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Effektives Netzwerken "Es braucht eine gesunde Portion Selbstüberschätzung"

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos kommt die Wirtschaftselite zusammen – auch, um im exklusiven Zirkel zu netzwerken. Wie man im eigenen Umfeld bei der Kontaktpflege klug vorgeht, erklärt Netzwerk-Expertin Tijen Onaran.
Ein Interview von Maren Hoffmann

SPIEGEL: Frau Onaran, Davos ist das Elite-Event für Wirtschaftskontakte. Aber für jeden gibt es berufliche Netzwerke, die für die eigene Karriere entscheidend sind. Wie finde ich die relevanten Kontakte?

Onaran: Fangen Sie bei sich selbst an: Welche Kompetenzen, welche Talente können Sie einbringen? Was macht Sie interessant für andere? Daraus ergibt sich schnell, wer für Sie spannend sein könnte. Suchen Sie sich sieben Kontakte aus, die die relevanten Multiplikatoren in die entsprechenden Interessengruppen sind. Wer die sind, hängt davon ab, was Sie von Ihrem Netzwerk wollen: Wenn Sie in Ihrer Firma Karriere machen wollen, brauchen Sie gute interne Kontakte, wenn Sie wechseln wollen, externe, wenn Sie selbständig sind, auch mögliche Projektpartner. Sie brauchen gar nicht viele Kontakte, sondern die entscheidenden und die richtigen: Leute, die ans Telefon gehen, wenn Sie anrufen. Ein Netzwerk kann Ihnen helfen, Ihre Projekte und Themen sichtbarer zu machen, im Job besser zu werden – oder auch die nächsten Schritte auf der Karriereleiter in Angriff zu nehmen.

SPIEGEL: Wie aufwändig ist ein gut funktionierendes Netzwerk?

Onaran: Als Berufsanfänger muss man viel Zeit investieren und viele Menschen kennenlernen. Wie viel Aufwand man danach treibt, ist Typsache. Manche netzwerken täglich online, für andere reicht ein Branchentreff alle paar Wochen. Als Führungskraft hat man weniger Zeit, sollte aber darauf achten, dass das Netzwerk divers bleibt – Leute aus anderen Branchen, anderen Ebenen, vor allem anderen Firmen. Je mehr man aufsteigt, desto kleiner wird allerdings der Kreis derer, mit denen man sinnvoll netzwerken kann. In diesem Kreis sollte man sehr zielführend kommunizieren. Wenn ich weiß, was ich von jemandem erhoffe, würde ich beim ersten Termin gleich darauf zu sprechen kommen – das hilft dem Gegenüber sehr. Wenn Sie erst am Ende des Gesprächs erfahren, warum der andere Sie treffen wollte, ist das schwierig.

SPIEGEL: Wie vermeide ich, dabei plump mit der Tür ins Haus zu fallen?

Onaran: Sie sollen keine Verkaufsgespräche führen. Aber Sie brauchen eine Agenda, eine Strategie. Sehr ineffektiv ist das Visitenkarten-Roulette: Da stehen Menschen im Kreis und tauschen beliebig ihre Karten aus. Das bringt gar nichts. Sie müssen schon wissen, was Sie wollen und von wem. Es braucht dafür eine gesunde Portion Selbstüberschätzung. Entscheidend ist dabei "gesund":  Angeber kommen nicht weit. Wenn man sich selbst zu glänzend darstellt, fragt sich das Gegenüber: Und wozu braucht der dann mich noch?

Vier Netzwerk-Tipps von Tijen Onaran
  • Gehen Sie immer alleine auf Netzwerkveranstaltungen – zu zweit oder mit dem Team lernen Sie viel schwerer neue Menschen kennen.

  • Überarbeiten Sie Ihre digitalen Profile. Wichtig und aussagekräftig sind nicht Ihre Position im Unternehmen, sondern, für welche Themen Sie stehen und was Sie von anderen interessiert.

  • Bereiten Sie sich gut auf Veranstaltungen vor und setzen Sie sich konkrete Ziele, etwa, eine bestimmte Person kennenzulernen.

  • Für Introvertierte kann es gut sein, als Gastgeber mitzuarbeiten. Dann wissen Sie genau, was auf Sie zukommt, und stehen selbst weniger im Fokus. Stellen Sie sich kleine Aufgaben: Eine Wortmeldung bei einem Podium oder das Kennenlernen eines der Diskussionsteilnehmer.

