichter, die andere Hälfte besonders hübsche. Für die Beispiele mussten Studenten und Studentinnen der Ben-Gurion-Universität herhalten. Wer den Forschern sein Passbild schickte, bekam dafür rund zehn Euro.
Vorab ließen Ruffle und Shtudiner die Fotos von vier weiblichen und vier männlichen Juroren bewerten, darunter Haarstylisten, PR-Berater, Bildhauer, Betriebswirte. Sie vergaben Schönheitspunkte von eins bis neun; nach dieser "Hot or not"-Skala wurden die Studierenden in Schönheiten und Allerweltstypen eingeteilt.

Bewerbungsfotos: Bitte recht männlich
Insgesamt versendeten die Forscher über 5000 Bewerbungen auf Stellenanzeigen zwischen Juli 2008 und Januar 2010. Gesucht wurden Buchhalter, Ingenieure, Programmierer, Controller, Vertriebsleiter oder Kundenbetreuer. In den Anzeigen war keine Präferenz für ein Geschlecht erkennbar, ebenso wenig wurden Fotos verlangt. Anders als in Deutschland ist es in Israel üblich, Bewerbungen auch ohne Bild zu akzeptieren.
Zu schön für den Job
Die Schein-Bewerberpaare unterschieden sich nur durch die Fotos. Sie hatten jeweils das gleiche Geschlecht, identische Qualifikationen und hießen entweder Cohen oder Levi, die beiden häufigsten israelischen Nachnamen. Damit die Lebenslauf-Ähnlichkeiten nicht auffielen, wurden die Anschreiben in Abständen von einigen Stunden bis zu einem Tag verschickt. Für jeden angeblichen Bewerber richteten die Forscher eine E-Mail-Adresse und einen Anrufbeantworter ein.
Bald schon trudelten die ersten Einladungen zu Vorstellungsgesprächen ein - mit deutlichen Unterschieden: Im Vergleich zu hübschen Kerlen kassierten Männer mit Dutzendgesichtern doppelt so viele Absagen, nur jede elfte Bewerbung führte zum Erfolg. Besser hätten die Durchschnittstypen ganz auf Fotos verzichtet, denn Männer, die kein Bild mitschickten, wurden schon nach sieben Bewerbungen eingeladen. Richtig rund lief's für attraktive Männer: Sie brauchten nur fünf Anschreiben bis zum Jobinterview.
Damit hatten die Forscher gerechnet - Arbeitgeber bevorzugen gut aussehende Angestellte, na klar. Dann aber die Überraschung: Bei Frauen waren die Ergebnisse umgekehrt. Je hübscher, desto mehr Absagen. Am besten schnitten Bewerberinnen ab, die gar kein Foto einsandten - Einladungen gab es auf jedes sechste Anschreiben. Frauen mit durchschnittlichem Aussehen mussten dafür sieben Bewerbungen verschicken, attraktive Frauen acht.
Aber was unterscheidet hübsche Frauen von hübschen Männern? Zum Beispiel... der Blondinenwitz. Gibt's bekanntlich nur für Frauen. Haben Schönheiten also schlechtere Chancen, weil sie für dümmer gehalten werden? Die Wissenschaftler wollten es wissen. Sie ließen ihre Schönheits-Jury jeweils vom Foto auf die Intelligenz der Person schließen, wieder anhand der Skala von eins bis neun. Aber ohne signifikante Unterschiede - auf das Klischee des dummen Blondchens fiel niemand herein.
In den Personalabteilungen regieren Frauen
Große Unterschiede stellten die Forscher allerdings fest, als sie einen weiteren Faktor in die Analyse einbezogen: die Auswählenden. 75 Prozent der Fake-Bewerbungen gingen an Recruiting-Agenturen, 25 Prozent direkt an die Firmen. Frappierend: Sichteten Firmen-Personaler die Anschreiben, bekamen attraktive Frauen deutlich mehr Absagen. Männer nicht.
Übernahmen dagegen externe Personaldienstleister die Auswahl der Bewerber, wurden hübsche Frauen genauso oft zum Jobinterview eingeladen wie durchschnittlich aussehende, im Schnitt nach sieben Versuchen. Die wenigsten Schlappen kassierten die Frauen ohne Bild, jedes sechste ihrer Schreiben war erfolgreich. Noch besser schnitten nur hübsche Männer ab (fünf Anschreiben).

Bewerbungspannen: 15 kuriose Missgeschicke
Die wahre Schönheitsköniginnen-Verachtung fanden die Forscher in den firmeneigenen Personalabteilungen. Sie honorierten nur jede elfte Bewerbung einer attraktiven Frau mit einer Einladung zum Jobinterview, aber jede sechste eines hübschen Mannes. Bei Unterlagen ohne oder mit durchschnittlichem Foto wurde immerhin jede siebte Bewerberin eingeladen. "Offenbar wollen diejenigen, die in der Firma arbeiten, keine attraktiven Kolleginnen um sich herum haben", folgern Ruffle und Shtudiner.
Rivalinnen der Rennbahn
Was sind das bloß für sonderbare Personaler? Die Forscher hakten telefonisch nach, wer für die Bewerberauswahl zuständig war. Und siehe da, die Abteilungen waren fest in weiblicher Hand - 96 Prozent Frauenanteil bei den externen Agenturen, 85 Prozent intern.
Verhindern etwa Zickenkrieg und Stutenbissigkeit die Karrieren schöner Frauen? Genau, folgern Ruffle und Shtudiner aus ihren Befunden und formulieren diese These: Personalerinnen wollen keine attraktiven Kolleginnen, denn die könnten mit ihnen um die Aufmerksamkeit der männlichen Kollegen konkurrieren. Dagegen lässt das Aussehen der Bewerberinnen Frauen in externen Agenturen kalt, sie haben ja später nichts mit ihnen zu tun. Und hübsche Männer - die laden eben alle Recruiterinnen gern ein.
Wir halten also zweierlei fest: Benachteiligt werden hübsche Frauen und durchschnittlich aussehende Männer. Und Personaler, die sich so gern selbst als hoch professionell wie unbestechlich lobpreisen, erliegen allzu leicht menschlichen Schwächen, wenn die israelischen Wissenschaftler mit ihren Beobachtungen richtig liegen.
Ruffle und Shtudiner haben dazu gleich die passende Empfehlung - dass nämlich Bewerbungen ohne Fotos Standard werden sollten. In den USA oder Großbritannien zum Beispiel ist das normal. In Deutschland indes gibt es große Vorbehalte gegen anonymisierte Bewerbungen, auch wenn inzwischen einige große Unternehmen in einem Experiment testen, wie sie Bewerbungen fairer gestalten können.

Autorin Verena Töpper (Jahrgang 1982) ist KarriereSPIEGEL-Redakteurin.
