Ein Personalberater erzählt Das ABC des Headhunting

Heute ein König: Headhunter-Anfragen finden Angestellte oft schmeichelhaft
Foto: CorbisA wie Aufschwung
Gerade jetzt im Aufschwung kann man gut erklären, wie Personalberatung funktioniert. Die Unternehmen haben in der Krise nicht eingestellt und müssen endlich in neue Leute investieren. Personalleitern, die beispielsweise auf monster.de inserieren, wird die Bude mit Bewerbungen vollgenagelt. Leider sind die guten Leute, also jene, die gut beschäftigt sind, nicht darunter. Nach einer Krise sind die Guten verunsichert und überlegen dreimal, ob sie den Job wechseln sollen.
Da kommen wir Personalberater ins Spiel. Wir führen von außen Energie zu und zeigen auf, worin die Vorteile liegen, den Job zu wechseln. Und fast immer sind die Chancen größer als die Risiken.
B wie Blase
In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre haben sich sehr viele Leute als Personalberater selbständig gemacht. Die dachten: 80.000 Euro dafür, dass man einen guten Mann vermittelt? Kann ich auch. In Boomjahren fällt es auch nicht so auf, wenn jemand einen lauen Job macht, weil die Unternehmen auf jede Hilfe beim Besetzen der Stellen angewiesen sind. Aber als 2002 die letzte große Krise kam, sind zwei Drittel der Personalberater über die Wupper gegangen. Das war eine radikale Konsolidierung. Heute sind wieder über 4000 Personalberatungen da.
C wie Call In
Je höher die Leute in der Hierarchie stehen, zu denen ich Kontakt suche, desto einfacher ist die Kontaktaufnahme. Die meisten haben Einzelbüros und können ungestört sprechen. Außerdem sind sie schon qua Job extrovertierter und aufgeschlossen. Wenn mich etwa ein Finanzvorstand interessiert, rufe ich kurz am Arbeitsplatz an, um ein längeres Telefonat nach der Arbeit zu vereinbaren. Ich darf mit meinem Anliegen schon aus rechtlichen Gründen nicht so lange auf der Firmenleitung telefonieren, da muss man aufpassen. Deshalb führe ich das zweite Gespräch am Abend oder am Wochenende.
Wenn ich aber zum Beispiel IT-Leute suche, muss ich anders vorgehen. Wenn ich die direkt am Arbeitsplatz ansprechen, kriegen die einen Schlaganfall. Die sind introvertierter, ich muss sie viel behutsamer ansprechen.
D wie Datenbank
Ich habe gut 40.000 Namen in meiner Kartei. Das sind aber nicht alles frische Kontakte, nur wenige Hundert haben einen besonders hohen Stellenwert. Leider sind nur wenige Frauen darunter. Wenn es zehn Prozent sind, sind es viel. Unsere Suche speist sich aus drei Quellen: aus der Datenbank, aus den Bewerbungen, die wir bekommen, und aus dem Pool der Leute, die wir ausfindig machen.
E wie Executive Search
Der Begriff kommt von den Executives, so werden die Topführungskräfte bezeichnet. Um die kümmere ich mich bei uns im Haus. Früher wurden Headhunter nur für die Executive-Suche angeheuert, inzwischen hat sich das Berufsbild geändert. Personalberater suchen auf fast allen Ebenen Mitarbeiter für Unternehmen. Wir suchen Personalverantwortliche genauso wie Vertriebsleiter oder Office Manager.
Von F wie Frischfleisch bis J wie Jobsuche
F wie Frischfleisch
Ich kann nur jedem Studenten empfehlen, ein Praktikum in einer Personalberatung zu machen. Wir haben schon mehrmals unsere Praktikanten direkt weitervermittelt.
G wie Geld
Ein Headhunter ist nicht billig. Die Großkonzerne sind an die Summen gewöhnt, sie haben sowieso häufig Rahmenvereinbarungen mit Headhuntern. Der Mittelständler aber, der zum ersten Mal mit uns arbeitet, sagt erst mal: "Sind Sie wahnsinnig?" Unser Honorar orientiert sich am Zieleinkommen der Person, die wir suchen sollen. Wenn das eine 100.000 Euro-Position ist, bekommen wir zwischen 25.000 und 30.000 Euro. Das erste Drittel erhalten wir gleich zu Beginn, weil wir durch ganz Deutschland reisen, um Leute zu interviewen und viel Arbeit in die Recherche investieren müssen.

