
Trainee vs. Duales Studium Strategien für den Aufstieg
Dass es um Lebensmittel ging, konnte nichts daran ändern: Nach nur einem Semester an der Universität wurde Muriel Mercier, 21, von all der Theorie schlecht. Sie schmiss ihr Studium der Ökotrophologie hin und entschied sich, lieber etwas Betriebswirtschaftliches zu versuchen. "BWL an der Uni kam aber gar nicht in Frage, ich wollte unbedingt endlich praktisch arbeiten", sagt sie. Eine Ausbildung schien ihr das Richtige.
Bei Unison Brokers, einem Netzwerk für Versicherungsmakler, fand Murcier eine Stelle - und bekam das Angebot eines dualen Studiums: drei Jahre halb Ausbildung, halb Studium, dazu die Möglichkeit, die Lehrinhalte sofort in die Praxis umzusetzen. Das überzeugte sie: "Warum erst studieren und dann in die Praxis gehen, wenn es auch gleichzeitig geht?" Die Hochschule durfte sie sich selbst aussuchen und entschied sich für die International Business School of Service Management (ISS) in Hamburg, eine staatlich anerkannte private Hochschule. Die Studiengebühren zahlt ihr Arbeitgeber.
Solche Kooperationen von Unternehmen und Universitäten sind bislang ausgesprochen selten. 929 duale Studienangebote gab es nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung im Jahr 2011; bei gut der Hälfte kooperiert das Unternehmen mit einer Fachhochschule. Ansonsten besuchen die Schulabgänger für die Theorie meist eine Berufsakademie.

"An der Uni sitzt man mit 300 Leuten in der Vorlesung, jetzt bin ich mit 18 Leuten in der Klasse, da fühle ich mich wesentlich wohler", sagt Muriel Mercier. Zudem findet sie eine Woche BWL am Stück lehrreicher als einzelne Vorlesungen, die sich aufs ganze Semester verteilen. Nicht unterschätzen dürfe man aber die Doppelbelastung: "Natürlich muss man sich auch am Wochenende mal hinsetzen. Und die Öffnungszeiten der Bibliothek überschneiden sich mit meinen Arbeitszeiten, das ist manchmal schwierig."
Der große Vorteil gegenüber dem klassischen Studium: Die Studenten bekommen vom ersten Tag an Geld. 635 Euro brutto verdient Murcier pro Monat. Dafür hat sie sich verpflichtet, nach dem Dualen Studium noch zwei Jahre in der Firma zu arbeiten. Murcier stört das nicht, im Gegenteil: "Es motiviert mich. Ich werde nicht mit allen anderen Studenten zusammen auf den Arbeitsmarkt geworfen, für viele ist das ja nach dem Studium schon ein Sprung ins kalte Wasser."
Wie eine Ehe auf Probe
Doris Brenner, die auch an Hochschulen Seminare zur Berufsorientierung gibt, hört solche Sätze immer wieder. "Arbeitsplatzsicherheit gewinnt für viele junge Menschen an Bedeutung", sagt sie. Im dualen Studium könne man das Unternehmen, in dem man später arbeiten möchte, kennenlernen - "das ist wie eine Ehe auf Probe." Und auch wer nicht bei seinem Arbeitgeber bleibe, habe auf dem Markt sehr gute Chancen. Denn wer eine Stelle für ein duales Studium ergattert, hat allein dadurch schon bewiesen, dass er Potential hat. "Die Bedingungen beim Dualen Studium sind meist deutlich besser als im klassischen, der Stoff wird kompakt vermittelt, es ist daher eher verschult", so die Karriereberaterin.
Den entgegengesetzten Weg von Muriel Mercier hat Jasmin Busemann eingeschlagen. Sie hat Wirtschaftsingenieurwesen studiert und ist jetzt Trainee bei Bosch. Mit dem dualen Studium hatte sie geliebäugelt, sich aber dann bewusst für das klassische Studium entschieden: "Ich wusste noch nicht, wohin ich will, wollte viel ausprobieren." Das habe sie auch gemacht - in mehreren Praktika; für eines investierte sie sogar ein ganzes Semester.
Dass sie bei der Ausbildung in einem dualen Studium mehr Verantwortung bekommen hätte, glaubt Busemann nicht. "Nur operative Mitarbeit und Kaffee kochen, das wollte ich nie, ich habe die Praktika wirklich genutzt, um mich breit fortzubilden und möglichst viel zu sehen während des Studiums", sagt sie. Wer in verschiedene Branchen hineinschnuppern will, für den sei ein klassisches Studium der richtige Weg. "Unterschiedliche Praktika können von Vorteil sein, man darf aber den Aufwand nicht unterschätzen, sich jedes Mal mehrfach zu bewerben und zu Gesprächen gehen zu müssen", so Karriereberaterin Brenner.
Trainees im Goldfischteich
Jasmin Busemann würde auf die Erfahrungen, die sie während der Studiums gemacht hat, nicht verzichten wollen. Auch nicht auf ihren Nebenjob in einem Kino. "Mein Chef hat mir Verantwortung für das Team gegeben, da habe ich festgestellt, dass mir Personalführung Spaß macht." So sei sie überhaupt erst auf die Idee gekommen, sich für das Trainee-Programm bei Bosch zu bewerben,
Wer besonders schnell Verantwortung für sein eigenes Team haben möchte und schon im Studium zu den Besten gehörte, für den ist laut Brenner das Trainee-Programm das Richtige: "Das ist bei vielen Unternehmen der 'Goldfischteich' oder die 'fast lane', da werden Leute mit exzellentem theoretischen Hintergrund gesucht, die weit überdurchschnittliches Potential haben."

