Duales Studium Studenten auf zwei Gleisen

Öde Vorlesung? Duale Studiengänge bieten mehr Praxisbezug
Foto: Oliver Berg/ picture alliance / dpaIn den Semesterferien mit dem Rucksack durch Australien oder zum Sprachkurs nach Barcelona - davon kann Martin Nagel, 23, nur träumen. 20 Tage Urlaub hat er im Jahr, 800 Euro verdient er pro Monat, in den ersten beiden Jahren waren es nur 500 Euro. Trotzdem möchte Nagel mit seinen Kommilitonen nicht tauschen. Er hat sich bewusst für ein duales Studium entschieden.
An der Beuth Hochschule für Technik in Berlin lernt er für den Bachelor of Engineering, parallel arbeitet er bei Siemens. "Nur die Theorie zu hören, erschien mir recht langweilig", sagt er. Schon im ersten Semester fühlte er sich bestätigt: Die Grundlagen in Elektronik zu pauken, fand er vor allem anstrengend. Richtig begeistern konnte er sich erst, als er die Transferaufgabe bekam, für Siemens einen fahrerlosen Roboter zu entwickeln, der Fehler in Rohrleitungen erkennt. So sollte die Produktentwicklung simuliert werden. "Das war für uns Studenten eine sehr große Herausforderung, aber es hat richtig Spaß gemacht", sagt Nagel.
Duale Studiengänge sind zurzeit groß in Mode. Im Jahr 2011 gab es nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) 929 Angebote für Schulabgänger, die eine Ausbildung oder Praxisphasen in einem Betrieb mit einem Hochschulstudium kombinieren. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Zuwachs von rund 20 Prozent. Insgesamt verzeichnete die Datenbank im Jahr 2011 bereits mehr als 61.100 Studenten in Kombi-Ausbildungen. Im Jahr 2010 waren es noch 10.400 weniger.
Am Ende ist der Job oft so gut wie sicher
Das duale Studium sei für Unternehmen und Studenten eine Win-Win-Situation, sagt Jochen Goeser vom BIBB. Die Unternehmen zögen mit den jungen Schulabgängern ihren Firmennachwuchs so passgenau heran, wie sie ihn brauchen. Für die Schulabgänger sei das kleine monatliche Gehalt attraktiv - und die guten Übernahmechancen. Nach der Ausbildung ist der Job oft so gut wie sicher.
Bei rund jedem zweiten dualen Studiengang kooperiert das Unternehmen mit einer Fachhochschule. Ansonsten besuchen die Schulabgänger für die Theorie meist eine Berufsakademie. Die Kooperation mit Universitäten ist bislang noch ausgesprochen selten. Von den 929 Angeboten gab es nur 28 duale Studiengänge, in denen Firmen mit Universitäten kooperieren.

Für eher gemütliche Schulabgänger ist der straff strukturierte Stundenplan in einem dualen Studiengang allerdings nichts. "Die Theoriephasen sind ziemlich hart", sagt Martin Nagel. Er müsse viel Stoff in relativ kurzer Zeit lernen.
"Das duale Studium ist eine sehr fordernde Ausbildung", sagt Jörg Ruthardt, Berufsberater bei der Arbeitsagentur Stuttgart. "Viele der Studenten haben hinterher zwei Abschlüsse: eine abgeschlossene Lehre und ein abgeschlossenes Studium." Um das zu schaffen, brauche es ein gutes Zeitmanagement und viel Selbstdisziplin.
Wettbewerb um wenige Plätze
Dennoch ist das Interesse bei den Schulabgängern groß. "Es gibt viel mehr Bewerber als Plätze bei den dualen Studiengängen", so Goeser vom BIBB. Er schätzt, dass im Bereich Wirtschaftswissenschaften bis zu 120 Bewerber auf einen Studienplatz kommen können. Im Bereich Maschinenbau seien es 20 bis 30 Studenten, in der Informatik kämen lediglich drei bis fünf Bewerber auf einen Platz. Oft müssen Schulabgänger daher ein Assessment-Center durchlaufen, um an einen Studienplatz zu kommen.
Martin Nagel musste etwa bei Siemens erst eine Online-Bewerbung schicken und dann einen Online-Test in Mathe und Physik machen, bevor er zum Assessment Center in Erlangen eingeladen wurde. Dort standen noch einmal Einzelgespräche mit Personalern von Siemens an sowie Gruppendiskussionen, um die Soft Skills der Bewerber zu testen.
Martin Nagel setzte sich durch - obwohl sein Abiturdurchschnitt mit 2,6 nicht eben überragend ist. "Die Abiturnote ist im dualen Studium nicht immer entscheidend", sagt Goeser vom BIBB. Sehr wichtig sei in der Regel, dass die Bewerber überzeugend auftreten und gut begründen können, warum sie ein duales Studium machen wollen und wie beide Seiten davon profitieren werden.
Martin Nagel würde das duale Studium jedem Schulabgänger empfehlen. "Wer vom Lerntyp eher praktisch orientiert ist, für den ist das auf jeden Fall die richtige Wahl."