Headhunter: Die Kopfgeldjäger der Wirtschaft
Die Detektive bei uns sind die sogenannten Researcher, sie machen die Leute ausfindig, die ich dann anspreche. In der Regel haben wir 50 bis 70 Leute in der Identifikation, von denen wir 20 persönlich treffen. Fünf schlagen wir dem Kunden vor, wobei so lange gesucht wird, bis die Stelle besetzt ist.
H wie Headhunter
Ein Sonderfall der Personalberatung ist das Headhunting, also das gezielte Ansprechen und Abwerben einer ganz bestimmten "Zielperson". Auch das kam ursprünglich aus Amerika, diese Kopfjagd gibt es genauso aber auch in Deutschland und gehört natürlich auch zu meinem Job dazu.
I wie Irritationen
Wir suchen mittlerweile in Branchen und auf Ebenen, die früher von Personalberatern verschont geblieben sind. Einmal hat einer meiner Mitarbeiter einer Dame ausgerichtet, dass Herr Pape sie gern genauer kennenlernen würde, dass er in einem Hotel auf sie warten würde und ihr gleich die Zimmernummer sagen könne. Da war sie sehr verwirrt - ich denke, sie hat das Angebot wohl etwas missverstanden. Sie hat dann aufgelegt. Das passiert, wenn Menschen nicht wissen, was wir machen.
J wie Jobsuche
Ich kenne den Arbeitsmarkt seit 20 Jahren und weiß, dass Jobsuchen nicht nebenbei geht. Das ist eine Kunst, finde ich. Jobsuche ist auch ein Job, damit muss man sich unbedingt vorher auseinander setzen. Die meisten machen es aber "irgendwie" oder eben so, wie es die anderen machen. Das ist aber viel zu dünnes Eis, ob der Traumjob dabei herausspringt - reiner Zufall.
Wenn Sie auf Anzeigen reagieren oder sich initiativ bewerben, haben Sie schon etwas falsch gemacht. Der öffentlich zugängliche Arbeitsmarkt spiegelt vielleicht zehn Prozent der Stellen, die es gibt. Die restlichen 90 Prozent stecken im verdeckten Markt. Es ist wie bei Immobilienscout: Die Wohnungen dort sind in der Regel nicht die guten, denn die gehen übers private Netzwerk weg. Das muss man sich aufbauen. Man muss rumfragen: Wer wohnt wo? Wer will ausziehen? Wer sucht nette Nachmieter? So tickt auch der Jobmarkt. Die guten Sachen muss ich mir über das Netzwerk erarbeiten.
Von K wie Konspiration bis R wie Rochaden
K wie Konspiration
Tatsächlich war Headhunting mal eine sehr konspirative Sache, unter anderem, weil beim Personalvermitteln früher noch das Arbeitsamt die Hoheit hatte. Geheimhaltung war alles. Man hat die geheimen Treffen wie ein Agent vorbereitet: "Ich kann Ihnen zwar nicht sagen, wer mein Auftraggeber ist, aber ich hätte ganz gern ihren Lebenslauf und würde mich gerne mit Ihnen treffen." Man hat einen Treffpunkt vereinbart und die Leute gebeten, dort hin zu kommen. Sie sind gekommen. Aus Neugier und weil sie Spannung reizte.
Die Suche hatte einen Zauber, der allerdings heute nicht mehr funktioniert. Die Leute sind aufgeklärter, man muss sich um den Zugang bemühen. Ich mache es heute so, dass ich mich als Gesprächspartner anbiete. Eine Einführung könnte so gehen: "Ich habe Ihren Namen von einer sehr positiven Referenz und möchte mich mit Ihnen über Ihre berufliche Zukunft unterhalten. Ich habe eine Reihe von Optionen und Unternehmen, für die ich arbeite. Aber ich möchte erst mal erfahren: Wo soll bei ihnen die Reise hingehen?" Wenn die Leute merken, dass da endlich mal jemand mit ihnen über ihren Job reden will, fassen sie Vertrauen. Das passiert ihnen selten.
L wie Lahmärsche
Die Deutschen sind für einen Personalberater keine leichte Klientel, weil sie Berufsskeptiker sind. Und das ist noch nett gesagt. Wir sind im Vergleich zu den Amerikanern unseren Chefs gegenüber sehr loyal. In den USA können sie heute gekündigt werden und dürfen morgen nicht mehr kommen.
Daraus entstehen andere Verhältnisse: Die Amerikaner streuen ihren Lebenslauf wie die Samen einer Pusteblume in die Welt, die Deutschen haben Angst, ihre Vita öffentlich zu machen. Wir wollen nicht mal zeigen, dass wir uns verändern möchten, weil wir Angst davor haben, dass es unser Arbeitgeber erfährt. Da sind wir wieder beim Job eines Personalberaters: Er muss den Guten einen kleinen Tritt verpassen.
