Brettspiele fürs Teambuilding Einfach mal die Karten auf den Tisch legen

Mal die Karten auf den Tisch legen: Gemeinsames Spielen kann für Teams eine gute Erfahrung sein
Foto: Fiordaliso / Getty ImagesDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Unternehmen sind komplexe Gebilde. Wer neu ist, fühlt sich nicht selten wie ein Mensch-ärgere-dich-nicht-Figürchen auf einem Schachbrett, ratlos angesichts dessen, was die anderen so treiben und wer mit wem wie interagiert. Die Vielfalt an Verhaltensoptionen und möglichen Deutungen tatsächlichen Verhaltens kann stressen. Wohltuend, wenn man fürs Team Zonen schaffen kann, in denen soziale Interaktionen berechenbar und erfreulich sind.
Womit wir beim Thema Brettspiele wären. Sie bieten ein Setting in einem in sich geschützten Raum, in dem Hierarchien für eine Weile nivelliert sind. »Man lernt, einander zu vertrauen, weil man erlebt hat, dass der oder die andere sich an Regeln gehalten hat. Das schafft Gemeinschaft«, sagt der Wirtschaftsinformatiker und Spielexperte Thomas Voit von der Technischen Hochschule Nürnberg.
Aber die positiven Effekte können noch darüber hinausgehen. »Die nächste Stufe ist, die Erkenntnisse aus dem gemeinsamen Spiel als Team zu reflektieren und in die echte Welt zu übertragen.« So könne man etwa bei The Mind erleben, wie sich in jedem Team ein eigener Zeitkosmos entfalte, und diese Erkenntnis als »emotionalen Ankerpunkt« nutzen. Bei diesem Spiel darf nicht gesprochen werden – und man muss nacheinander Zahlenkarten in aufsteigender Reihenfolge ablegen, ohne zu wissen, welche Karten die anderen haben. So entsteht ein gemeinsames Zeitgefühl, das sehr verbindend wirkt.
»Eine Diskussion über unterschiedliche Spielevorlieben kann ein guter Ausgangspunkt für ein Gespräch darüber sein, wie alle im Team besser miteinander arbeiten können«, sagt Voit. Es sei allerdings ein Irrglaube, dass man im Team am besten kooperative Spiele auf den Tisch bringen solle, bei denen die Gruppe gemeinsam gewinnt oder verliert. »Gerade solche Spiele können auch großen Druck erzeugen – weil der Erfolg des gesamten Teams dann von der eigenen Aktion abhängt«, meint Voit.
Spielen kann aber auch eine Grenzerfahrung sein. »Im Spiel fallen alle Rollen aus der echten Welt weg – Hierarchien werden eingeebnet, man befindet sich auf Augenhöhe. Manche Führungskräfte haben davor regelrecht Angst.« Wer sich darauf einlässt, wird aber mit Erfahrungen belohnt, die auch wohltuend auf das berufliche Miteinander abstrahlen.
Hier sind drei Formate, in denen Spielen gut und sinnvoll sein kann.
Level eins: Spiel-Aperitif vor dem Meeting
Na, alle da? Und alle wach? Geht so, oder? Es kann sich lohnen, ein Meeting mit einem kurzen Impuls zu beginnen, der alle aktiviert. Wahrscheinlich wäre es auch schon ganz gut, wenn alle zusammen ein paar Liegestützen oder Kniebeugen machen würden, aber dafür liegt die Hemmschwelle relativ hoch.
Beginnen Sie Ihr Meeting mit einer Runde Lucky Lachs – das geht minutenschnell und macht geistig wie körperlich wach. Die 72 Karten stecken in einem Stofffisch, man kann es mit bis zu sechs Personen spielen. Alle bekommen verdeckt je zwölf Karten, auf Kommando drehen alle die oberste um und versuchen, einen Partner zu finden, dessen Karte dasselbe Symbol zeigt. Dann muss man die Aktion ausführen – Checker-Faust, Abklatschen, Lucky-Lachs-Handwedeln oder Plätze tauschen – und macht mit der nächsten Karte weiter. Wer zuerst alle Karten los ist, gewinnt, aber eigentlich ist das Spiel ein totaler Selbstzweck. Spaß macht auch eine Zusatzregel, mit der die turbulente Kartenpartnersuche völlig still abläuft.
Auch eine Runde The Mind oder 5-Minutes-Dungeon kann ein guter Einstieg in ein konstruktives Treffen sein – zumal hier nur alle zusammen gewinnen können. Hier mehr dazu. Wer einen haptischen Ausgleich zu verkopften Tätigkeiten braucht, spielt Team 3 oder Ranklotzen (das es in einer Vier- und einer Sechs-Personen-Edition gibt); beides sind Bauspiele, bei denen es auf gute Koordination ankommt.
In Team 3 arbeiten immer drei Spieler zusammen. Eine hat einen Bauplan, darf aber nicht sprechen, sondern nur gestikulieren, die zweite Person muss der dritten dann Anweisungen geben – und die Dritte baut mit verbundenen Augen das geforderte Gebilde. Mit zwei Schachteln können zwei Teams gegeneinander antreten. Bei Ranklotzen baut man auf Zeit aus hübschen Holzklötzchen bunte Türme – allein oder im Team, auch hier kann man verschiedene Arten der Zusammenarbeit mit diversen Handicaps kombinieren.