SPIEGEL: Für introvertierte Personen sind zwanglose Get-together die Hölle. Was raten Sie diesen Menschen?

Onaran: Introvertierte sind eigentlich viel besser im Netzwerken, weil sie ein gutes Gespür für Stimmungen haben. Für solche Leute sind digitale Kanäle der absolute Türöffner. Da ist man selbst Agenda-Setter und kann genau bestimmen, was man wo preisgibt. Man muss nicht auf Partys gehen, um ein gutes Netzwerk zu haben.

SPIEGEL: Immer gut drauf, immer interessiert, immer euphorisch – niemand ist doch durchgehend so. Wenn man auf Xing oder LinkedIn guckt, scheint das aber die Regel zu sein. Das kann nerven.

Onaran: Es ist eine Gratwanderung: Es kann auch sein, dass das Umfeld für mich nicht passt, wenn ich da nicht so sein kann, wie ich wirklich bin. Aber man muss auch nicht alle Launen überall hineintragen und jedem seine Lebensgeschichte erzählen. Distanz gehört dazu, auch digital.

SPIEGEL: Wer sich digital vernetzt, bekommt oft sehr aufdringliche Anfragen. Gelten im Netz andere Gesetze als offline?

Onaran: Nein. Aber es kann viel effektiver sein, weil die Reaktionen schneller und zahlreicher sind. Wer digital gut aufgestellt ist, muss nicht mehr so viel Zeit auf abendfüllenden Veranstaltungen verbringen. Wichtig ist online wie offline direkte Kommunikation: Lieber ein klares und ehrliches Nein als ein unehrliches Ja. Manche Leute lassen ohnehin nicht locker, bis man klar sagt: Ich kann Ihnen in dieser Angelegenheit nicht weiterhelfen. Es kann durchaus eine gute Netzwerkstrategie sein, als schwer greifbar zu gelten.

SPIEGEL: Wie pflegt man seine Kontakte gut?

Onaran: Inflationäre Geburtstagsgratuliererei bringt wenig. Besser ist es, man überlegt: Wo gibt es inhaltliche Aufhänger? Wenn ich einen interessanten Artikel sehe, schicke ich den weiter und sage: Guck mal, darüber haben wir neulich gesprochen. Das bringt viel mehr, weil man in inhaltliche Dialoge kommt.

SPIEGEL: Wie stelle ich mich am besten neuen Kontakten vor?

Onaran: Sie sollten eine kurze Zusammenfassung von dem bieten, wer Sie sind und was Ihre Themen sind. Definieren Sie sich dabei nicht über Ihre Position im Unternehmen, sondern über diese Themen: Ich beschäftige mich schon lange mit dem Thema x, derzeit arbeite ich an y. Jemandem die eigene Berufsbezeichnung an den Kopf zu werfen ist wenig sinnvoll, auch, weil es mittlerweile viele Jobtitel gibt, bei denen auf Anhieb niemand versteht, was die Person eigentlich tut.

SPIEGEL: Wie trennt man beim Netzwerken Berufliches und Privates?

Onaran: Meine Devise ist: persönlich, aber nicht privat. Ich rede schon mal über meine Hobbys oder den Urlaub, aber nicht über Familienprobleme. Natürlich können Freundschaften entstehen, aber das muss nicht sein. Manche Kontakte verliert man mal ein paar Jahre aus den Augen – eine solche Pause kann auch entspannen.

SPIEGEL: Man kennt sich, man hilft sich. Wo beginnt Vetternwirtschaft?

Onaran: Da, wo es nicht mehr um die Leistung geht, sondern an Hotelbars geklüngelt wird. Aber die Zeiten ändern sich. Netzwerken verliert den negativen Beigeschmack, auch, weil es transparenter wird durch digitale Kanäle: Man sieht, wer mit wem wo und wie verbunden ist.

SPIEGEL: Wie wird man Gesprächspartner los, die einen selbst interessanter finden als umgekehrt?

Onaran: Sehr schlechter Stil ist es, zu sagen: "Ich hole mir mal was zu trinken" – und dann nicht wiederzukommen. Sagen Sie lieber: "Das war ein spannendes Gespräch, aber jetzt muss ich leider weiter." Und damit beenden Sie das Gespräch.

 

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