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Druckkündigung Wer kann alles eine Entlassung verlangen?

"Der oder wir!" Wenn Kollegen sich massiv über einen Mitarbeiter beschweren, wenn Kunden oder Lieferanten seine Entlassung fordern, gerät ein Arbeitgeber unter Druck. Das kann eine Kündigung rechtfertigen - aber nur selten.
Von Sabine Hockling und Jochen Leffers
Boss, böse: Auch im Aggregatzustand Wut darf er sich nicht jedem Druck beugen

Boss, böse: Auch im Aggregatzustand Wut darf er sich nicht jedem Druck beugen

Foto: Corbis

Manchmal staut sich bei Mitarbeitern der Unmut über einen notorisch verhaltensauffälligen Kollegen monate- oder jahrelang auf. Zum Beispiel, wenn ein Angestellter zu groben Beleidigungen neigt oder Frauen ausdauernd mit Sprüchen oder Handgreiflichkeiten sexuell belästigt. Normalerweise kann ein Arbeitgeber den Mitarbeiter dann abmahnen, ordentlich oder sogar fristlos kündigen - es sei denn, die Vorfälle bleiben unter der Schwelle, die eine Entlassung rechtfertigen.

Was selten vorkommt, aber geschehen kann: Die Belegschaft setzt die Geschäftsführung unter Druck. Sie hält eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kollegen oder Abteilungsleiter für schlicht unzumutbar und droht mit Streik oder eigenen Kündigungen. Das Betriebsklima ist ruiniert, alle Vermittlungsversuche scheitern, auch eine Versetzung bietet keine Lösung. Der Arbeitgeber sieht sich außerstande, den Konflikt beizulegen. Also greift er zum letzten Mittel: zur Druckkündigung.

Es ist kein klassischer Kündigungsgrund, es ist eine Ausnahmesituation. Sie kann ebenso eintreten, wenn wichtige Kunden oder Lieferanten auf die Barrikaden gehen und den Abbruch der Geschäftsbeziehungen ankündigen, sollte der Angestellte dort beschäftigt bleiben. Das Unternehmen sieht sich zum Handeln gezwungen und keinen anderen Ausweg mehr, als den Mitarbeiter nach massiven Beschwerden zu feuern.

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Die rechtlichen Anforderungen an solche Druckkündigungen sind allerdings streng. Zuvor muss ein Arbeitgeber prüfen, ob der Mitarbeiter an anderer Stelle beschäftigt werden kann. Außerdem wird von ihm verlangt, sich zunächst schützend vor den Mitarbeiter zu stellen, statt sich innerem oder äußerem Druck einfach zu beugen.

Arbeitgeber müssen somit alles versuchen, um Dritte von ihrer Drohung abzubringen und die Lage zu entspannen. Erst wenn das nicht möglich ist und gravierende Nachteile drohen, können sie eine betriebsbedingte Druckkündigung aussprechen. Auf eine Sozialauswahl berufen kann der Mitarbeiter sich in dieser Sondersituation nicht. Er ist zur Mitwirkung verpflichtet und sollte jederzeit aktiv zur Suche nach einer Lösung beitragen, um den Rauswurf doch noch abzuwehren.

Ein Aufstand der Belegschaft oder Beschwerden von Geschäftspartnern können also zu einer Druckkündigung führen, die Unternehmen aber nie leichtfertig oder lediglich als Vorwand aussprechen dürfen. Sie kommt allein dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber schwere wirtschaftliche Schäden befürchten muss und er alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft hat.

Wichtige Urteile und ihre Folgen

Wie schwierig eine Druckkündigung sein kann, zeigt ein Streit in einem Restaurant: Einem 37-jährigen Koch wurde sexuelle Belästigung von Kolleginnen vorgeworfen. Deshalb erhielt er einen Strafbefehl sowie (ohne vorherige Abmahnungen) zwei Kündigungen, die jedoch beide vom Arbeitsgericht Hamburg als unwirksam einkassiert wurden. Als dann drei Mitarbeiterinnen für den Fall seiner Weiterbeschäftigung damit drohten, selbst fristlos das Unternehmen zu verlassen, sprach der Arbeitgeber eine erneute Kündigung aus.

Doch auch diesmal vergeblich: Die Hamburger Richter sahen die Voraussetzungen nicht erfüllt. Um seiner Fürsorgepflicht nachzukommen, hätte der Arbeitgeber versuchen müssen, das Problem per Abmahnung oder Versetzung zu lösen. Da er sich nicht schützend vor den Mitarbeiter gestellt hatte, war auch die Druckkündigung unwirksam (Urteil vom 23. Februar 2005, Aktenzeichen 18 Ca 131/04 ).

Intensiv setzte sich das Bundesarbeitsgericht 2013 mit den Bedingungen für Druckkündigungen auseinander. Der Ausgangsfall: Im Zuge eines Insolvenzverfahrens verlangte eine Sparkasse als Finanzier einer Hotelimmobilie die Entlassung eines Hotelmitarbeiters, mit dem sie sich überworfen hatte. Im Falle seines Verbleibs war sie nicht bereit zu einer Verlustübernahmeerklärung von bis zu 100.000 Euro. Der Arbeitgeber befürchtete die Betriebseinstellung und kündigte dem Mann fristlos.

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Das Gericht unterschied zwischen zwei Fällen: Bei "unechten" Druckkündigungen gebe es in erster Linie personen- oder verhaltensbedingte Gründe, die per Druck durch Dritte lediglich verschärft würden. Bei "echten" Druckkündigungen dagegen drohe durch eine Drucksituation erheblicher wirtschaftlicher Schaden, der allein durch die Entlassung abgewendet werden könne. Dann sei eine betriebsbedingte Kündigung möglich, um etwa eine Insolvenz zu verhindern. Der Fall des Hotelmitarbeiters wurde zur erneuten Verhandlung ans Landesarbeitsgericht zurückverwiesen (Urteil vom 18. Juli 2013, Aktenzeichen 6 AZR 420/12 ).

Das rät Tobias Werner, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Die Rechtsprechung hat sehr hohe Hürden aufgestellt, um eine Druckkündigung durchzusetzen. Für Arbeitgeber heißt das, sie müssen zuvor alle Möglichkeiten der Deeskalation ausgeschöpft haben. Dennoch sollte "Problemmitarbeitern" klar sein, dass sie durch ihr Verhalten sehr schnell ihren Arbeitsplatz verlieren können. Denn wenn eine Abmahnung oder Versetzung das Problem nicht löst, ist eine Druckkündigung möglich. Eine Chance zum Gespräch erhalten sie nämlich nicht zwangsläufig, da Arbeitgeber nicht verpflichtet sind, sie vor der Druckkündigung anzuhören - die Situation ist ja bereits eskaliert.

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