Bosch bietet jährlich 70 Trainees den Sprung in diesen Goldfischteich an, hat aber auch jedes Jahr 270 Verträge für ein duales Studium zu vergeben. "Wir wollen als Unternehmen für Schüler, Abiturienten, Bachelor- und Master-Absolventen, Doktoranden und Berufserfahrene attraktiv sein und für jeden eine Möglichkeit bieten, ihn da mitzunehmen, wo er gerade ist", sagt Claudia Walter, Personalreferentin für Nachwuchsprogramme bei Bosch.
Dass man sich als dualer Student die große Management- oder Führungskarriere verbaut, die den Trainees offen steht, kann Karriereberaterin Brenner nicht bestätigen: "Das duale Studium hat ja keine gläserne Decke. Wenn Sie fünf Jahre in einem Unternehmen sind, weiß keiner mehr, ob Sie als Trainee, dual oder direkt eingestiegen sind, da zählt dann die Performance des Einzelnen."
Auch Claudia Walter von Bosch bestätigt das: "Wenn wir das Potential bei einem dualen Studenten feststellen, wird er nach einem Direkteinstieg mit einem der individuellen Programme gefördert und hat dann später die gleichen Möglichkeiten, Führungsaufgaben zu übernehmen."
Jasmin Busemann will das in sechs bis acht Jahren geschafft haben, dann würde sie gerne Abteilungsleiterin sein. Das findet sie wichtiger, als schon vor dem Studium Arbeitsplatzsicherheit zu haben: "Ich habe mir wenig Sorgen gemacht, dass ich keinen Job bekomme, das war für mich relativ weit weg", sagt sie. Auch, dass sie mit Beginn des Traineeprogramms einen unbefristeten Vertrag bei Bosch bekam, war für sie nicht ausschlaggebend: "Mir war klar, dass ein Unternehmen nach der großen Investition Interesse an mir haben wird."

KarriereSPIEGEL-Autorin Maria Huber (Jahrgang 1983) ist freie Journalistin in Hamburg. Am liebsten schreibt die gebürtige Bayerin über alle Themen rund um Gründung und Selbständigkeit und geht im Web und in sozialen Netzwerken auf die Suche nach Wissenswertem zum Arbeitsmarkt 2.0.