Eine Einstimmung für kreative Meetings bieten schnelle Spiele wie Just One oder Krazy Wordz, die das Sprachzentrum stimulieren und eine konstruktive Atmosphäre schaffen. Reaktionsspiele wie Taco Käse Ziege Pizza machen auch nach der Mittagspause wach. Runden mit Kollegen, die einander noch nicht gut kennen, gewinnen durch Fun Facts enorm – eine spielerisch erweiterte Vorstellungsrunde. Hier mehr dazu.
Manchmal muss es noch nicht einmal ein komplettes Spiel sein. Voit hat gute Erfahrungen damit gemacht, einzelne Mechanismen aus Brettspielen im Arbeitsalltag zu nutzen. Etwa eine Regel aus dem schon einige Jahre alten, kooperativen Bermuda: Dabei dürfen die Mitspielenden nur so lange Karten ablegen, wie alle gemeinsam die Luft anhalten können. »Das haben wir für Vorstellungsrunden übernommen – da gibt es oft Leute, die etwas weitschweifiger werden. Wir haben dann die Regel: Man darf nur so lange reden, wie der Nächste in der Runde die Luft anhalten kann.«
Arbeitsrecht, Coaching, aktuelle Nachrichten und menschliche Geschichten: So verpassen Sie keine Artikel aus dem Bereich Job & Karriere des SPIEGEL.
Oder, das ist allerdings schon Expertenniveau, man destilliert aus einer Spielregel einen Vorteilsausgleich für Forschungsfreistellungen: »Oft gilt hier die Matthäus-Regel: Wer hat, dem wird gegeben. Bei uns in der Fakultät haben wir die Regel eingeführt, dass es umso schwieriger wird, von dem knappen Kuchen mehr zu bekommen, je mehr man schon hat – wie etwa bei »Siedler von Catan«, wo der Räuber diejenigen bestraft, die über viele Ressourcen verfügen. So haben auch die eine Chance, die erst am Anfang ihrer Forschung stehen«, erklärt Voit.
Level zwei: Das Mini-Teamevent
Klar kann man sich in die Kaffeeküche setzen und gemeinsam über die Unfähigkeit des Managements oder die Widrigkeiten des Wetters parlieren. Es kann aber auch ein belebender Impuls sein, ein Mini-Teamevent für die Kolleginnen und Kollegen aus dem Ärmel zu schütteln. Das kann niedrigschwellig sein – etwa, indem man eine gemeinsame Lunchrunde um ein Spiel wie Erwischt oder Lass dich nicht erwischen! erweitert, bei dem man nebenbei geheime Aufgaben erfüllen muss – und punktet, wenn man dabei nicht ertappt wurde; oder aber wenn man anderen auf die Schliche kommt, welche Aufgaben sie wohl hatten. Das kann so etwas sein wie »Erzähle jemandem, was du mit einer Million Euro machen würdest« oder »Bringe jemanden dazu, dein Smartphone zu benutzen«.
Soll das Spiel selbst die Hauptrolle spielen, eignet sich (neben den schon genannten) Magic Maze, das Action-Spiel Top Ten oder auch das Kneipen-Quiz: Hier treten alle gemeinsam an und machen als Team die Erfahrung, wie hilfreich es ist, wenn jeder Kenntnisse aus verschiedenen Bereichen beisteuern kann – eine kennt sich mit Fußball aus, der andere mit Geologie. Oft werden dabei neue Anknüpfungsbereiche sichtbar. Bei Magic Maze stellen vier Personen sich einer kooperativen Aufgabe – und dürfen, während sie gemeinsam daran arbeiten, nicht miteinander sprechen. Ein Eisbrecher. That’s not a Hat ist ebenso wie The Deadlies ein feines, kleines Kartenspiel, das vom gegenseitigen Ärgern lebt.

Bei The Deadlies muss man Sündenkarten loswerden – so schnell wie möglich
Foto:Maren Hoffmann / DER SPIEGEL
In debattierfreudigen Runden können Tough Calls oder Silicon Valley Startups gut funktionieren. Bei Ersterem präsentieren alle Teilnehmenden Lösungen für postapokalyptische Probleme (wir helfen dem Rest der Menschheit beim Überleben), beim Zweiten müssen wir blitzschnell Geschäftsmodelle erdenken und pitchen – vor allem in Teams, die so etwas auch real machen, ist das ein großer Spaß. Und dem Hirn ist es egal, ob man seine Präsentationsskills in einem echten Setting oder beim Spielen lernt. Je weniger auf dem Spiel steht, desto besser kann man experimentieren und die Learnings mit ins echte Leben nehmen.