M wie Mittelständler
Viele Mittelständler haben noch nie mit Headhuntern gearbeitet, sie haben ihre Vertriebsleiter immer mit Anzeigen in der Zeitung gesucht. Jetzt sitzen sie immer häufiger da und schauen bedröppelt, weil sich keine ordentlichen Leute melden. Den wenigsten ist klar, dass sie mit einer Anzeige nie die erfolgreich Beschäftigten kriegen. Denn die sitzen nicht zu Hause und schreiben und verschicken Bewerbungen.
Wenn sich doch ein guter Kandidat bewirbt, kann man davon ausgehen, dass der auch bei neun anderen Unternehmen vorspricht. Okay, sagt der Mittelständler dann irgendwann entnervt: doch zum Headhunter.
N wie Neutraler Treffpunkt
In exklusiven Hotels an bestimmten Flughäfen ist die Headhunterdichte besonders groß. Im Kempinski in München oder im Sheraton in Düsseldorf zum Beispiel treffen Sie meine Kollegen in lustiger Rudelbildung. Ich bin dazu übergegangen, Hotelzimmer und Konferenzräume anzumieten. Das ist entspannter.
O wie Oh, jetzt kommt's!
Alle warten in ihren Büros auf diesen einen großen, erlösenden Anruf, in dem sich alle Hoffnungen auf Karriere und Anerkennung im Job auflösen. Ein Headhunter kann ein bisschen von dieser Hoffnung erfüllen. Er interessiert sich, er hat etwas Neues im Gepäck. Das mag ein Grund sein, warum den Job ein Mythos umgibt.
P wie Personalberater
So nennen wir uns eigentlich. Es gibt keine Ausbildung, die in den Beruf führt. Ich selbst habe Elektrotechnik studiert und habe dann 1992 mein Unternehmen gegründet. Der Begriff ist noch 20 Jahre später schwammig. Die meisten Personalberater helfen bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitern, andere helfen, sich von Mitarbeitern zu trennen - so wie George Clooney in "Up in the Air". Andere helfen bei Trainingskonzepten und Personalentwicklung in Unternehmen.
R wie Rochaden
Fast alle Stellen-Rochaden, von denen Sie im Wirtschaftsteil lesen, sind das Ergebnis der Arbeit von Personalberatern.
Von S wie Spionage bis Z wie Zonk
S wie Spionage
Einige sagen von vornherein, dass sie kein Interesse an einer Vermittlung haben. Sie fürchten, dass ihr Arbeitgeber mich beauftragt haben könnte, sie auszuspionieren. Was natürlich Quatsch ist.
T wie Treffer
Es kriegen nicht immer die den Job, die am besten zum gesuchten Profil passen. Es zählt das persönliche Gespräch. Da zählt, wie Sie sind - und nicht was Sie sind.
U wie Unzufrieden
Mir geht es wie Medizinern: Sobald ich sage, was ich mache, werde ich um Hilfe gebeten. "Der kann was für mich tun", denken die Leute. Ganz falsch ist es ja nicht. Die Menschen erleben einen immensen Leidensdruck in der Arbeitswelt. Die würden nicht mit mir reden, wenn im Büro nur bunte Smarties durch die Luft fliegen würden.
Wir machen in jungen Jahren eine Ausbildung, für die wir uns mehr oder weniger bewusst entscheiden, dann bleiben wir diesem Weg treu. Wir trauen uns nichts anderes mehr zu machen, auch wegen des Sicherheitsbedürfnisses. Personalberater müssen in dieses Nest stechen. Sie müssen die Leute aus der Lethargie rausholen, damit sie ihre Werte realisieren.
W wie Wechseln
Ich werde ein Gespräch mit einem von mir angesprochenen Kandidaten nie beginnen mit: Ich habe hier ein Angebot, wollen Sie das? Ein guter Personalberater ist auch ein guter Karriereberater. Er muss den Menschen klar machen, dass ein Wechsel einen Schritt nach vorn bedeutet. Ein Wechsel zeigt, dass sich jemand einer neuen Unternehmenskultur anpassen kann und im Kopf noch rege ist. Die gute alte Kamin-Karriere, bei der man in einer Firma jung anfängt und dann dort nach oben steigt, ist out.
Z wie Zonk
Immer wieder mal klopfen die Unternehmen auch bei mir an, ob ich nicht Lust hätte, bei ihnen anzufangen. Da verhalte ich mich dann anders, als ich es empfehle - und lehne dankend ab.