Level drei: Der Spieleabend in der Firma
Den meisten Arbeitnehmern ist mittlerweile eine hybride Arbeitsgestaltung am liebsten: mal hier, mal dort – Homeoffice, Workation, mobiles Arbeiten und ab und an Büro. Zunehmend werden Ereignisse wichtiger, die die Belegschaft zusammenbringen. Gar nicht so einfach, wenn in der Firma wenig lockt und man sich die Pendelfahrt im Zweifel lieber schenkt. Was es braucht, sind Pull-Effekte: Etwa ein Spieleabend, den man in der Firma als Event organisiert. Damit der klappt, braucht es aber einiges.
Das Setting: Genügend Tische – für jedes Spiel einen eigenen. Ausreichende Beleuchtung. Gute Information. Viele Erwachsene wissen mangels eigener Erfahrung nicht, wie vielseitig Brettspiele mittlerweile sind, denken nur an Monopoly und Mensch-ärgere-dich nicht und haben dann verständlicherweise wenig Lust. Deshalb gehört Hintergrundinformation ins Intranet: Welche Art von Spielen kommt auf den Tisch? Machen Sie neugierig, zeigen Sie Bilder! Und was gibt es auf die Gabel? Snacks und Getränke sind wichtig – und, wenn der Abend länger dauert, eine unkomplizierte gemeinsame Mahlzeit zwischendurch, etwa Pizza oder belegte Brötchen.
Ein Spieleabend sollte so leicht zugänglich sein wie ein Niederflurbus. Bloß keine Hürden. Keine Anmeldung. Legen Sie einen Anfangszeitpunkt fest, ab dann darf kommen, wer will, und bleiben, solange er oder sie möchte, und auch noch später dazustoßen.

Die kleinen Bauarbeiter aus Men at Work haben einen hohen haptischen Aufforderungscharakter
Foto:Maren Hoffmann / DER SPIEGEL
Haptik spielt eine wichtige Rolle: Bauen Sie die Spiele vor Beginn des Abends auf, sodass man gleich loslegen kann. Stapelspiele wie Men at Work oder das neue Block and Key machen schon durch das Material neugierig, ebenso Project L, mit dem man Ästheten gleich an Bord hat – und Total Regal, das auch sehr einladend wirkt. Auch ältere Spiele wie Ubongo 3D können die Spiellust wecken. Weil Leute sich am meisten für andere Leute interessieren, sind Sichtachsen gut: Die Tische sollten nicht zu nah zusammenstehen, sodass man sich auch mal zu anderen Spielerunden stellen und kiebitzen kann.
Dieser Text enthält sogenannte Affiliate-Links, über die der Verlag, aber nie der Autor individuell, bei Verkäufen eine geringe Provision vom Händler erhält.
Nicht jedem liegen Partyspiele, bei denen man pantomimisch etwas darstellen muss oder sich anderweitig in großer Runde vielen Blicken ausgesetzt fühlt. Es gibt aber viele Spiele, die auch eher introvertierte Menschen ansprechen – Legespiele wie Cascadia, Dorfromantik oder Framework wirken schon beim Start-Set-up einladend und bergen das befriedigende Gefühl sinnhafter Ordnung.

Bei Dorfromantik sieht man gleich, was zu tun ist und wie alles zusammenpasst
Foto: Maren Hoffmann / DER SPIEGELGute Spiele: Der Abend ist zum Scheitern verurteilt, wenn ein Stapel Schachteln auf einem Tisch steht und sich die jeweilige Runde erst mühsam durch die Anleitung fressen muss. Jedes Spiel, das auf den Tisch kommt, braucht einen Erklärer. Große, komplexe Strategiespiele sind meist nichts für eine offene Runde – dazu sollten sich die Kolleginnen und Kollegen lieber gezielt verabreden. Es gibt einige Partyspiele, die eine sichere Bank sind – dazu zählen auch oben schon genannte Spiele wie Just One oder Fun Facts, aber es darf auch üppiger werden.
Das Spiel Challengers etwa bietet einen kompletten Turnieraufbau für bis zu acht Spielende, die mit eigenen Kartensätzen gegeneinander antreten. Klingt kompliziert, aber wer es einmal begriffen hat, kann es schnell erklären. Auch Ready Set Bet (erscheint dieses Jahr auch auf Deutsch) bietet richtig Atmosphäre. Bis zu neun Personen versuchen bei dem Würfel-Pferderennen, reich zu werden – ein mitreißender Spaß, bei dem ein extrovertierter Kollege den Sportmoderator machen kann (aber nicht muss, man kann auch an eine App delegieren). Turbulent wird es auch bei Feed the Kraken; hier sticht eine aus Seglern, Piraten und Kultisten gemischte große Crew gemeinsam in See und versucht, einander geschickt zu entlarven. Das ist ein intensives Erlebnis, funktioniert aber nur mit guter Anleitung.
Zum Ausklang eignet sich das Musikkartenspiel Hitster, bei dem man über eine App abgespielte Songs in die richtige zeitliche Abfolge bringen muss. Da es lautstärkehalber das Spielen an den Nebentischen erschwert, ist es eher etwas für den harten Kern, der zum Schluss noch da ist – und den Abend in bester Erinnerung behalten wird.